Der Architekt als Querulant
»Peter Eisenman. Barfuß auf weiß glühenden Mauern«, Ausstellung im MAK, WienPeter Eisenman
Barfuß auf weiß glühenden Mauern
MAK-Ausstellungshalle, Wien
15. Dezember 2004 bis 22. Mai 2005
Die Ausstellung Peter Eisenman »Barfuß auf weiß glühenden Mauern« läuft noch bis 22.5. und ist einen Besuch wert.
Eisenman hat eine begehbare Rauminstallation in die Ausstellungshalle des MAK gestellt, die den gewohnten white cube unterwandert. Eine zweite Decke wurde auf 2,5 m Höhe in den Raum eingezogen, und in diesen neuen, halbdunklen Raum sind in einem Raster nach oben offene Raumvolumina gestellt, die vom Oberlicht der Halle Licht beziehen und nur partiell Licht in den Zwischenraum abgeben. In diesem kann man fragmentarischen Stationen aus dem Werk Peter Eisenmans begegnen, in Form von Projektfragmenten, Videos, Texten oder auch konventionellen Architekturmodellen.
Die sinnliche Erfahrbarkeit der Ausstellung mildert die Schwere des Theoriegebäudes, mit dem Eisenman seit Jahrzehnten die akademische Architekturwelt mitgeprägt hat. Der architektonische Diskurs Eisenmans ist ein elitäres Gebäude, in dem man sich schnell verläuft, und es braucht einige Disziplin, kritische Distanz zu wahren. Lässt man sich einmal auf die Rede von der »Präsenz der Absenz« ein, befindet man sich schon im Labyrinth der intellektuellen Manöver des New Yorker Architekten. Innerhalb der widersprüchlichen Welt Eisenmans scheint es einen Ur-Konflikt zu geben: Einerseits gibt es eine Sehnsucht nach einer Autonomie der Architektur und des Urbanismus als Disziplin, andererseits einen Wulst aus Analogien und metaphorischen Querverweisen zu anderen Disziplinen.
Architektur tritt als autonomes Projekt mit inhärenter Eigendynamik auf: So analysiert Eisenman beispielsweise Giuseppe Terragnis »Casa del Fascio« in Como als eine räumlich-formale Konstruktion und löst somit das Gebäude aus seinem historischen und politischen Kontext (dem italienischen Faschismus) heraus. Gleichzeitig bedient sich Eisenman eines Gedankengebäudes, das auf linguistischen (Chomsky), philosophischen (Derrida etc.) oder auch naturwissenschaftlichen (Genetik, fraktale Geometrie etc.) Diskursen beruht. Architektur wird zu diesen anderen Wissensformen in Form von oft gewagten und spekulativen Analogien in Beziehung gesetzt, die eine beinahe monströse Rechtfertigungsmaschinerie für Entwurfsprozesse ausbilden.
Damit hat Eisenman auch zu einer intellektuellen Fetisch-Kultur der ArchitektInnen beigetragen. Die Architekturfakultäten sind heute voll von pseudowissenschaftlichen ChaosforscherInnen, HobbyphysikerInnen und FreizeitgenetikerInnen, die ihre Entwürfe auch mal gerne mit Orgasmuskurven rechtfertigen. Eisenman selbst bezieht fundierter Position: Er besteht auf der Autonomie des Intellektuellen in der Gesellschaft und behauptet darin das Potenzial zur Kritik. Im Gegensatz etwa zu Rem Koolhaas, der sich als intellektuelles Chamäleon inmitten einer lebendigen (Alltags-)kultur verortet und aus der Ambivalenz von Affirmation und Kritik Energie gewinnt. Eisenman konzipiert keine gesellschaftlichen Utopien, aus denen mögliche neue Räume entstehen könnten, sondern entwirft architektonische Strukturen, die in ihrer Sperrigkeit als Verweigerungsakte zu dechiffrieren sind. Dass diese »Texte« nur mit Hilfe spezifischer, meist elitärer Codes »gelesen« werden können, wird zu Gunsten eines diskursiven Rigorismus in Kauf genommen: Architektur für ArchitektInnen. Der Architekt im eisenmanschen Sinn ist ein Fremder in der Gesellschaft, ein Querulant, der sich gegen eine kommerzielle Außenwelt immunisiert. Hier zieht Eisenman gerne Analogien (!) zu Guy Debords Angriff auf die »Gesellschaft des Spektakels«.
Im Berliner Holocaust-Mahnmal scheint vielleicht zum ersten Mal eine Synthese aus all den inhärenten Widersprüchen geglückt zu sein: Das Labyrinth aus Steinquadern ist eine gelungene Symbiose aus Theorie und räumlichen Phänomenen. Mit Wiederbegegnungen mit Peter Eisenman geht es einem wie mit einem neuen Film von Woody Allen: Man ärgert sich öffentlich und freut sich heimlich.
Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.