Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


So, nun hat sie endlich begonnen die Euro 08, was gleichzeitig heißt, dass ein Ende absehbar ist. Die Penetranz, mit der sich die Europameisterschaft in den letzten W­ochen und Monaten im öffentlichen Raum und in den Medien breit gemacht hat, ist beachtlich, verglichen mit dem, was uns in den nächsten Wochen erwartet, jedoch vermutlich trotzdem harmlos. Ausstellungen, Symposien, tägliche Sonderbeilagen in allen Zeitungen, Sonderausgaben von Zeitschriften etc. etc.

Ja und was macht dérive: Es wäre natürlich möglich gewesen das Thema völlig zu ignorieren, um stolz darauf hinweisen zu können, dass dérive bei dem Wahnsinn nicht mitmacht. Eine der auffallendsten Entwicklungen von Veranstaltungen wie der Fußball-EM ist jedoch die Eroberung der öffentlichen und meist zentralen Räume der Städte, weswegen sich dérive schlicht nicht nicht damit auseinandersetzen kann.

Wie am ersten Spieltag zu sehen, zeigt das Fernsehen in der Spielpause Szenen aus den Fanzonen und nicht Aufnahmen aus dem Stadion, wie das bisher der Fall war. Das zentrale ORF Studio befindet sich direkt neben der Fanzone auf der Wiener Ringstraße und bedient sich dieser als Hintergrund. Die „beeindruckende Kulisse von Burgtheater und Rathaus“ ist ständiges Thema.

Ein kleiner Akt der Verweigerung musste von uns dann aber doch gesetzt werden: Die ur­­sprünglich für das Heft vorgesehenen und auch vorbereiteten Abbildungen der im Stadtraum sichtbaren Vorboten der EM und ihrer SponsorInnen sowie von Fanmeilen der letzten WM in Deutschland sind allesamt aus dem Heft verbannt worden. Stattdessen sind am Cover und zum Schwerpunkt Fotos von Lukas Beck aus der Serie „Fußballkäfig International“ zu sehen, dem ich für die kostenlose Zurverfügungstellung herzlich danke. Die Fotos zeigen ebenfalls Fußball in der Stadt, haben mit Eventisierung und Profitmaximierung allerdings rein gar nichts zu tun. Für Lukas Beck (www.lukasbeck.com) ermöglicht der Fußballkäfig angewandte Integration und zeigt alltäglich Weltmeisterschaften. Die Ausstellung Fußballkäfig International ist derzeit in der Galerie urbanart (urbanart.at) zu sehen.

Schwerpunktredakteur von Die Stadt als Stadion ist Manfred Russo, der das Thema mit seinem Beitrag Fußball als Ernstfall einleitet. Er thematisiert u.a. die Reduzierung des Stadtraums auf eine möglichst attraktive Kulisse für die Werbebotschaften der EM-SponsorInnen und die als Fans auftretenden erlebnishungrigen KonsumentInnen. Eine äußert interessante Interpretation gewinnt Russo dem Bierkonsum ab – aber lesen Sie selbst. Bernhard Hachleitner schreibt über den Übergang von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft, der sich in der Ausgestaltung der Stadien eindrucksvoll nachweisen lässt und widerlegt die Ansicht bei Stadien handle es sich um die „neuen Marktplätze“. Anke Hagemann zeigt am Beispiel Schweiz wie sehr die VeranstalterInnen der Euro-Events von den Städten profitieren und welchen Hoffnungen sich die verantwortlichen Stadtoberhäupter hingeben. Markus Pinter erklärt die Anziehungskraft von Fußball für PolitikerInnen und vergleicht die männerbündlerischen Aspekte von Fußball und Politik. Matthias Marschik hat den einzigen Artikel beigesteuert, in dem es um Fußball an sich geht, benutzt diesen jedoch, um die Entwicklung der politischen und ökonomischen Westorientierung Österreichs zu zeigen. Den Abschluss des Schwerpunkts bildet ein Interview mit Volker Eick zu dem von ihm mitherausgegebenen Buch Kontrollierte Urbanität. Keinerlei Fußball­aspekte gibt es in den beiden Texten im Magazinteil. Martin Heintel und Helga Fasching schreiben über New Orleans nach Katrina und Anita Aigner erklärt uns, warum es sich lohnen könnte, eine vierzig Jahre alte Museumsstudie zu lesen.


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