Margareth Otti

Margareth Otti ist Kuratorin und Autorin in den Bereichen Kunst, Architektur und Urbanismus des 20. und 21. Jahrhunderts und Lehrbeauftragte an der Technischen Universität Graz.


Brčko-District

In Folge der Implementierung des Daytoner Friedensabkommens wird Bosnien und Herzegowina in zwei Entitäten aufgeteilt: die »Serbische Republik« und die »Föderation von Bosniern und Kroaten«.[1] Da das Friedensabkommen in nur 21 Tagen verhandelt wird, um das wichtigste Ziel, das Ende des bewaffneten Konflikts, zu erreichen, wird die Klärung einzelner Punkte auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Dazu gehört auch die Streitfrage um die Stadt Brčko und den umgebenden Bezirk, genannt Brčko-District, im Nordosten Bosniens am Grenzfluss Save zu Serbien und Kroatien gelegen, den die beiden Entitäten gleichermaßen für sich beanspruchten.
In einem Schiedsgerichtsverfahren 1999 wird dem Brčko-District ein besonderer völkerrechtlicher Status zuerkannt. Er ist ein eigenständiger Bezirk Bosniens, der keiner der Teilrepubliken Bosniens angehört, sondern eine eigene Regierung unter Aufsicht der OHR, des Office of the Higher Representative, der internationalen Organisation zur Implementierung des Daytoner Abkommens, und der SFOR besitzt. Der Brčko-District ist eine neue Art von Gebiet, für das im Völkerrecht kein Terminus besteht, er ist ein Kompromiss für den Frieden, eine Übergangslösung, die in militärischer Terminologie »Zone of Separation« zwischen den drei ethnischen Gruppen genannt wird.
Nach einer Studie des »Regional Development Brčko« ist die offizielle Zahl gemeldeter Personen, die im Brčko-District Arbeit suchen, doppelt so hoch wie die Zahl Arbeitender. In ehemaligen staatseigenen Betrieben gibt es nur mehr etwa 2.000 Arbeitsplätze, mit sehr geringem oder gar keinem Einkommen. Eine Schwäche für die Zukunft des Brčko-District ist auch das niedrige Level der Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Es existieren ausschließlich monoethnische Volksschulen, die auch verschiedene Lehrpläne verwenden: sechs serbische, sieben bosnische und zwei kroatische Schulen.

Arizona – Europa

Der Arizona-Markt hat – im Unterschied zu üblichen Schwarzmärkten – eine geplante Entstehungsgeschichte. Nach dem Krieg funktionierten durch die zerstörte Wirtschaftsstruktur weder der Geld- noch der Arbeitsmarkt im Brčko-District. Die extrem hohe Arbeitslosigkeit und das fehlende Geld zum Wiederaufbau führten zu einer tiefen Wirtschaftskrise, in deren Folge der Lebensstandard der BewohnerInnen unter das Existenzminimum sank. 1997 wurde der Arizona-Markt, durch diese Umstände beeinflusst, gegründet, mit dem Ziel, den Waren- und Geldfluss im Brčko-District zu erhöhen, den Handel zwischen den Entitäten anzukurbeln, die Bevölkerung mit genügend Gütern zu versorgen, Arbeitsplätze zu schaffen und die verfeindeten Bevölkerungsgruppen über die Ökonomie einander näher zu bringen. Der wesentliche Grund für die Zulassung eines Marktes in diesem Gebiet war, neben ökonomischen Gründen, politischer Natur.
An der Arizona-Road, etwa 10 km von der Grenzstadt Brčko entfernt, planierten und schotterten die Truppen der SFOR ein Gebiet zwischen Äckern und Wäldern, stellten Baumaterial zur Verfügung und bereiteten so das Areal für einen Markt vor. Der Arizona-Markt entstand, im Unterschied zu anderen Schwarzmärkten in Städten, auf freiem Feld und wuchs rapide. Er ist ein Konglomerat aus improvisiertem Bauen und uneingeschränktem Handel in ständiger Veränderung, ein Ort des Transits und der direkten Aneignung und symbolisiert das Konzentrat einer Konsumwelt.
Die »Arizona-Road« – auch »Arizona-Korridor« genannt – ist die Bundesstraße von Tuzla nach Orašje und damit die Verbindung von Brčko in Richtung Sarajevo. Die Bezeichnung »Arizona-Road« entstammt einer subtilen Art des Kolonialismus: Die stationierten SFOR- und UNO-Truppen benannten die Straßen in Bosnien nach Orten aus ihrer Heimat; neben der »Arizona-Road« kann man auf »Illinois«, »Texas« und »New Jersey« fahren.

Tržnica Arizona: Der Arizona-Markt

Und die Identität, die dieser Ort verschafft, ist umso symbolischer (auf den Namen bezogen), als es, trotz der Ungleichheit der Positionen und Einkünfte der Einwohner, nur ein einziges Gewimmel von Passanten gibt, ein Netz von flüchtigen, der Zirkulation entzogenen Unterkünften [...]. (Michel de Certeau, 1980)

Die Bauten am Arizona-Markt bilden eine funktionale gewachsene Struktur, bis zum späten Nachmittag von Menschen überquellend und danach gespenstisch leer, eine dichte Formation von 2.500 Verkaufsständen aus Holz und aus festen Baumaterialien, 60 Cafés, 16 Motels, Nachtclubs und einem Bereich, in dem direkt aus LKWs verkauft wird. Bis zu 10.000 BesucherInnen kommen an einem Samstag aus der Umgebung, aber auch aus Kroatien und Ungarn. Am Arizona-Markt wird das Angebot nach der Nachfrage gerichtet, wurde zuerst mit Vieh gehandelt, später mit Zigaretten, Waffen und Nahrungsmitteln, so gibt es heute ein weites Spektrum an Waren: Sanitärbedarf für die neu gebauten Häuser in der Umgebung, Auto-Zubehör, moderne Tretroller und Markenprodukte wie Sportschuhe, Hosen, Sportgeräte, die ein bekanntes Label tragen, deren Herkunft und Produktionsstätte aber unbekannt sind. Der KundInnenandrang ist auch mit dem Preis der Waren begründet – ein T-Shirt kostet etwa 5 Euro. Die Infrastruktur ist improvisiert, es gibt zwei Toiletten, zwei Stromgeneratoren und ein offenes Wasserversorgungs- und Kanalisationsnetz. Parallel zum Markt liegen in den Äckern Minenfelder. Die Entminung ist teuer und langwierig; häufig werden nach heftigen Niederschlägen Minen in schon entmintes Gebiet geschwemmt.
Etwa 4000 Angestellte und VerkäuferInnen arbeiten am Markt Da es keine Arbeitsalternativen im Brčko-District gibt, ist der Arizona-Markt der größte Arbeitgeber in der Umgebung. Die Währung im Brčko-District ist die »konvertible Mark«, deren Wert der Deutschen Mark entspricht. Heute wird zum Wechselkurs von 1KM = 1 DM = 0,5 € auch mit Euro gehandelt. Amir, das wandelnde Geldinstitut des Marktes, ist leicht an seinem weißen Strohhut zu erkennen.Er dreht regelmäßig seine Runden am Markt und wechselt den HändlerInnen und KundInnen Devisen. Das Wirtschaftseinkommen im Brčko-District besteht zu 85 Prozent aus Handel, der Großteil davon am Arizona-Markt.
Unzählige Motels und Nachtklubs gibt es am Markt und in der Umgebung, in denen meist geschmuggelte Mädchen zur Prostitution gezwungen werden. Die Frauen kommen überwiegend aus Osteuropa, vor allem aus Moldawien, Rumänien und der Ukraine und landen über Zeitungsannoncen, die eine gute Arbeit im Ausland versprechen, am Arizona-Markt, wo ihnen nach ihrer Ankunft ihre Papiere abgenommen werden. Ein Motel am Arizona-Markt wird »Die 66-Frauen-Wohngemeinschaft« genannt, ein anderer Nachtclub besitzt ein Extrazimmer für illegale ImmigrantInnen. Madeleine Rees, Leiterin des UN-Büros der Hohen Kommissarin für Menschenrechte in Sarajevos formuliert es so: »Von der multiethnischen Gesellschaft mag nicht viel übrig geblieben sein, aber beim Frauenhandel hört die Feindschaft auf. Vergewaltigung ist ein Kriegsverbrechen, das nicht aufhört, wenn die Friedensverträge unterzeichnet sind.«
Diebstahl ist am Arizona-Markt kein schwer zu verurteilendes Verbrechen, sondern eine erweiterte Methode der lebensnotwendigen Warenbeschaffung. »Zappzarapp!« und die passende Geste der zum Körper gedrehten Hand versteht am Markt jeder. Die rosafarbenen oder weißen, dünnen Plastiksackerl haben eine besondere Bedeutung, denn jede Ware ohne Sackerl könnte für die Polizei ein Indiz für Diebstahl sein. Die HändlerInnen achten daher auf das Zeichen der »Ehrlichkeit« ihrer KundInnen und packen sorgfältig ein. Ein weiteres Arizona-spezifisches Phänomen sind die CD-Shops, die man an jeder Ecke findet; sie tragen mit aufgedrehtem Sound zur Atmosphäre am Markt bei. Man kann zwischen Original und günstiger Kopie wählen, die Musik ist eine Mischung aus orientalischem Sound und Techno, genannt »Turbo-Folk«. Zeitgleich zum internationalen Embargo entstand so in Ex-Jugoslawien ein lokales Produkt, ein »neues Musikgenre«. Turbo-Folk kann also auch als Träger politischer und nationalistischer Inhalte gesehen werden.
Der Arizona-Markt ist in zwei Bereiche geteilt, den ursprünglichen Teil, genannt »Arizona 1«, und das erweiterte Areal, »Arizona 2«. »Arizona 1« ist unter Kontrolle der Gesellschaft »J.U.P. Posavina«, deren Gründer der Bürgermeister der kroatischen Gemeinde Ravne Brčko ist. »Arizona 2«, der neuere Teil des Marktes, wird geleitet von der Gesellschaft »Posavina 108«, mit Verbindung zur HVIDRA, dem Verein »der kroatischen Freiwilligen und Veteranen des Krieges für das Heimatland«. 108 ist die Nummer einer Brigade der kroatischen Streitkräfte, die in dem Gebiet stationiert war. Die Truppe hilft laut SFOR auch heute noch Polizeikontrollen am Markt zu vermeiden; der Gründer der HVIDRA wurde in Den Haag am Tribunal für Kriegsverbrechen angeklagt. In »Arizona 2« wurde mit dem Bau von etwa 600 neuen Gebäuden aus Ziegel begonnen, deren Fertigstellung aber gestoppt wurde; die BesitzerInnen der neuen Gebäude warten auf die Genehmigung für den Weiterbau.

Erwartungen

Im Jänner 2000 sprach sich die UNMIBH (Mission der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina) für eine Schließung des Marktes aus, die SFOR sprach dagegen, da sie bewaffneten Widerstand befürchtete. Die OHR beschloss mit dem Befehl des Supervisors vom 16. 11. 2000 gemeinsam mit der Regierung Brčko-District, den Markt zu regulieren, zu legalisieren und »die Aktivitäten am Markt unter Kontrolle des Districts zu bringen«.
Die Regierung des Brčko-Districts erhofft sich durch Versteuerung immense Einnahmen, die Studie des »Regional Development Brčko« definiert es so: »...um das finanzielle Potenzial anzapfen zu können, ist es nötig, bessere Arbeitsbedingungen am Markt zu schaffen.«
Es wird hauptsächlich über mögliche Steuereinnahmen spekuliert, die aus einem »Shoppingcenter« nach »westlichem Vorbild« gewonnen werden könnten. Aber um welchen Preis ist dies realisierbar? Schon oft ist eine Transformation ähnlicher »gewachsener« Strukturen misslungen. Wie die eingenommenen Steuern investiert werden würden, wie mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können oder in welcher Weise der »neue« Markt funktionieren würde, bleibt fraglich.
Das Ignorieren des gewachsenen, funktionierenden und selbstorganisierenden Organismus des Arizona-Marktes mit dichter baulicher Struktur würde zum Verschwinden des Marktes führen, bevor seine Qualitäten und Potenziale erkannt werden können.
Erforderlich sind eine konkrete Wahrnehmung des Existenten, der Architektur des täglichen Lebens am Arizona-Markt und ein infrage stellen der vorgeschlagenen Lösung »Shoppingcenter« und des Masterplans. Eine subjektive Kartografie des Arizona-Marktes wird herausgefordert, eine Dokumentation dessen, was existiert und worauf spezifische anstatt beliebige Zukunftspläne gründen können, eine Dokumentation des doppelt transitorischen Raumes Arizona-Markt: Er ist erstens der Raum des Hinfahrens, des Durchgehens, des Verlassens, des Einkaufens, des Wechsels zwischen Gedränge und Leere, des ephemeren Aufenthalts. Zweitens ist der Arizona-Markt transitorisch; ein Schwarzmarkt ist ein temporäres Phänomen, ein Übergangseffekt, ein Adapter zwischen ungeregelten Verhältnissen und Ordnung.

Diejenigen, die die Macht haben, über den Raum zu bestimmen und ihn zu gestalten, besitzen damit ein lebenswichtiges Instrumentarium zur Reproduktion und Vergrößerung ihrer eigenen Macht (David Harvey, in: The Urban Experience, 1989)

Arizona future

Wie kann eine funktionierende Entwicklung des Marktes aussehen? Der Arizona-Markt kann nach Kevin Kelly[2] als organisatorisches Modell der Struktur des Schwarms[3] bezeichnet werden, als Netzwerk. Es existieren unabhängige Elemente, die Gesamtheit ist aber ein vernetzter, sich verändernder Organismus. Er ist gewachsen, wie Flechten oder Moose, eine Chaos-Stadt, in der sich dennoch eine selbstorganisierte innere Struktur gebildet hat.

Analyse der inneren Struktur

Als funktionale Elemente des indirekten Transits werden sieben Prototypen ermittelt: »Feldstatt« ist die Siedlung der Roma auf freiem Feld am Rande des Marktes. Das Betreten des Gebietes ist nicht erwünscht; das Schild »Vorsicht Minen« funktioniert also in beide Richtungen. Kennzeichnend sind billigste Baumaterialen. Die »Feldstatt« ist der einzige Bereich, in dem auch gewohnt wird.
Die »blaue Lagune« ist der Prototyp der Gebäude, die aus festen Baumaterialen einfamilien-hausähnlich gebaut wurden; das großflächige Areal steht wegen Konflikten des Besitzers mit der Regierung Brčko leer. Der Prototyp der »Linie« reiht die Bauten aus Holz und Ziegel mit Pultdächern und großen Fenster- und Türöffnungen linear aneinander; dieser Prototyp befindet sich meist am Rand des Marktes.
Die »Mobile Shops« sind LKWs, welche sich an Wochenenden aneinander reihen und Einkaufsstraßen bilden. Die Verkäufer übernachten auch häufig im Mobile Shop. Hier werden Getreide und Lebensmittel in großen Mengen verkauft.
Der »Center«-Prototyp ist der häufigste am Arizona-Markt. Seine Läden werden so geöffnet, dass der öffentliche Raum an der Straße in den Verkaufsraum übergeht. Hier werden Kleinteile verkauft, Lebensmittel, aber auch Badewannen und Fahrräder.
Die »Shoppingmall« ist bazarähnlich; durch die Überdachung der Ladenstraßen mit verschiedenfarbigen Folien ergeben sich Lichteffekte. Hier arbeiten an den einzelnen Ständen überwiegend Frauen. Der »Container« ist der seltenste Prototyp; er beinhaltet staatliche und infrastrukturelle Institutionen, die Polizei und das WC.

Als Prototyp des direkten Transits ist die Arizona-Road als Bundesstraße die einzige Möglichkeit, den Markt zu erreichen. Durch den KäuferInnenansturm am Wochenende gibt es – wie in allen Shoppingcentern – Staus. Die Arizona-Road gibt dem Markt nicht nur seinen Namen, sondern ist auch seine Existenz. Die Geschwindigkeit verringert sich bei den ersten Ständen des Marktes, die Straße wird zur direktesten Erschließung einer Shoppingmall, zum Erlebnisweg durch belebte Schaufensterfronten, den geöffneten Läden der Stände des Arizona-Marktes. Man fährt wie durch einen Tunnel, der Blick wird von der Windschutzscheibe an den Rand gedrängt. Das lebende Szenario Arizona passiert links und rechts, ist Bühne und Inszenierung zugleich.
Der Parkplatz als zweiter Prototyp des direkten Transits ist eine unbebaute Fläche ohne Regeln. Der Parkplatz der Mobile Shops und der KundInnenparkplätze ist geschottert und nicht mit Bodenmarkierungen versehen, der Verkehr funktioniert reibungslos. Die Parkplätze sind bewacht, das Parken kostet eine Pauschale von 2 KM.

»Mehr ist anders«

Das Potenzial für die Zukunft des Arizona-Marktes liegt in der kontinuierlichen Transformation im Kontext mit der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Umgebung. Damit der Arizona-Markt weiterhin als Adapter zwischen Zerstörung und Wachstum, Ordnung und Unordnung wirken kann, müssen existierende Regeln akzeptiert und Initiativen innerhalb dieser gefördert werden.
Der Entwurfsvorschlag der Regierung ignoriert das existierende, gewachsene Regelwerk Arizona-Markt, die geplante Tabula rasa des Shoppingcenters bedeutet ein »Weniger« und ist keine nachhaltige Lösung. Der Standort ist für den existenten Arizona-Markt spezifisch, für ein Shoppingcenter beliebig. Die Verteuerung der Waren z. B. als Folge der Regulierung hebt die Besonderheit des Ortes auf; für die momentane wirtschaftliche und politische Situation im Brčko-District sind Arbeitsplätze allerdings wichtiger als jeder Formalismus. Am Arizona-Markt sind weder Tabula rasa noch Konservierung notwendig, sondern neue Zusammenhänge, eine Art »Metakontextualismus« – die Entwicklungsfähigkeit des Arizona-Marktes liegt in den Inhalten.
Deregulierungen sind manchmal unverzichtbar für die Überwindung wirtschaftlicher Probleme und Krisen. In der Informalität liegt nach Hernando de Soto positives Potenzial einer Marktwirtschaft von unten. Es gilt, den informellen Sektor anzuerkennen und in staatliche und wirtschaftspolitische Maßnahmen zu integrieren, in diesem Fall durch infrastrukturelle und administrative Initiativen.
Die Möglichkeiten für die weitere Zukunft sind auf diesem Weg vielfältig und nicht vorhersehbar. Der Arizona-Markt wird als Palimpsest gesehen, das immer wieder auf verschiedene Art und Weise beschrieben werden kann. Der Arizona-Markt steht für eine »Architecture of the Everyday«, abseits einer Ästhetisierung, in der das Politische und Soziale ausgespart wird und fern einer Planungsmethode, in der ArchitektInnen für den Kampf der »DeveloperInnen« um Mieten und Financiers eine Architektur der gut verwertbaren Stilismen produzieren.

Den Lattenzaun zubetonieren, den »Zwischenraum« ausfüllen und bebauen, das ist das innere Streben des Architekten; aber das ist auch seine Illusion, denn er arbeitet unbewusst auch an der politischen Erstarrung von Orten - und wenn er das fertige Werk betrachtet, bleibt ihm nichts anderes übrig, als vor den Gesetzesblöcken das Weite zu suchen ... (Michel de Certeau,1980)

Fußnoten


  1. Bosnien und Herzegowina (BIH) wird formell als Staat mit vier Millionen EinwohnerInnen (47% BosnierInnen, 32% SerbInnen, 18% KroatInnen und 5% Andere) angesehen, die Entitäten besitzen aber eigentlich Staatscharakter: Verteidigung, Schulwesen, Polizei, Gesetzgebung und Rechtssprechung liegen in den Händen der Entitäten. Es gibt also nur eine geringe existentielle Bindung zwischen den beiden Entitäten, für BIH gilt also eher der Begriff »Staatenverbund«. ↩︎

  2. »Die neuen Regeln der Netzwerkrevolution drehen sich um verschiedene Achsen, an denen entlang die globale Restrukturierung wächst: I) Wohlstand resultiert aus der Innovation, der improvisierten Erfindung des Neuen – und nicht länger aus der Optimierung des Bekannten, des Bestehenden. II) Die ideale Umgebung für die Kultivierung des Unbekannten ist die Pflege und der Aufbau des Netzwerkes. III) Um das Unbekannte zu beherrschen, bedarf es des Ablassens vom Erfolgreichen, bedarf es des Verweigerns gegenüber dem Perfekten. IV) Der sich so ergebende Kreislauf von `finden, großmachen, zerstören´ vollzieht sich in immer schnelleren Zyklen. Die Gesetze der Netzwerk-Ökonomie stellen dabei nicht etwa den Schlusspunkt einer Entwicklung dar, nicht das Ende der Geschichte, sondern ein Übergangsstadium, das vielleicht ein oder zwei Generationen Gültigkeit besitzen mag.« (Kevin Kelly, New Rules for the New Economy, in: Wired, September 1997) ↩︎

  3. »In der Typologie des Schwarms geschehen ständig parallele Ereignisse, wie zum Beispiel in neuronalen Netzwerken oder in einem Ameisenhaufen. Die einzelnen Elemente eines Schwarms sind autonome Teile, die auf individuelle Regeln und auf eine lokale Umgebung reagieren. Diese Elemente handeln zwar autonom, sind aber untereinander vernetzt und bilden eine funktionale Einheit, wie zum Beispiel in einem Bienenschwarm. Die Verhaltensmuster dieser Schwarmstrukturen lassen sich nicht planen, sie organisieren sich selbst: Mehr ist anders.« (Wolfgang Wagener, Mehr ist Anders, in: Telepolis 1997) ↩︎


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Literaturliste

Böhm, Andrea: Freier für den Frieden. in: Die Zeit, Nr.3/2000, S. 13-16

Certaeu, Michel de: Praktiken im Raum, in: Kunst des Handelns, Berlin: Merve, 1980

Diedrich, Ellen: Krieg heißt immer: Gewalt gegen Frauen, in: Texte 5, Globalisierung und Geschlecht, Berlin: Karl Dietz, 2000

Diefenbach, Katja; Eydel, Katja (Hg.): Belgrad Interviews, Berlin b_books, 2000

Graff, James, Hard Times for the Black Market, in: A Time Special Issue: Fast Forward Europe, November 2000

Kelly, Kevin: Das Ende der Kontrolle, Köln: Bollmann, 1997

Neudert, Gabriele: Der internationale Schiedsspruch zum Brčko-Korridor, Diplomarbeit: Karl-Franzens Universität Graz, 2000

Smith, Jeffrey R.: Bosnian Mart Becomes Den Of Criminal Enterprise. in: Washington Post, 26. 12 1999

Sassen, Saskia: Arbeit ohne Grenzen, http://www.eurozine.com, 2000

Soto, Hernando de: Marktwirtschaft von unten. Die unsichtbare Revolution in Entwicklungsländern, Zürich: Orell-Füssli, 1992

Žižek, Slavoj: Liebe deinen Nächsten? Nein, Danke! Die Sackgasse des Sozialen in der Postmoderne, Verlag Volk & Welt, 1999