Anton Tantner


Adressierbarkeit als Mittel der Verbrechensbekämpfung

Die ersten Versuche, in Wien eine Nummerierung der Häuser durchzuführen, datieren aus den 1750er Jahren: Damals, im Mai 1753 wird eine beständige beschreibung aller Einwohner und Einwohnerinnen Wiens diskutiert. Zu deren leichteren Besorgung [sollen] alle Häuser in und vor der Stadt oberhalb des Fenster[s] des ersten Stoks nummeriert werden, damit ohne lange Nachsprach, wo diese oder jene zu wissen nöthig habende Persohn wohne jedermann durch den auf dem Beschreibungs-Zettel anmerkenden numerum (...) gleich aufgesuchet werden könne.
Gewiss, der Argwohn der boshafte[n] Volckmenge gegenüber der segensreichen Neuerung wird befürchtet; um diesen zu entkräften, ist Aufklärung vonnöten: Mit guter Art ist den misstrauischen Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohnern begreiflich zu machen, dass die Maßnahme der Hausnummerierung blos allein zu besserer Ausfindigmachung derer verdächtig liederlich und gefährl[ichen] Leuten abgeziellet seye. Die Einführung der Hausnummerierung soll demnach als Mittel zur Verbrechensbekämpfung angepriesen werden.
Die Überlegungen zur praktischen Umsetzung sind schon recht weit gediehen: Die Hauseigentümer hätten jeweils auf eigene Kosten eine Blechtafel in der Höhe und Breite von je einem halben Schuh – circa 15 Zentimeter – anzuschaffen; damit der Glanz bey dem Sonnenschein nicht blende, wäre diese zu grundieren. Die schwarze Zifer wäre in einer Länge von vier Zoll – knapp mehr als zehn Zentimeter – darauf zu schreiben.
Zu dieser Hausnummerierung kommt es dann doch nicht, zu groß sind schließlich die Bedenken im Directorium, der politischen Zentralbehörde der Monarchie: Nur in den Beschreibungsbögen könne eine solche Nummer eingefügt werden, nicht aber auf den Häusern selbst.

Hausnummern zur leichteren Steuereintreibung

Etwas mehr als zehn Jahre später wird wieder vorgeschlagen, die Häuser zu nummerieren; diesmal sollen nicht nur die Häuser Wiens, sondern überhaupt alle Häuser in den böhmischen und österreichischen Ländern mit einer Zahl versehen werden. Der treibende Anlass ist diesmal fiskalischer Natur: Im Jahr 1763, also mit dem Ende des siebenjährigen Kriegs wurde eine neue Steuer eingeführt, die so genannte Schuldensteuer. Ihr Name deutet schon das beabsichtigte Ziel an, sie soll dazu dienen, die durch den Siebenjährigen Krieg noch gestiegenen Staatsschulden zu begleichen. Bei dieser Steuer handelt es sich um eine Kopfsteuer; für jeden Erwachsenen und für jedes Kind ist ein bestimmter, sozial gestaffelter Betrag zu bezahlenDie Höhe der eingenommenen Steuern bleibt allerdings weit unter den erhofften 2 Millionen Gulden, was noch 1764 die für die Finanzen zuständige Hofkammer veranlasst, die Art der Steuereintreibung zu überprüfen. Ergebnis ist, dass nach Ansicht der Hofkammer die grundherrschaftlichen Beamten den staatlichen Behörden die Seelen vorenthalten, also ungenaue und zu niedrige Angaben über die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner machen. Auch 1765 sind die durch die Schuldensteuer erzielten Einnahmen nicht gestiegen, sondern gar gesunken, und so kreisen in den folgenden Jahren die Beratungen weiter um die Frage, welche Möglichkeiten es gibt, der verschwiegenen Seelen habhaft zu werden.
Um zu verhindern, dass einmal in einem Haus aufgefundene Seelen so leicht wieder unterschlagen werden können, gibt es einen Vorschlag: [A]lle Häuser, sowohl in Städten, Märkten und Dörfern, als auch in zerstreuten Orten, ingleichen alle Gebäude, worinnen Partheyen wohnen, oder wohnen könnten, nicht minder die Thürme, und andere Gemeind Gebäude in Städten oder Märkten und in Dörfern die Halter-Wacht und Gemeind-häuser, auf denen Land-Güttern aber die Tafern- und Herrschaftliche Zins-Häuser [sollen] der Ordnung nach numeriret, und nach ihren numeris beschrieben werden, ein in mehreren auswärtigen Staaten schon eingeführtes Werk, für den Dienst dero Majestät genauso nützlich und ersprießlich wie für das Policeywesen.
Dieser Vorschlag produziert, nicht sonderlich überraschend, umfangreiche Stellungnahmen und Gegenstellungnahmen, in denen nicht zuletzt die unendliche[n] Mühe[n], Beschwerden, und namhafte[n] Unkosten einer solchen Maßnahme bemängelt werden; im speziellen Fall von Wien wird allerdings betont, dass hier das Unterfangen sogar verhältnismäßig einfach durchzuführen sei: In der Stadt solle man unterscheiden zwischen den Behausungen und Gebäuden, die an den Bastionen, also den Stadtmauern gelegen seien, und dem Rest der Häuser, das heißt, bei den an den Basteien gelegenen Häusern soll dann nochmals von eins an mit der Nummerierung begonnen werden.
Bei diesen unterschiedlichen Vorschlägen, die Nummerierung durchzuführen, geht es immer um die Durchnummerierung der gesamten Ortschaft, nie wird in Erwägung gezogen, so wie bei der heute üblichen Orientierungsnummerierung gassenweise zu nummerieren. Kenntlich gemacht werden soll die Hausnummer durch aushängung eines neo Täferl, was auch in den Vorstädten geschehen soll; wichtig ist dort nur, dass jede Vorstadt oder eigens benannter Freigrund extra von eins an nummeriert wird.
Die Diskussion um die Einführung dieses neuen Werks dauert einige Jahre: Erstmals ventiliert wird der Vorschlag 1766, in zwei Ländern, in Tirol und im damaligen Vorderösterreich, wird dann tatsächlich schon im darauf folgenden Jahr die Hausnummerierung eingeführt. Für die anderen böhmischen und österreichischen Länder der Monarchie wird schließlich 1769 beschlossen, die Hausnummerierung gleichzeitig mit einer neuen Volkszählung, einer so genannten Seelenkonskription durchzuführen.

Seelenkonskription und Hausnummerierung

Diese Seelenkonskription steht unter eindeutigem und gar nicht geleugnetem militärischem Vorzeichen: Ihr vorrangiges Ziel ist die Schaffung eines neuen Rekrutierungssystems, das potentiell alle christlichen männlichen Untertanen zu Wehrpflichtigen machen soll. Jahrelange Debatten sind seiner Einführung vorausgegangen, bis sich die militärische Behörde, der Hofkriegsrat und dessen Präsident Moritz Graf von Lacy, unterstützt vom kaiserlichen Mitregenten Joseph II. mit ihren Forderungen durchsetzen können, was nicht ohne Kompromisse mit den anderen politischen Behörden und den Vertretern der Stände geschieht. Ergebnis ist eine Militarisierung und zugleich eine Verstaatlichung des Konskriptionswesen: Für die Durchführung der Beschreibungsarbeit werden nun nicht mehr stellvertretend für staatliche Stellen arbeitende Pfarrer und grundherrschaftliche Beamte herangezogen, sie wird nun von militärischer und politischer Behörde gemeinsam durchgeführt.
Aus militärischen und kreisamtlichen Beamten zusammengesetzte Kommissionen haben nun von Dorf zu Dorf ziehen, die dort vorgefundenen Seelen in vorgedruckte Formulare einzutragen und die Häuser zu nummerieren. Die dabei gewählte Route soll möglichst keine Umwege erforderlich machen; im Bedarfsfall werden ortskundige Personen, so genannte Wegweiser herangezogen, denn die auf den Landkarten eingezeichneten Wege werden nicht immer als vertrauenswürdig betrachtet. Wichtig ist, dass die Kommissare ihre Arbeit sorgfältig verrichten: Alle Städte, Märkte, Burgfriede, Dorfschaften, Pfarr-Häuser, Maierhöfe, Brauhäuser, Garten-Häuser und einzeln gelegene Bad-Stuben sind zu consignieren; Nicht die mindeste einzelne Keusche, vielweniger also ein ganzes Ort soll übersehen werden.
Die Modalitäten der Hausnummerierung werden am 8. März 1770 per allerhöchster Resolution, es unterzeichnet niemand anderer als Maria Theresia, festgelegt: Demnach sind die Nummern ohne Anheftung besonderer Tafeln lediglich mit schwarzer Farbe durchgehends ober der HaußThüren sichtbar aufzuzeichnen. Zwei Tage später wird das entsprechende Patent öffentlich bekannt gemacht.

Die Adressierung Wiens

In Wien wird diese Bestimmung in leicht modifizierter Form umgesetzt: Nicht mit schwarzer, sondern mit roter Farbe werden hier die Nummern auf die Hauswände aufgetragen, wie sich an manchen Häusern im ersten Bezirk (z. B. die oben abgebildete Ballgasse 8, oder Kohlmarkt 11) noch erkennen lässt.
Die Nummerierung ist der Reihe nach vorzunehmen; in den Dörfern am Land bekommt zu meist jenes Haus, auf das die Kommissare am Anfang der Ortschaft als erstes stoßen, den Numero 1, die Reihenfolge der Nummern lässt in der Folge den Weg erkennen, den die Kommissare durch die jeweilige Ortschaft genommen haben. In den Städten ist es nicht zwangsläufig das erste Haus beim Stadttor, das die Nummer eins bekommt, sondern, sofern vorhanden, ein repräsentatives Gebäude, die kaiserliche Burg oder der Sitz der Grundherrschaft. In Wien ist es die Hofburg, die die Nummer eins verpasst bekommt und von der ausgehend weiter nummeriert wird.
Die Namen der Leute, die durch Monate hindurch durch Wien ziehen, die Seelen beschreiben und die Häuser nummerieren, sind bekannt: Von Seiten des Militär sind dies der Hauptmann von Melas und die Schreiber Ludwig Stegmann und Max Zimmermann, von der politischen Seite handelt es sich um den Kreisamtssubstitut Graf von Fürstenbach und Joseph Friedman, als Schreiber wird ein Alexander Klug genannt, als sechster hinzu kommt der eigens von der Stadt aufgestellte Konskriptionskommissar Ludwig Rossy; für die Vorstädte gibt es eine eigene Lokalkommission.
Zu nummerieren sind alle Häuser, in denen Menschen wohnen oder wohnen können; explizit auch die Lustschlösser, und in Wien auch die kaiserliche Burg und die päpstliche Nuntiatur. Alle diese Gebäude sind ohne Unterschied zu nummerieren, wie eigens betont wird, die durchgehende Zahlenkette hat demnach eine beinahe demokratisierende Kraft, die einfache Kaschemmen den herrschaftlichen Prunksitzen gleich behandelt.
Aufzumalen sind teutsche, also arabische Ziffern, denen in der Regel die Abkürzung für Numero, also z. B. ein N mit einem hochgestellten o vorangestellt wird; dass es sich bei der aufgemalten Zahl um eine Hausnummer handelt, wird also auch durch die Verwendung von Buchstaben unterstrichen; die Zahl alleine reicht nicht, sie könnte bei entsprechender Höhe ansonsten mit einer Jahreszahl verwechselt werden.
Besondere Bestimmungen gelten für die so genannten Juden Häuser, das heißt Häusern, bei deren Eigentümern es sich um Juden handelt, was im Wesentlichen nur in den böhmischen Ländern möglich ist. Diese Häuser sind extra zu nummerieren, und für sie sind nicht die teutschen, sondern römische, lateinische Ziffern zu verwenden, womit die scharfe Trennlinie die zwischen den so genannten christlichen und jüdischen Seelen gezogen ist, noch einmal unterstrichen wird; der gelbe Fleck, den in Prag Jüdinnen und Juden damals auf ihrer Kleidung zu tragen haben und der erst 1781 abgeschafft wird, wird damit auch an ihre Häuser geheftet.
Eine erste Probe der Hausnummerierung und Konskription wird Anfang Oktober 1770 durchgeführt; nicht in der Stadt selbst, sondern in Simmering, die für Wien bestimmten Beschreibungskommissare sind dabei anwesend. Diese Probe dauert vom 5. Oktober bis Mittag des 11. Oktobers, nach Ansicht der beobachtenden Offiziere ist dies etwas zu langsam. Am selben Tag noch, am 11. Oktober 1770 beginnt die Hausnummerierung in Wien, Tags zuvor nimmt die für die Vorstädte bestimmte Lokalkommission in der Laimgrube, einem Teil des heutigen 6. Bezirks, ihre Arbeit auf.
Die Aktion wird circa ein halbes Jahr lang dauern; im Laufe des Monats April 1771 können die Kommissare ihre Arbeit in der Stadt beenden, in den Vorstädten brauchen sie etwas länger.

Aneignung und Verwendung

Wie schnell werden nun die Hausnummern im Alltag verwendet? Eine der möglichen Quellen, dies herauszufinden, ist die Wiener Zeitung: In ihr werden am 5. Jänner 1771 erstmals Hausnummern erwähnt, in einer An zeige, gemäß der im Lerchenfeld zwei Häuser, nämlich die Nummer 24 mit dem Namen zu Maria Trost und die Nummer 26 mit dem Namen zum grünen Jäger, beide einem gewissen Anton Hölzl gehörig, zum Verkauf angeboten werden.
Knapp danach, am 2. Februar 1771 ist in einer Anzeige zu lesen, dass Mittwochs den 30. Jänner 1771 in der Bognergasse ein ganz weißes Bologneserhündl ein Mändl, welches blaue Augen hat, jedoch eines lichter blau als das andere, und eine kleine Gosche mit einer schwarzen Nasen, 7 Pfund wägend verloren gegangen ist; Derjenige so es gefunden oder anzeigen kann, hat sich in der Bognergasse Nro. 222 im zweyten Stock anzumelden, man versichert einen guten Recompens. Es handelt sich demnach um eine Verlustanzeige für einen Hund, in der die Hausnummer verwendet wird, um das Auffinden desjenigen Hauses zu erleichtern, in dem der verloren gegangene Hund wieder abgegeben werden kann. Und tatsächlich, wer den von Josef Anton Nagel damals verfertigten Stadtplan von Wien konsultiert, gemeinsam mit der Vogelschauansicht von Joseph Daniel von Huber der erste Plan Wiens, auf dem die Hausnummern eingezeichnet sind, wird dort, in der Bognergasse, dieses Haus finden können.

Reterritorialisierung mittels Namen und Nummern

In unmittelbaren Zusammenhang mit der Nummerierung steht eine weitere Innovation: Der gesetzlich geregelte Zuname. Ein am 15. Dezember 1770 erlassenes Hofdekret verpflichtet nicht nur die HausbesitzerInnen dazu, die Hausnummern auch im Inneren der Häuser anzubringen, sondern verbietet darüber hinaus den Untertanen, ihren bei der Geburt bekommenen Zunamen eigenständig abzuändern. Damit soll eine Praxis eingeschränkt werden, die das Auffinden der in den Konskriptionstabellen erfassten Personen gefährdet. Die Seelenkonskription zielt damit auf eine Reterritorialisierung von Subjekten ab, die nicht zuletzt durch die Erosion des Feudalsystems von ihrem Grund getrennt wurden. Den Subjekten soll ein nur in gesetzlich festgelegten Fällen änderbarer, „wahrer“ Name zugeschrieben werden, der auch im Falle eines Wechsels des Aufenthaltsorts gleich zu bleiben hat und nicht mehr, wie dies zuweilen üblich ist, gegen einen anderen ausgetauscht werden kann. Noch einmal verfeinert werden diese Methoden im Jahr 1777 durch Einführung der Türnummern, die zeitgenössisch als „Familiennummern“ bezeichnet werden.

Hausschilder und Orientierungsnummern

Die Hausnummern sind keineswegs das erste Adressierungssystem, das in Wien Verwendung findet. Vor ihrer Einführung dienten insbesondere Hausschilder zur Identifizierung und Auffindung der Häuser. Diese haben allerdings einen gravierenden Nachteil: Mit dem zunehmenden Wachstum der Stadt sowie der Vorstädte stößt der Einfallsreichtum bei der Motivwahl für die Schilder an seine Grenzen, auch Namenskreationen wie Zum goldenen ABC oder Zum weißen Elephanten können nicht verhindern, dass manche Bezeichnungen mehrfach vorkommen. So gibt es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Wien samt Vorstädten 29 Häuser, die mittels ihres Schilds als Haus Zum schwarzen Adler bekannt sind und somit verwechselt werden können. Mit Hilfe der Konskriptionsnummern werden diese Uneindeutigkeiten beseitigt, eine dauerhafte Lösung sind sie jedoch nicht: Neubauten, Häuserzusammenlegungen und -abrisse bringen die durchgehende Zahlenreihe in Unordnung, 1795 und 1821 müssen Umnummerierungen vorgenommen werden.
Welch verschlungenen Wege dabei zuweilen beschritten wurden, zeigt die Nummerierungsgeschichte des Hauses Köllnerhofgasse 3: Als 1770/71 in Wien die Konskription stattfindet, steht auf diesem Gelände noch der Kölner Hof, ein Ende des 13. Jahrhunderts erstmals erwähntes, sehr aus gedehntes Gebäude. Es bekommt die Konskriptionsnummer 759. In den Jahren 1792/93 wird der Kölner Hof zum Großteil abgerissen; an seiner Stelle werden unter Leitung des Architekten Peter Mollner vier neue Häuser erbaut. Eines davon behält die alte Nummer – 759 –, die drei anderen bekommen die bis dahin noch nicht vergebenen Nummern 1379, 1380 und 1381. Bei der im Jahr 1795 durchgeführten Hausnummerierung werden die neuen baulichen Verhältnisse berücksichtigt, die vier Häuser bekommen die Nummern 783 bis 786; ab 1821 tragen sie die Nummern 737 bis 740, seit der Einführung der Orientierungsnummern können die Häuser mit Köllnerhofgasse 1, 2, 3 und 4 adressiert werden. Und zu guter Letzt bekommen die betreffenden Häuser nach 1874 nochmals neue Konskriptionsnummern bzw. Grundbuchseinlagezahlen, nämlich 645 bis 648. Das Haus Köllnerhofgasse 3 trägt damit im Laufe der Jahre folgende Konskriptionsnummern: 759 (ab 1770/71), 1379 (ab 1792/93), 784 (ab 1795), 738 (ab 1821), sowie 647 (ab 1874)!
Die Stadterweiterung der folgenden Jahrzehnte wird dieses Problem nur noch weiter verschärfen, und so wird ab 1862 ein zusätzliches Adressierungssystem eingeführt, nämlich die heute noch gebräuchlichen straßenweisen Orientierungsnummern. Mit ausgetüftelt wird dieses System vom Unternehmer Michael Winkler, dessen Schilderfabrik nicht nur die Hausnummerntafeln erzeugt, sondern auch die neuen Straßentafeln, die gleichzeitig an den Häusern angebracht werden.

Die Beharrlichkeit der Nummern

Die Konskriptionsnummern, nunmehr auch als Grundbuchseinlagezahlen bezeichnet, werden in den Wiener Bezirken eins bis neun einmal noch, bei der Neuanlage der Grundbücher ab 1874 geändert und sind zuweilen bis heute im Inneren der Häuser angebracht. Noch in den 1950er Jahren kommt es vor, dass an Häusern Konskriptionsnummern angebracht werden, diesmal im seit 1958 für Orientierungsnummern festgelegten blau-weißen Design, wie z.B. in der Walfischgasse 6 (Nr. 1350).
Eine besondere Beharrungskraft haben die unter Maria Theresia eingeführten Konskriptionsnummern übrigens in der Tschechischen Republik: Dort sind sie in vielen Städten und Dörfern zusammen mit den Orientierungsnummern an den Häusern befestigt und werden für manche Verwaltungsabläufe immer noch herangezogen.

Homepage von Anton Tantner mit Galerie der Hausnummern


Heft kaufen
Literaturliste

Österreichische Nationalbibliothek, Handschriftensammlung, Codex 12963: Conscription der kay: kön: Residenz-Stadt Wien [undatiert, ca. 1772]
Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Hofkriegsrat, Akten 1770/74, 1771/74.
Österreichisches Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv, Hofkanzlei, IV A 8, Kartons 497-501; IV M 1, Karton 1326.
Alfred Gürtler, Die Volkszählungen Maria Theresias und Josef II. 1753–1790. Innsbruck: Wagner, 1909.
Friedrich A Kittler, Die Stadt ist ein Medium. In: Gotthard Fuchs / Bernhard Moltmann / Walter Prigge (Hg.), Mythos Metropole. Frankfurt am Main: Suhrkamp es 1912, 1995, S. 228–244.
Markus Krajewski, Zettelwirtschaft. Die Geburt der Kartei aus dem Geiste der Bibliothek (Copyrights, Bd. 4 hrsg. v. Dirk Bae­cker und Elmar Lampson). Berlin: Kadmos, 2002.
Anton Tantner, Galerie der Hausnummern, Internetpublikation (Februar 2002), <http://mailbox.univie.ac.at/anton.tantner/ hausnummern>
Anton Tantner, Vermischung vermeiden. Seelenkonskription, Hausnummerierung und Vermischung um 1770. In: Landwehr, Achim (Hrsg.): Geschichte(n) der Wirklichkeit. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte des Wissens. Augsburg: Wißner, 2002, S. 147–172.
Hertha Wohlrab, / Felix Czeike,: Die Wiener Häusernummern und Straßentafeln, in: Wiener Geschichtsblätter, 27.1972, S. 333–352.