Elke Krasny

Elke Krasny ist Kuratorin, Stadtforscherin und Professorin für Kunst und Bildung an der Akademie der bildenden Künste Wien.


Im Architekturzentrum Wien wird das Werk eines Wanderers zwischen den Welten präsentiert. Mit einer umfassenden monografischen Ausstellung werden die vielen Facetten von Bogdan Bogdanović gewürdigt: Architekt, Schriftsteller, Urbanologe, Etymo loge, Lehrender und Ornamentologe.

Der ehemalige Bürgermeister von Belgrad, der seit vielen Jahren mit seiner Frau Xenia in Wien lebt, ist, wie der ebenfalls aus Belgrad stammende Ausstellungskurator Ivan Ristić nachdrücklich betont, jemand, der einen nicht enttäuscht, jemand, dessen Werk die gleiche intensive vielschichtige Offenbarung bedeutet wie die persönliche Begegnung, jemand, dessen beeindruckende sprachliche Begabung zwischen nie versiegenden Neologismen und aus den Tiefenschichten des Sprachlichen geborgenen Archaismen die Benennung der Welt als Zustand des Unfertigen in Dauerschwebe hält und der alle diese Begabungen in vielen Rollen zu spielen nicht müde wird. Zwei Jahre lang hat sich der Kunsthistoriker Ivan Ristić im Archiv des Az W dem Gesamtphänomen Bogdanović anzunähern versucht, ist über den Mappen und Konvoluten gesessen, hat Manuskripte und Texte erstmals aus dem Serbischen ins Deutsche übersetzt und sich der Herausforderung einer ordnenden Gliederung eines Lebenswerks gestellt. 12.500 Skizzen und Pläne umfasst dieser Vorlass ingesamt, der im Jahr 2005 in einer richtiggehenden Rettungsaktion von Belgrad nach Wien überstellt worden ist. War davor das Lebenswerk in einer feuchten Belgrader Altbauwohnung dem drohenden Verfall preisgegeben, bedeutete die neue Heimat im Archiv des Architekturzentrums Wien im Jahr 2006 dann auch den Anfang einer in die Tiefe gehenden, wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Die so entstandene Ausstellung gibt nun einen reichhaltigen, aber keineswegs mit überbordendem Material überfordernden Einblick in Bogdanovićs Schaffen.

Im Mittelpunkt stehen in strenger chronologischer Ordnung die neunzehn realisierten Denkmalsentwürfe von Bogdan Bogdanović aus der Ära Tito-Jugoslawiens. Heißt die Ausstellung Der verdammte Baumeister, so ist der Katalog des anlässlich der Ausstellung im Wieser Verlag erschienenen, von Gabriele Lenz sorgfältig gestalteten Buchs ein anderer, nämlich Bogdan Bogdanović. Memoria und Utopie in Tito-Jugoslawien. Denkmäler sind Gedächtnisorte der besonderen Art. Par excellence verkörpern sie im öffentlichen Raum eine Kultur des Gedenkens, die zwischen Geschichtsmächtigkeit und Identitätskonstruktion eine mächtige Agentur ideologischer Sinnstiftung darstellt. Genau in diesem Zusammenhang ist es umso bemerkenswerter, dass die Denkmäler von Bogdan Bogdanović sich durch einen hohen Grad an Ideologieresistenz in der zuschreibenden Vereinnahmung oder Kritik durch Zeitgenossen und spätere Generationen auszeichnen. In den Jahren 1951/1952 wurde der Gedenkfriedhof für die jüdischen Opfer des Faschismus in Belgrad realisiert. Auf dem Material Stein bestand die jüdische Gemeinde von Belgrad. Dieses Material sollte zu dem Material des Denkmalarchitekten Bogdanović werden.

Die riesige Partisanen-Nekropole in der multiethnischen Stadt Mostar, bewohnt von Muslimen, Serben und Kroaten, bildet einen ganzen Hügel der Erinnerung. Für die Errichtung musste sogar gesprengt werden. 12.000 polygonal bearbeitete Kalksteinelemente wurden für die kannelierten Oberflächen zusammengesetzt. Eine andere lokale Erinnerungsspur steckt in der Verkleidung der Mauern, für die Familien von Gefallenen Teile von alten, patinierten Dachplatten aus Schiefer spendeten. Im Regen sind die Steine der Partisanen-Nekropole fast schwarz, sagt Ristić. Er fungierte auch als wissenschaftlicher Berater für Reinhard Seiss, der sich in dem Film Architektur der Erinnerung: Die Denkmäler des Bogdan Bogdanović mit dessen Œuvre auseinandersetzte und aus diesem Anlass die Denkmäler aufsuchte. Das letzt e Denkmal, das Kriegermausoleum in Popina bei Trstenik, realisiert zwischen 1978 und 1981, ist zwar völlig ornamentlos, jedoch ein Riesenornament, das an die utopischen Entwürfe des französischen Revolutionsarchitekten Claude-Nicolas Ledoux gemahnt.

Der schweren Last der Geschichte, der Erinnerungsmacht des Gedächtnisortes Denkmal, aber auch der Festlegung einer kunsthistorischen Aufarbeitung, begegnet die Ausstellungsgestaltung von Johann Moser (BWM Architekten) mit schwebender, müheloser Leichtigkeit. An Stahlseilen abgehängte Riesentischvitrinen zeigen die Originale. Das Schweben ist Programm. Sah doch auch Bogdanović den gebauten, realisierten Zustand der Denkmäler nur als Phase. Dieses Zwischenstadium, als das das gebaute Denkmal hier gedacht wird, manifestiert sich in den Materialien, die in den unter den großen Schwarz-Weiß-Aufnahmen der von Bogdanović selbst fotografierten Denkmäler hängenden Tischvitrinen zu sehen gegeben werden. Die Skizzen und Entwürfe dokumentieren das Stadium das Davor. Mit Filzstift, mit Tintenstift liebte Bogdanović zu zeichnen. Doch mit dem Gebauten war das Zeichnen nicht vorbei. Das ist das Bemerkenswerte, es führt eine andere Dimension von Zeitlichkeit im Verhältnis zwischen Baumeister und Bau, Architekt und Architektur ein. Denn auch post factum, wie Ristić es ausdrückt, also auch nach der Realisierung, hat Bogdanović weitere Metamorphosen in weiteren Skizzen und Zeichnungen entstehen lassen. Das nie Fertige, das Schwebende, das in diametralem Gegensatz zum Steinernen des Denkmals steht, prägt die Ausstellungsgestaltung in der alten Halle des Architekturzentrums Wien.

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Ausstellung
Bogdan Bogdanović
Der verdammte Baumeister
Architekturzentrum Wien
5. März bis 2. Juni 2009


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