Architekturübungen
»Ottokar Uhl. Nach allen Regeln der Architektur«, Ausstellung im Architekturzentrum WienOttokar Uhl
Nach allen Regeln der Architektur
Architektur Zentrum Wien
März bis 13. Juni 2005
Buch:
Architekturzentrum Wien (Hg.)
Ottokar Uhl
Salzburg: Anton Pustet Verlag, 2005
254 Seiten, 29 Euro
Das Architekturzentrum Wien zeigt bis 13. Juni 2005 eine umfassende Werkschau des österreichischen Architekten Ottokar Uhl. Parallel dazu erschien im Anton Prustet Verlag eine vom AZW herausgegebene Monografie über Ottokar Uhl mit Beiträgen von Christa Kamleithner, Johannes Porsch und Bernhard Steger. Weiters ist das von Bernhard Steger aufgearbeitete »Ottokar Uhl Archiv« ab sofort im AZW öffentlich zugänglich.
Ottokar Uhl ist einer derjenigen österreichischen Architekten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die den Architekturstudierenden zumindest in Grazer komplett verschwiegen wurden. In Wien, Linz und Innsbruck scheint das nicht ganz anderes gewesen zu sein, wenn ich mich in meiner Generation der NachwuchsarchitektInnen umhöre. Warum, frage ich mich, haben die ArchitekturlehrerInnen uns ihren Kollegen vorenthalten? Warum kursierten in Graz nur Zaha H., Peter E., Wolf P. & die Himmel(b)lauen, Raimund A., Tom M. und Daniel L. und all die anderen usual suspects? Von der permanenten Eigenwerbung, vor allem der schlechten ArchitektInnen unter den Lehrenden, ganz abgesehen.
»Das liegt wohl daran, dass der Uhl in Karlsruhe Professor war«, meinen die Einen lapidar. Aha!? Was hat eine Professur in Deutschland mit einer Nicht-Rezeption in Österreich zu tun? Ich kann mir es nicht ganz erklären. Interessant meine ich, dass mir gleich zwei weitere dazu einfallen: Eilfried Huth und Friedrich Kurrent. Ich glaube ja, dass es mehr mit der Art und Weise der Architektur- und Selbstproduktion zusammenhängt, wie das auch Dietmar Steiner in seinem Vorwort zur Monografie kurz andeutet: »Im charmant schlampigen Umfeld der österreichischen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist und bleibt Ottokar Uhls Lebenswerk eine singuläre rationale Mahnung« (S. 7). Also etwas, das nicht leicht, flockig und formal überformt daherkommt, sondern etwas das man sich aneignen muss, das versucht präzise und wissenschaftlich zu sein, ohne gleich die Trennung von Künstler und Techniker zu vollziehen, sondern sich eben zur Architektur als Kunst und als Wissenschaft bekennt.
Im Kontext der medialen Ausblendung ist diese Arbeit des AZW und der Ausstellungs- und BuchmacherInnen besonders mutig und hervorzuheben. Die erwähnte Ausblendung hat aber auch etwas Positives: Die Arbeiten können unvoreingenommen neu interpretiert und auf ihre zeitgenössische Relevanz hin überprüft werden.
So lässt sich eine prozessuale Ästhetik wie sie Gilles Deleuze erarbeitet hat (vgl. Stefan Hesper, Schreiben ohne Text, Opladen 1994) in den Arbeiten Ottokar Uhls entdecken, bei der es nicht um die Autorenschaft und das erhabene Architekturobjekt geht. Viel mehr noch und viel konsequenter als bei vielen anderen KollegInnen, die das von sich selbst behaupten.
Eben diesem hierarchielosen, horizontalen und systemischen Aspekt der unprätentiösen Arbeiten Ottokar Uhls versuchen die Ausstellung und die Monografie gerecht zu werden. Die Ausstellung und das Buch versuchen jegliche Aura abzustreifen (in der Ausstellung werden z.B. keine Originale sondern nur Kopien gezeigt), um Ottokar Uhl in einem nüchternen, zeitgenössischen Licht zu präsentieren. Leider bleibt die Ausstellung ihrem Konzept nicht treu, wenn Johannes Porsch, einer der Kuratoren, dieser eine übergeordnete Bedeutung zu geben versucht, und mit komplizierter, oft verwirrender Sprache – wenn auch sehr informiert – an der Stirnseite der Ausstellung und neben den – wunderbar einfach präsentierten – Projekten, Architekturinterpretationen anbietet. Das mag gut gemeint sein, verfehlt aber vollkommen die Intention und verwirrt. Viel interessanter wäre es gewesen andere Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Arbeiten anzubieten, den prozessualen, kommunikativen und partizipativen Charakter expliziter – am und mit dem Computer – herauszuarbeiten und eben wie das bei Ottokar Uhl der Fall ist Bedeutung durch den Gebrauch entstehen- und zuzulassen.
Die Monografie ist nach einem Grafikkonzept von Ralf Bauer wunderbar gestaltet! Das von Bernhard Steger ausgearbeitete Werkverzeichnis, als auch der Artikel über das Leben und das Werk Ottokar Uhls sind präzise, übersichtlich, klar strukturiert und angenehm zu lesen. Die Dokumentation der Arbeiten ist sehr ästhetisch und manchmal zu reduziert aufbereitet. Christa Kamleithner, schlussendlich, arbeitet in ihrem bemerkenswerten Essay eine Ästhetik des Gebrauchs aus den Arbeiten Ottokar Uhls heraus. Sie bricht damit die Lanze für die Auseinandersetzung mit dem »räumlichen, zeitlichen und sozialen Kontext, und damit [für] den Gebrauch von Architektur« (S. 249).
Andreas Rumpfhuber is an architect and researcher in Vienna.