Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


»Juden in Salzburg« ist die Publikation zur derzeit im Museum Carolino Augusteum in Salzburg laufenden, gleichnamigen Ausstellung.
Das Buch führt mit einem Artikel zur Frage der jüdischen Identität von Felicitas Heimann-Jelinek ein. In sehr kompakter Form erhält man einen Überblick über unterschiedliche Strömungen und Positionen im historischen und zeitgenössischen Judentum. Die Geschichte der Juden in Salzburg begann vermutlich im 11. Jahrhundert mit so genannten Judendörfern, die an den Routen von Italien nach Bayern lagen und Stützpunkte für HändlerInnen waren. Im 14. Jahrhundert gab es in fast allen bedeutenden Städten der Salzburger Erzbischöfe jüdische Gemeinden. Es gab in dieser Phase keine Ghettos, trotzdem lebten Juden/Jüdinnen und ChristInnen stets nebeneinander und nicht miteinander. Im Zentrum des Lebens der sehr kleinen jüdischen Gemeinden stand stets die Religion, für die Mitglieder gab es, von den Päpsten und Erzbischöfen auferlegt, Sondergesetze und steuerliche Bestimmungen, die die Möglichkeiten der Lebensgestaltung stark einschränkten.
Die christliche Bevölkerung warf den Juden und Jüdinnen immer wieder Hostienfrevel, Ritualmord an christlichen Kindern und Brunnenvergiftung vor. Immer wieder kam es zu Pogromen, 1350 und 1404 wurden jeweils fast alle Mitglieder der jüdischen Gemeinde ermordet. 1498 verfügte der Erzbischof die Ausweisung aller Juden und Jüdinnen. Erst 369 Jahre später durfte sich wieder ein Jude in Salzburg ansiedeln. In Folge kam es in der Phase des Liberalismus bis ca. 1880 zu einer wenige Jahre dauernden Blüte der jüdischen Gemeinde. 1885 notierte Theodor Herzl die Zeilen: »In Salzburg brachte ich einige der glücklichsten Stunden meines Lebens zu. Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden.« Eigenartigerweise wird der Konflikt rund um die 2001 in der Kaigasse 2 aufgehängte Gedenktafel, die das Zitat in sinnentstellender, verkürzter Version enthält, nicht einmal in einer Fußnote erwähnt. (siehe dazu http://www.t0.or.at/ rueckgabe)
Die Salzburger Juden und Jüdinnen hatten bereits lange vor dem Nationalsozialismus unter Antisemitismus zu leiden, der meist in Kombination mit dem in Salzburg klassen-übergreifenden Deutschnationalismus und auch einem provinziellen Antiurbanismus (Hetze gegen die »Judenzentrale« Wien) auftrat. Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges wurde der Antisemitismus zum Alltag.
Nicht nur die Salzburger Juden und Jüdinnen waren diesem ausgesetzt, sondern auch TouristInnen, die Urlaub machen wollten. Etliche Orte im Land Salzburg erklärten sich bereits in den 1920'ern als »judenrein«. Der Ausschluss aus der bürgerlichen Gesellschaft war total. Obwohl für die Salzburger Juden und Jüdinnen kaum vorstellbar, brachte die Naziherrschaft eine nochmalige radikale Steigerung des Antisemitismus. Verhaftungen und »Arisierungen« geschahen bereits in den ersten Tagen nach dem 12. März 1938. Drei Tage nach dem Novemberpogrom, bei dem die Synagoge zerstört wurde, erklärte sich Salzburg »judenrein«. Alle noch in Salzburg lebenden Juden und Jüdinnen mussten, wenn sie nicht bereits verhaftet oder vertrieben worden waren, nach Wien übersiedeln.
Nach dem Ende des Nationalsozialismus kamen von den Vertriebenen nur sehr wenig zurück. Trotzdem gab es vorübergehend sehr viele Juden und Jüdinnen in Salzburg.
Diese lebten in Flüchtlingslagern und mussten erleben, dass das Ende des Nationalsozialismus nicht das Ende des Antisemitismus bedeutete (siehe dazu das ausgezeichnete Buch »Exodus durch Österreich« von Thomas Albrich, Innsbruck 1987). Die »Arisierung« jüdischen Eigentums war so vollständig wie die Rückgabe unvollständig war und ist (siehe auch dazu die oben erwähnte Website). Die ehemaligen BesitzerInnen mussten langwierige Prozesse anstrengen, ungewollte Investitionen ablösen etc.
Die Ausstellung ist noch bis 12. Jänner 2003 im Museum Carolino Augusteum zu sehen.

Helga Embacher (Hg.)
Juden in Salzburg. History, Cultures, Fates
Salzburg 2002 (Verlag Anton Pustet)
englisch/ deutsch
132 S., Euro 19,80


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