» Texte / Der öffentliche Raum und seine Gestaltung

Erik Meinharter


Das Thema des öffentlichen Raums in einer Ausstellung, einem Kongress und in Exkursionen durch die Stadt zu thematisieren ist ein riskantes Vorhaben. Es muss eine Entscheidung getroffen werden, welchen Blickwinkel man wählt, da eine Gesamtbetrachtung nur zum Scheitern verurteilt sein kann. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Ausstellung Platz da! im Wiener Architekturzentrum eher einer Collage aus Sicht der Profession Architektur zu diesem Thema ist. Und eine Kombination zweier Ausstellungen. Denn auf der einen Seite steht die Präsentation der GewinnerInnen des European Prize for Public Urban Space und auf der anderen eine unter Themen wie Ambivalenzen, Dschungel, Bühnen und Okkupationen gruppierte Sammlung an Projekten und Dokumenten zum öffentlichen Raum. Eine thematische Verbindung der beiden Teil-Ausstellungen gelingt nicht und ist wohl auch nicht beabsichtigt. Es ist ja auch nicht nachvollziehbar, wieso in gut gestalteten Räumen bessere Öffentlichkeit entstehen sollte. Öffentlicher Raum ist eben auch ein relationaler, gesellschaftlich konstruierter Raum und nicht nur ein konkreter objektiver Raum. Die Verhandlung und die Diskussion über den öffentlichen Raum ist mehr als ein Qualitätsdiskurs über seine Gestaltung zwischen ArchitektInnen.
Zu Beginn der Ausstellung wird mit einem Einstieg über fünf Interviews versucht andere AkteurInnen im öffentlichen Raum zu Wort kommen zu lassen. Aber auch hier beschränkt sich die Auswahl auf Personen, die im oder mit öffentlichen arbeiten. Sie haben, wie auch Planende, einen professionellen und geschärften Blick auf Ihr Arbeitsumfeld, der im Konsens mündet, dass der öffentliche Raum derjenige sei, zu welchem jeder und jede Zugang hat und den alle gleich benützen können. Dass dem aber real nicht so ist, zeigen die Ambivalenzen des Öffentlichen, die über eine Sammlung eingereichter Projekte abgehandelt werden. Es sind wiederum einzelne Sichtweisen auf gestaltendes Handeln im Raum. Ein Widerstandsplan von Wien hebt sich als einziger mit einer Kartierung von Orten des Bürgerprotests hervor und verbildlicht so jene Orte, an denen das demokratische Prinzip des öffentlichen Raumes in Wien sichtbar wurde.
Die BesucherInnen erfahren insgesamt mehr über die Rezeption von Planung öffentlicher Räume in den Medien als über die Komplexität der Raumproduktion und Planung in der Öffentlichkeit Wiens. Es ist ja eher so, dass es nicht »in Wien im Bereich der öffentlichen Räume zu viele Meinungen oder zu viele Zuständigkeiten gibt« und Wien ein »Dschungel« ist, wie auf einer Tafel zu lesen ist, sondern diese Vielfalt der Meinungen und Zuständigkeiten das Besondere des öffentlichen Raumes darstellen. Es sind keine im Privatbesitz der stimmberechtigten Bürger konstituierte Bühnen wie die Agora der Akropolis oder Orte der Herrschaftsrepräsentationen und Unterwerfung wie der Petersplatz, die in der Ausstellung ebenfalls präsent sind.
Im besten Falle sind sie Gemeingüter, wie in einem auf den Commons-Diskurs Bezug nehmenden Teil der Ausstellung erwähnt wird, nur ist der romantische Ansatz der Allmende bei urbanen großstädtischen Situationen sicher neu zu definieren. Im weitesten Sinne ließe sich ja die rechtliche Regelung der Benützung öffentlichen Raums – siehe Wegweiserecht u.v.m. – als Gemeingüterreglement begreifen. Das müsste aber eben auch zu einer schärferen Betrachtung und Kritik an diesen rechtlichen Regelungen, die öffentlichen Raum auch seiner allgemeinen Zugänglichkeit entheben können, führen. Dies wurde jedoch in dieser Ausstellung nicht getan. Die Sammlung der kritischen Filme und der kritischen Publikationen kann keine verbindende inhaltliche Auseinandersetzung ersetzen.
Zuletzt sind unter Okkupationen Beispiele architektonischer Interventionen im öffentlichen Raum ausgestellt, welche dessen Öffentlichkeit hinterfragen. Diese sind mit den Interventionen bei der Shanghai EXPO durch feld72 politisch provozierend oder bei Hotel Halle Neustadt von raumlabor berlin, sowie den Projekten von transparadiso, spielerisch aktivierend. Sie geben also mit aktivistischen oder architektonischen Mitteln Denkanstöße den öffentlichen Raum aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Der Eindruck einer Collage verstärkt sich am Ende eines Rundgangs noch, wenn die Route vorbei an den durch den CCCB prämierten Projekten führt, die nicht viel mit den abgehandelten Themen gemein zu haben scheinen. Doch in den prämierten Parks, Plätzen und Boulevards findet jedenfalls Öffentlichkeit statt. Denn, um es mit einem Zitat aus dem Interview einem der eingangs erwähnten hervorzuheben: Aus rechtlicher Sicht sind Nutzungsrechte und nicht Eigentumsrechte entscheidend, ob ein Raum als öffentlicher Raum definiert werden kann. Der öffentliche Raum ist mehr als ein Gestaltungsdiskurs aus architektonischer Sicht, aber dieser Gestaltungsdiskurs ist ein Teil des öffentlichen Raumes. Daher ist der Besuch der Ausstellung wohl doch lohnenswert.


Ausstellung
Platz da!
European Urban Public Space
Architekturzentrum Wien
Kuratorin: Andrea Seidling
14. Oktober 2010 bis 31. Jänner 2011

Hintergrund 48 (Zeitschrift des Az W)
84 S., 7,- Euro


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