Axel Laimer

making it


Wolfgang Niederwieser ist Projektleiter der Gebietsbetreuung des 5. Wiener Gemeindebezirkes (Margareten), Gründer des Kulturprojektes »Architektur Raum 5« und der Projektinitiator von »making it«. Mit dem Generalthema »Architektur« will AR5 mit wechselnden Spielorten im gesamten Gebiet des 5. Bezirkes regelmäßig Projekte im Sinne einer aktiven Stadterneuerungsarbeit organisieren.
Mark Gilbert ist Architekt, arbeitet als Assistent am Institut für Architekturtheorie an der TU Wien und ist Mitglied der an dem Projekt »making it« beteiligten Architekten Gruppe Holodeck.at. Er hat das Projekt mitorganisiert und war Themenlieferant und Kurator.

dérive: Wie ist das Projekt entstanden?

Niederwieser: »making it« ist das Eröffnungsprojekt des übergeordneten Kulturprojektes »Architektur Raum 5« und definiert das Gebiet des 5. Bezirkes als Spielfläche eines imaginären Spieles, in welchem der erste Spielstein – »making it« – in der Schönbrunner Straße positioniert wurde. Für die nächsten Jahre sind neue Projekte geplant. Das Projekt »AR5« wurde von der Gebietsbetreuung Margareten konzipiert und entspricht einer Grundforderung des Modells der »Sanften Wiener Stadterneuerung«, die Lebens- und Wohnqualität in einem definierten Gebiet (Bezirk) zu verbessern. Die Palette unseres Tuns reicht von Mietrechts- und Sanierungsberatung, über die Mitgestaltung des öffentlichen Raumes bis hin zum kulturellen Engagement. Folgende Kriterien waren für »making it« – nicht nach Wertigkeit geordnet – wichtig und Ausschlaggebend:

  1. Leer stehende Lokale, ihre Verfügbarkeit und deren Vernetzungspotentiale.
  2. Das mittelfristige Projekt »Kulturzeile – Wienzeile«, welches sich entlang der U4-Trasse entwickeln soll. Die Schönbrunner Straße als Veranstaltungsort von »making it« liegt parallel zu dieser projektierten Kulturzeile, und es war für mich daher wichtig und interessant, diesem Gebiet eine kulturelle Vergangenheit und Identität zu verschaffen.
    Die vorgefundenen Gegebenheiten, die ausgesuchten Lokale lagen zueinander in guten Gehrelationen. Wir sahen es als unsere Aufgabe, auf die leer stehenden Zellen (Geschäftslokale), den Straßenraum, das Grätzl und letztendlich auf den Bezirk aufmerksam zu machen.
    Wenn ich eine qualitativ hochwertige Veranstaltung mache, dann ziehe ich BesucherInnen auch von außerhalb des Bezirkes an. Diese Menschen nehmen von Margareten mit, dass hier etwas passiert. Die hiesige Bevölkerung registriert das kulturelle Interesse von BewohnerInnen anderer Bezirke. Dieses Wechselspiel war mir sehr wichtig.
    Mein Interesse ist natürlich einerseits ein architektonisches und andererseits die nachhaltige Verankerung des Ganzen. Ein einmaliges Projekt hätte mit diesem Ansatz keinen Sinn, daher sind im Ein- oder Zweijahresrhythmus neue Projekte geplant. Dies hängt von den personellen Kapazitäten ab.

dérive: Die Reinprechtsdorfer Straße versucht nun optisch aufzumöbeln und sich als Einkaufsstraße zu etablieren. Gab es die Idee einer Initialzündung, um leer stehende Lokale zu pushen, oder stand nur der öffentliche Raum im Interesse?

Niederwieser: Beides. Wenn es nun gelänge, jene temporär genutzten Lokale des Projektes »making it« einer Verwertung zuzuführen oder das Augenmerk auf die Schönbrunner Straße zu lenken, ist auch dem Stadtteil bzw. Grätzl geholfen. Natürlich können verschiedene Straßenräume nicht isoliert gesehen werden, sondern müssen als Netzwerk erkannt werden und somit hat jedes Tun und jede Aktivität nachvollziehbare Auswirkungen auf die anderen Netzstrukturen.
Gilbert: Die Idee der Stadterneuerung war, das Gebiet sichtbar ins Spiel zu setzen. Hier passiert etwas, mit dem man sich identifizieren kann.. Als Architekt stelle ich interessanterweise fest, dass junge Architektur-Gruppen wie »AWG« oder »sputnic« kommen und die Schaufenster und Ladenlokale als Arbeitsraum nutzen. Das Gebiet wird wahrgenommen, etwas passiert, es ist irgendwie hip. Solche Entwicklungen haben bereits in anderen Städten als Initialzündung funktioniert. In New York, z.B., kommen KünstlerInnen und nützen das Potential der günstigen Räume oder Geschäftslokale für Wohnen und Arbeiten bzw. um Veranstaltungen zu organisieren. Es entsteht eine Szene, und andere Leute, die nicht unmittelbar mitbeteiligt sind, registrieren diese Entwicklung und denken, hier ist es nicht fad, es ist was los. Und sie besuchen, investieren oder ziehen sogar ein. Das ist natürlich eine zweischneidige Situation, das wissen wir, weil solche Prozesse der Gentrifizierung Vorschub leisten. Die Frage ist, was für Alternativen zu solchen Prozessen es gibt, die die Stadt erneuern. Es sind junge Leute, die etwas machen möchten, das ist die Energie, die der Stadt historisch gesehen immer einen Anstoß gegeben hat.

dérive: Ist »making it« der Versuch etwas im Bezirk entstehen zu lassen und nicht zu warten, dass etwas von außen kommt?

Niederwieser: Das ist gewünscht. Es gilt die vorhandenen Strukturen und Ressourcen zu nützen. Kleinste, banale Verbesserungen wie die Reinigung von Schaufenstern hebt die Attraktivität eines Lokals und vergrößert dessen Chancen auf Verwertbarkeit.

dérive: Anders gefragt: Ist es ein Unterschied, ob eine Entwicklung aus dem Bezirk entsteht oder von außen hereingetragen wird. In der Gumpendorfer Straße. (Cultural Sidewalk) kam die Initiative auch aus dem Bezirk. Vektor K ist aus dem Bezirk und wollte mit dem selben Interesse die Straße pushen.

Niederwieser: Im Vergleich zur Gumpendorfer Straße war unser Konzept ein kompaktes Paket, mit einem Wort: Architektur. Bei »Cultural Sidewalk« wurden mehrere Disziplinen präsentiert. Wir haben darauf verzichtet, weil wir die Klarheit und Erkennbarkeit erhöhen wollten.
Gilbert: Mir scheint, dass die inhaltliche Strategie von Vektor K sich deutlich von unserer unterscheidet. Ich muss sagen, ich kenne die VeranstalterInnen des »Cultural Sidewalk« und daher die übergreifende Strategie der Stadterneuerung hinter dem Projekt nicht. Mich würde aber interessieren, wie sie ihre Intention formuliert haben. Ich verstehe die Straße zu pushen als eine Aktion, als eine zu ergreifende Chance. Man verwendet die Infrastruktur der Geschäfte , um etwas zu veranstalten, und das ist es. Im 5. Bezirk gab es hingegen diese übergeordnete Strategie, mit dem »Architektur Raum 5« ein langfristiges Projekt auf die Beine zu Stellen.
Niederwieser: Es gibt natürlich auch andere Stadterneuerungsstrategien zu betreiben. Das ist mein Alltag. Mein alltäglicher Job ist zum Beispiel Sanierungsberatungen im öffentlichen Raum, Planungen zu initiieren oder Leute zu motivieren, weiße Flecken im Bezirk zu entdecken. Sanierten, neu gestalteten Plätzen muss manchmal Starthilfe geleistet werden oder sie müssen mit Leben gefüllt werden, um es pathetisch zu formulieren. »making it« ist eine solche Möglichkeit.

dérive: Was war die inhaltliche Idee von »making It« und wie passt die zu den Vorgaben von »Architektur Raum 5«. War das Schaufenster der gemeinsame Nenner?

Gilbert: Interessant war die Infrastruktur als soziale und architektonische Erscheinung. Was für eine Rolle die Schaufenster in der Stadt immer schon gespielt haben, wie sie funktioniert haben. Ein Geschäftsmann, z.B., hat etwas anzubieten und hat durch das Schaufenster ein Medium, damit er seine Message auf die Straße projizieren kann. Um jetzt nicht ein fremdes Thema hineinzubringen, haben wir gesagt, gut, das Thema ist da, wir nehmen ArchitektInnen und stellen ihnen Schaufenster zur Verfügung, und sie sollen dieses Medium (Interface) verwenden, um ihre eigene Architektur, ihre Vorgangsweise, in einer bestimmten Art auf die Straße zu projizieren und die Leute dadurch einzubinden. Wir sind derzeit an einem interessanten Zeitpunkt in der Architektur. Berufsbilder, Werdegänge und Tätigkeitsfelder der ArchitektInnen ändern sich ziemlich massiv. Wir haben deshalb Leute angesprochen, die verschiedene Zugänge und daher eine Bandbreite an Lösungsansätze entwickeln können.

dérive: War die Aufgabenstellung an die ArchitektInnen, sich selber zu präsentieren oder mit dem Thema Schaufenster umzugehen?

Gilbert: Beides. Das Thema Schaufenster, ein Interface, als Methode zu kommunizieren. Was sie kommunizieren sollen, war der Inhalt ihres architektonischen Ansatzes oder die Interpretation ihrer Tätigkeitsfelder in der Architektur.

dérive: Die ArchitektInnen sollen die Geschäftsleute sein, die ihr Produkt nach außen präsentieren?

Niederwieser: Es war aber nicht als Messestand gedacht. Dieser Begriff ist während der Vorbereitungen gefallen. Dann bräuchte ich mich nicht mit dem Thema Schaufenster auseinander zu setzen. Die ArchitektInnen hätten dann vielleicht bloß Modelle hineingestellt und ihre CD-Roms laufen lassen. Das wollten wir nicht. Wir wollten die Erkennbarkeit der Arbeit über die Auseinandersetzung mit dem Thema finden.

dérive: Das Architektur Zentrum Wien hat ja zuletzt in einer Werkschau junge Architekturbüros so präsentiert. Ihr wolltet diese Präsentationsform vermeiden?

Gilbert: Wir wollten keine retrospektive Präsentation, sondern Kommunikation auf eine andere Art. Allgemein sieht man diesen Zugang bei der Produktion der Identität. Man kann eine Marke auf indirekte Art und Weise schaffen, so wie bei guter Werbung.

Niederwieser: Man weiß nicht sofort, worum es geht, die Hauptinformation bekommt man vielleicht sofort und später, step-by-step, kann man das Ganze erfassen. Man muss sich das erarbeiten oder erleben. Ich erinnere mich an die Eröffnung. Es war November und nicht unbedingt einladend. Es waren so viele Menschen, die, mit dem Weinglas in der Hand, von einer Installation zur anderen flanierten. Z.B. die Installation von Marie-Therese Harnouncourt und Ernst Fuchs, die das Schaufenster entfernt haben. Sie haben eine neue Architektur hineingebaut. Man konnte sich hineinsetzen. Das war kein Modell, das war begehbarer und erlebbarer Raum.

Gilbert: Ich würde gerne wieder einen Schritt zurück gehen, zur Strategie der Erneuerung. Kann sie von innen entstehen oder muss sie von außen kommen? Historisch gesehen erneuert sich Stadt nie ohne Einfluss von außen. Generell nimmt das Bevölkerungswachstum in der Stadt ab, ohne Einwanderung von außen stirbt die Stadt langsam aus. Das ist ein historisches Phänomen, die Menschen in der Stadt vermehren sich weniger schnell als am Land.. Dass ein Input von außen kommen muss, ist Tatsache.

Niederwieser: Die Stadtregierung installiert Außenposten(Gebietsbetreuungen). Ich wohne im 18. Bezirk und arbeite jetzt schon lange im 5. Bezirk und kenne den Bezirk durch meine Arbeit sehr gut. So gesehen bin ich aus dem Bezirk, physisch jedoch nicht. Es gibt einen Wettbewerb mit anderen Bezirken oder mit anderen Städten, so hab ich es auch als Wettbewerb gesehen, Leute in den Bezirk hereinzuholen.

dérive: Gibt es ein Koordination unter den Bezirken bei den Projekten, die in der letzten Zeit in den Bezirken veranstaltet wurden – Cultural Sidewalk, SOHO in Ottakring? Das Freihausviertel fährt ja zum Beispiel eine ganz andere Strategie – gibt es zentrale Richtlinien?

Niederwieser: So etwas gibt es nicht. Es hat eine Menge Vorteile, wenn es so nicht passiert. Wir sind am besten Weg, so weiter zu machen. Der Rhythmus muss noch klar werden. Der Wunsch, eine regelmäßige Veranstaltung zu organisieren, ist da.

dérive: Das Projekt läuft unter »Architektur Raum 5«. Wird Architektur immer Thema sein?

Niederwieser: Ja.

dérive: Wird dann jedes mal ein Aufgabe an ArchitektInnen gestellt?

Niederwieser: Es wird kein »making it 2« geben.

dérive: Kann die Frage an die Architektur auch von den Bewohnern und Bewohnerinnen ausgehen?

Niederwieser: Das ist völlig offen. Für das kommende Jahr ist geplant zu zeigen, wie Architektur via Informationsträgern oder Medien vermittelt wird – eine Art Filmfestival. Dann gibt es verschiedenen Spielorte, das kann ein Park sein, die Kinos im Bezirk, eine Baustelle etc.


Heft kaufen