Manaf Halbouni

Barbara Holub

Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.

Paul Rajakovics

Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.


Am 21. Februar, kurz vor dem Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine, hielt Wladimir Putin eine großangelegte, absurde Rede, in die er historische Mythen integrierte, die der Ukraine ihre Existenz aberkennen. Diese Rede war Ausgangspunkt des verbrecherischen Krieges gegen die Ukraine.
        Seit einigen Jahren arbeitet Manaf Halbouni an der Kunstfigur des Generals Yusef Hadid: Dieser wurde 1874 geboren und nach militärischen Erfolgen in Turkmenistan gegen chinesische Truppen 1919 mit der 6. Arabischen Armee nach Europa entsannt, um dieses zu befreien. (Auf der gegenüberliegenden Seite sieht man General Halbouni und die militärstrategische Karte seines Feldzugs.)
        Halbouni konzipiert für diese Arbeit einen retrofiktionalen Kontext mit diesem entsprechenden historischen Entwicklungen. Ausgangspunkt dafür ist die Gründung der Vereinten arabischen Staaten im Jahre 1845 als moderne Demokratie, durch deren Existenz sich ganz andere geopolitische Machtverhältnisse ergeben hätten. Diese prägen auch die Gegenwart und somit das Aussehen von New Gaza (ehemals New York), in das auch der Trumptower und das House of Peace integriert sind (siehe Mittelseite unten und letzte Seite). Aus Wiener Perspektive ist die dritte Belagerung der Stadt im Jahre 1851 der entscheidende Wendepunkt, der das Habsburgerreich schon weit früher implodieren ließ. Tatsächlich hätte die zweite Belagerung Wiens bei einem osmanischen Sieg 1683 die politische Landkarte eine ganz andere Entwicklung nehmen lassen. Das rivalisierende Verhältnis zwischen Arabern und Osmanen hatte eine große Bedeutung für das Aussehen Europas. Der Osten stand unter omanischem Einfluss, der Westen unter arabischem. General Hadid zog noch weiter in den Norden und so finden sich nach seinem Feldzug Moscheen in Lübeck, Dresden und Berlin. Mit der Figur des Yusuf Hadid stellt Manaf Halbouni vielschichtige Projektionen eurozentristischer Sehgewohnheiten und den damit verbunden Dispositiven der Macht in Frage.
        Der in Damaskus geborene Künstler Manaf Halbouni lebt seit 2008 in Dresden. Er ist der Sohn einer deutschen Mutter und eines syrischen Vaters. Seine Kindheit hat er großteils bei seinen Großeltern in Syrien verbracht und Deutschland immer nur im Sommer besucht. Manaf Halbouni würde gerne wieder nach Syrien zurückkehren, was auf Grund der politischen Lage derzeit jedoch nicht möglich ist. Obwohl er 2014/15 nicht selbst Teil der Fluchtbewegung aus Syrien war, beschäftigt er sich in seinen Arbeiten häufig mit diesem Thema, wobei Fragen zu Identitäten über kontextuelle Verschiebungen im Vordergrund stehen. Die Auseinandersetzung mit beiden Kulturen und dessen Beobachtung waren für den Künstler auch im Sinne der eigenen Identität sehr wichtig.
        Von großer Bekanntheit ist sein Monument aus drei vertikalen (Aleppo-)Autobussen vor der Frauenkirche in Dresden, welches in weiterer Folge vor dem Brandenburger Tor zu sehen war. Auch hier bediente sich Manaf Halbouni wie bei diesem Kunstinsert im Vorfeld der Montage.

Manaf Halbouni hat bei Eberhart Bosslet an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert. Seine Arbeiten sind regelmäßig in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, 2015 unter anderem bei der Biennale in Venedig. Seit 13.04.2022 ist er im Kunstverein Tiergarten in Berlin und in der Predigerkirche des Thüringer Museums Eisenach mit Leuchten Sollst du 
03.04.–26.06.2022 vertreten. Im Herbst nimmt er an der Industrial Art Biennial (IAB) in Istrien/Kroatien teil.


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