Alexander Hamedinger


Die kommunikative Planung galt spätestens seit den 1980er-Jahren als Hoffnungsträgerin der Planungspraxis und der raumbezogenen Planungspolitik. Die Erwartungen waren und sind hoch: Aus Sicht der Planungspraxis sollte die Beteiligung der Öffentlichkeit zu besseren, d. h. effektiveren Planungsergebnissen führen. Die Annahme war, dass die AkteurInnen staatlicher Planung mehr Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse der BewohnerInnen erhalten und dadurch vielfältigere und kreativere Lösungen für planerische Probleme entwickelt werden können. Damit, so die Erwartung, könne die Akzeptanz und Verbindlichkeit von Planungsergebnissen verbessert werden. Ähnliche Annahmen in Bezug auf den Nutzen werden im Praxishandbuch Partizipation der Stadt Wien (Arbter 2012, S. 8) formuliert. Durch Beteiligung und Partizipation sollen Lösungen gefunden werden, die bessere Ergebnisse erzielen, deswegen einen höheren Grad an Akzeptanz erfahren und den Entscheidungsprozess verbessern. Aus demokratietheoretischer und demokratiepolitischer Sicht sollten Partizipationsprozesse zu einer Förderung der lokalen Demokratie beitragen. Sie führen zu mehr politischen Mitwirkungsmöglichkeiten, verbessern die Input-Legitimität eines politischen Gemeinwesens und erhöhen die Identifikation der BürgerInnen mit diesem.
        Eine Kritik an der kommunikativen Planung kommt allerdings inzwischen aus der Demokratietheorie selbst. Hier sind es Ansätze zur Post-Demokratie sowie Post-Politik, welche u. a. die Machtblindheit der kommunikativen Planung sowie den Zwang zum Konsens in partizipativen Planungsprozessen kritisch diskutieren (siehe Beitrag von Lukas Franta in diesem Heft). Hoffnungen hinsichtlich der partizipativen Planung gibt es hingegen aus der Sicht der städtischen Governance, d. h. der Steuerung und Koordinierung von Entwicklungen des Raumes. Durch die kommunikative Planung sollen die Integrationsfähigkeit eines Gemeinwesens erhöht, der Output von Planungspolitik und die Responsivität von staatlichen Institutionen (d. h. der Umgang mit und die Reaktion auf BürgerInneninteressen im Sinne von mehr Transparenz) verbessert sowie Implementationsdefizite von hoheitlichen Steuerungsinstrumenten aufgefangen werden. Im Sinne von Governance öffnet sich das politisch-administrative System einer Stadt für die Mitwirkung und teilweise auch die Mitentscheidung der BürgerInnen in verschiedenen planungs- und stadtpolitischen Themenstellungen. Die staatliche Planung wird dabei eine Akteurin unter anderen ihr gleichgestellten AkteurInnen.
        Die Erwartungen sind also groß, aber die Realität der Planungspraxis zeigt, dass diese oft nicht erfüllt werden konnten (siehe Tischler et al. zu Protesten rund um die Entwicklung des Otto-Wagner-Spitals in diesem Heft). Dies hängt u. a. mit dem Ideal kommunikativer Planung, das in der Planungstheorie formuliert wurde, und dessen Umsetzung in der Planungspraxis zusammen.

        Das Modell
        Ein Blick zurück zu den Ursprüngen der kommunikativen Planung in der Planungstheorie hilft zunächst, die genannten Ansprüche und Erwartungen verstehen zu können. Die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (1981) ist der zentrale theoretische Bezugspunkt für die kommunikative Wende in der Planung (vgl. Healey 1992). Für Zimmermann (2019) sind die Ausführungen von Habermas in seinem schon früher veröffentlichten Buch Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus (Habermas 1973) für diese Wende ebenfalls wesentlich. Darin spricht Habermas von einer »idealen Sprechsituation«, also einer Situation, die machtfrei ist, in der die Suche nach Wahrheit für alle Beteiligten das zentrale Motiv ist, und in der sich das bessere Argument durchsetzen soll. Weiterhin bedeutet kommunikativ handeln sich verständigen wollen, aber nur insofern »eine geteilte lebensweltliche Orientierung gegeben ist« (Zimmermann 2019, S. 15). Voraussetzung ist eine Öffentlichkeit, die ermöglicht, dass sich alle am Diskurs beteiligen können. Nach Habermas entsteht die kommunikative Rationalität aus der »Verständigung über handlungsleitende Normen« (Zimmermann 2019, S. 15). Patsy Healey (1992) bezieht sich auf Habermas, aber auch auf die von ihm eingeführte Trennung der Lebenswelt der BürgerInnen von der Systemwelt (z. B. der staatlichen PlanerInnen). Nach Healey entstehen Problembeschreibungen aus der Diskussion aller am Planungsprozess Beteiligten, sind daher nicht objektiv gegeben. Durch Beteiligung könnten Lebens- und Systemwelt wieder zusammengeführt werden. Die kommunikative Planung könne die legitimatorischen Probleme von hoheitlicher, staatlicher Planung auffangen.
        Dieser planungstheoretische Ansatz wurde in der Planungspraxis als eine Ausweitung von BürgerInnenbeteiligungs- und Kooperationsmöglichkeiten interpretiert (vgl. u. a. Selle 1996). Grundlegender Gedanke auch in der Praxis ist, dass planerisches Handeln normgeleitet ist, und dass über diese Normen eine Verständigung in Diskursen, an denen sich alle beteiligen können (z. B. an Runden Tischen), stattfinden muss. Zimmermann (2019, S. 14) bringt dies auf den Punkt: »Insofern wird alles Wissen, das zur Lösung von Planungsproblemen relevant ist, kommunikativ und sozial erzeugt und erlangt auf diese Weise auch Geltungskraft.« PlanerInnen müssen daher in der Lage sein, Diskussionsprozesse zu konzipieren und umzusetzen. Ihre sozialen und kommunikativen Kompetenzen (z. B. Moderation und Prozessgestaltung) werden vergleichsweise wichtiger.

        Die Kritik
        Seit einiger Zeit ist in der Planungstheorie und in der Planungspraxis jedoch Ernüchterung über die kommunikative Planung eingetreten. Warum ist das so? Bleiben wir auf der Ebene der Planungstheorie. Der kommunikativen Planung wird Machtblindheit unterstellt, eine Kritik, die sich auch aus den Erfahrungen, die in konkreten Partizipationsprozessen gemacht wurden, ergibt. Partizipative Planungsprozesse seien demnach niemals machtfrei. Sie finden in realen Kontexten statt, mit AkteurInnen, die über unterschiedliche Möglichkeiten der Einflussnahme auf Prozesse verfügen, die mächtige Koalitionen mit anderen, im Prozess vielleicht nicht anwesenden AkteurInnen wie z. B. politische EntscheidungsträgerInnen oder starke WirtschaftsakteurInnen eingehen können (siehe den Beitrag von Dlabaja zu den Protesten im Kontext der Entwicklung des Yppenplatzes in Wien). Diese verfügen über mächtige Mittel, um ihre Interessen durchzusetzen (z. B. mittels in Auftrag gegebenen Studien). Flyvbjerg (1998) betont in seinem vielbeachteten Buch Rationality and Power die Notwendigkeit, Planungstheorie machtorientierter zu gestalten.[^1] Laut Zimmermann (2019) ist der Hinweis des Sozialwissenschaftlers Axel Honneth an dieser Stelle wichtig, wonach die von Habermas eingeführte Trennung von Lebens- und Systemwelt für Theorie und Praxis der Planung problematisch sei. Damit entstehe erst eine Konstruktion, in der die Lebenswelt der BürgerInnen machtfrei sei. Mit der Kritik an dieser Machtblindheit geht einher, dass die kommunikative Planung materielle und politische Prozesse, welche die Entwicklung von Städten und Regionen beeinflussen, vernachlässige. Die Normativität der kommunikativen Planungstheorie bedeute laut Yiftachel und Huxley (2000) eine Vernachlässigung der empirischen Analyse der Ursachen und Wirkungen von Planungspolitik. Planung sei aber zuallererst ein politisches Phänomen, eine Form von Machtausübung, die soziale Ungleichheiten erzeugen kann.[^2] Purcell (2009) meint sogar, dass partizipative Planung eine neoliberale Agenda in der Entwicklung von Räumen unterstütze, weil diese nicht zu einer Infragestellung von ungleichen Machtverhältnissen führe, sondern im Gegenteil zu deren Reproduktion beitrage. Kommunikative Planung liefere nach Purcell (2009) die demokratische Legitimation für den Neoliberalismus. In Partizipationsprozessen würden ungleiche Machtverhältnisse durch bestimmte kommunikative Techniken »neutralisiert« (Purcell 2009, S. 151). In solchen Prozessen würde ein »Wir« konstruiert, das angesichts von Ungleichheit und Diversität gar nicht existieren könne. Zudem sei die Suche nach einem »Wir«, nach geteilten Ansichten und Leitbildern in Planungsprozessen sozial exkludierend. Damit entstehe eine »Gerechtigkeitslücke« (Kersting 2013). Durch eine kommunikative Planungspraxis würden tendenziell artikulations- und kapitalstarke Gruppen profitieren, gleichzeitig würden widerständige Gruppen kooptiert und deren gegenhegemoniales Potenzial durch Einbindung wiederum neutralisiert (siehe Vollmer in diesem Heft).
        Die planungstheoretische Kritik überschneidet sich an manchen Stellen mit der Kritik aus der Planungspraxis. Klaus Selle formulierte schon 2004 zentrale Punkte dazu: Die Ergebnisse von partizipativen Planungsprozessen sind oft instabil, weil die Personen wechseln und die Rückbindung des Prozesses an die Organisationen/Institutionen dieser AkteurInnen fehlt; die Suche nach einem Konsens, dem alle zustimmen, kann zu wenig aussagekräftigen Ergebnissen führen (»Leerformeln«); manche AkteurInnen haben Agenden, die sie im Prozess nicht offen artikulieren (»Scheindebatten«); mit viel Macht ausgestattete AkteurInnen sind gar nicht im Prozess anwesend; sehr engagierte einzelne Personen dominieren den Prozess; manche BürgerInnen verfolgen nur ihre NIMBY-Haltung (»Not in my backyard«) und realpolitische Entscheidungen fallen oft vollkommen unabhängig vom Prozess. Selle (2004) gibt auch gute Gründe an, wieso solche Probleme auftreten können: Oft werden falsche Erwartungen geweckt, die AkteurInnenzusammensetzung ist nicht richtig, existierende politische und steuerungsbezogene Rahmenbedingungen werden unzureichend berücksichtigt, mit dem Kommunikationsdesign selbst stimmt etwas nicht und die Verbindung zur Politik und zu den realen Machtverhältnissen fehlt. Im Grunde genommen wird damit kritisiert, dass das Ideal der kommunikativen Planung nur wenig mit der Realität von Planungsprozessen zu tun hat. Aus der Praxis (Selle 2004) kommt der Hinweis, dass Planung hauptsächlich Verständigungs- und Sacharbeit ist. Gleichzeitig kann die einseitige Konzentration auf die kommunikative Gestaltung von Planungsprozessen seitens der PlanerInnen zu einer Vernachlässigung der Inhalte und Aufgaben der Planung führen. Dies wurde ja auch schon in der planungstheoretischen Debatte über die kommunikative Planung kritisiert (siehe oben). Dem Ansatz von Habermas kann dies allerdings nicht vorgeworfen werden, denn Zimmermann (2019) sagt zu Recht, dass es sich um ein Ideal handelt, und dass ein Ideal logischerweise nicht durch Fakten widerlegt werden kann.
        Das Entstehen von Protest hängt mit den von Selle genannten Problemen der BürgerInnenbeteiligung zusammen, aber auch mit dem in der Planungstheorie formulierten Vorwurf der Machtblindheit. Vor allem die Wahrnehmung seitens der BürgerInnen, im Prozess nicht richtig gehört und übergangen zu werden, und dass sich mächtige AkteurInnen im Endeffekt mit ihren Interessen durchsetzen, korrespondiert einerseits oft mit einem schlechten Kommunikationsdesign und andererseits mit dem Wecken falscher Erwartungen (siehe Tischler et al. in diesem Heft). Regelmäßig werden der Gegenstand und die Ziele des Verfahrens im Vorfeld eines solchen Prozesses ohne die BürgerInnen festgesetzt, was im Laufe des Prozesses zu Unzufriedenheit führen kann. Aus Sicht der staatlichen PlanerInnen ist das notwendig, da es ihre Aufgabe ist, sich um die Gemeinwohlorientierung in der Planung zu kümmern und gleichzeitig bereits gesetzte planungsrechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Bei den BürgerInnen führt genau dies oft zu Unverständnis und Kritik.

        Die Herausforderungen heute
        Sozialstrukturelle Veränderungen städtischer Gesellschaften sowie aktuelle politische und ökologische Entwicklungen können weitere Erklärungen dafür liefern, warum BürgerInnenbeteiligung in Planungsprozessen herausgefordert ist. Städtische Gesellschaften werden heterogener und gleichzeitig ungleicher (dies gilt natürlich für Städte in unterschiedlichem Ausmaß und Intensität). Heterogenisierung bezieht sich auf die Ausdifferenzierung städtischer Gesellschaften entlang unterschiedlicher sozialer Milieus. Sie werden entlang soziodemographischer (Bevölkerungswachstum, Alterung, Migration), sozio-ökonomischer (u. a. Einkommen) und sozio-kultureller (u. a. Mentalitäten, Lebensstile) Kennzeichen vielfältiger. Gleichzeitig nimmt die soziale Ungleichheit auch in Österreich und Wien zu. Dies zeigt sich sowohl in einer polarisierenden Einkommensentwicklung, was wiederum mit strukturellen Veränderungen am Arbeitsmarkt zu tun hat (z. B. einer Zunahme von Teilzeitarbeit), als auch in einer ungleichen Vermögensverteilung (Hamedinger et al. 2019). Für die Entwicklung der lokalen Demokratie ist es höchst problematisch, dass rund 30 Prozent der Wiener Bevölkerung nicht wahlberechtigt sind. Der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft wird dadurch immer wieder herausgefordert. Die Bereitschaft, ernsthaft an gemeinsamen Problemlösungen in Planungsprozessen zu arbeiten, kann sinken, eine NIMBY-Haltung nur schwer in eine YIMBY-Haltung (»Yes in my backyard«) transformiert werden.
Ein Wort zu den gegen Planungsvorhaben Protestierenden und deren sozialstrukturellen Kennzeichen: Protest ist zwar vielleicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen (Kersting 2013), allerdings dominieren oft artikulationsstarke soziale Gruppen. Novy und Colomb (2013) haben in einer Studie über planungsprojektbezogene Proteste in Berlin und Hamburg herausgearbeitet, dass es vor allem die »kreative Klasse« ist, die ihren Protest artikuliert. Die Gelbwesten-Proteste in Frankreich und Proteste in Lateinamerika zeigen allerdings auch ein anderes Bild, weil sozialstrukturell betrachtet das Spektrum der Protestierenden auch anders sein kann (dies gilt im Übrigen auch für so manche MieterInnenprotestgruppe in Berlin).[^3] Ein Vergleich ist allerdings schwierig, da Kontext und Gegenstände von Protest variieren.
        Auf politischer Ebene ist einerseits die Suche nach neuen Möglichkeiten der Steuerung und Koordination von gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen jenseits von Neoliberalismus und keynesianischem Wohlfahrtsstaat (z. B. als »eingebetteter Liberalismus«; Reckwitz 2019) sowie der schon seit längerer Zeit bestehende (Rechts-)populismus in Europa und Österreich relevant. Für die BürgerInnenbeteiligung birgt vor allem der Populismus die Gefahr, dass solche Prozesse instrumentalisiert und blockiert werden.
        Schließlich ist noch der Klimawandel als hochaktuelle Rahmenbedingung für BürgerInnenbeteiligung zu erwähnen. Vor allem Städte stehen aufgrund ihres Ressourcenverbrauchs und der global festzustellenden zunehmenden Urbanisierung unter Druck, Maßnahmen zu setzen, um die ökologische Krise zu bewältigen. Der vehemente Protest gegen die bisher gesetzten Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zeigt sich u. a. im städtischen Raum (Fridays-for-Future-Bewegung). Im Grunde werden dabei Ressourcenkonflikte thematisiert, die mit einer »imperialen Lebensweise« (Brand & Wissen 2017) zusammenhängen, d. h. mit einer ressourcenausbeutenden Lebensweise im Globalen Norden, die zu Lasten der Lebensweisen im Globalen Süden geht. Unterschiedliche Vorstellungen über Lebensweisen können eine Ursache für Konflikte in Planungsprozessen sein. Wenn also die von Habermas geforderte »geteilte lebensweltliche Orientierung« immer weniger vorhanden ist, wie kann dann Kommunikation in der BürgerInnenbeteiligung gelingen?
        Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird klar, dass Interessen und Vorstellungen über die Nutzung von Raum vor allem in Städten heterogener und ungleicher werden. Differenzen und Konflikte sind und werden immer mehr zu einem Kennzeichen von Planungsprozessen. Dies fordert bestehende politische und Partizipationskulturen heraus.

»Neighbourhood sell out«-Demonstration, Hamburg 2015; Foto – Rasande Tyska
»Neighbourhood sell out«-Demonstration, Hamburg 2015; Foto – Rasande Tyska

        Die Suchbewegungen         Was bedeutet dies nun für die BürgerInnenbeteiligung und den Umgang mit Protest in der räumlichen Planung? Auf die genannten Herausforderungen wird derzeit auf drei Ebenen reagiert: in der Planungspraxis, der raumbezogenen Planungspolitik sowie der Planungstheorie.

        Planungspraxis
        Auf die Unzufriedenheit von BürgerInnen über angebotene Beteiligungsverfahren reagieren AkteurInnen aus der Planungspraxis, indem Qualitätsstandards sowie Monitoringsysteme zur Qualitätssicherung entwickelt werden, die nicht zuletzt die Transparenz der Verfahren und Systeme verbessern sollen. Transparenz muss sich dabei sowohl auf den gesamten Prozess als auch auf den Umgang mit den Ergebnissen von Beteiligungsverfahren beziehen (Hertzsch 2019). Dem Vorwurf der sozialen Selektivität dieser Verfahren wird schon länger dadurch begegnet, dass Zielgruppen- und Sozialraumanalysen am Beginn oder als Teil von Beteiligungsverfahren durchgeführt werden, die Aufschluss über die unterschiedlichen Lebenswelten im Raum geben sollen. Dadurch können diese Verfahren »lebenswelt-orientierter« ausgerichtet und auch die weniger artikulationsstarken sozialen Gruppen erreicht werden (Hertzsch 2019). Selle (2004) spricht auch von »Formfehlern« in solchen Verfahren, wie wenig Wissen über den Nutzen der Prozesse für verschiedene Zielgruppen oder die Nicht-Einbindung von EntscheidungsträgerInnen, die durch ein besseres Kommunikationsdesign behoben werden könnten. Auf die Kritik seitens der BürgerInnen wird also in der Praxis der räumlichen Planung oft dadurch reagiert, dass Qualitätsstandards für Beteiligungsprozesse eingeführt oder weiterentwickelt werden, und indem solche Prozesse entlang von Kriterien überprüft werden. Die Verbesserung der Transparenz des Verwaltungshandelns ist eine weitere Reaktion darauf.

        Stadt- und Planungspolitik
        In verschiedenen aktuellen stadt- und planungspolitischen Ansätzen wird das Thema BürgerInnenbeteiligung grundsätzlicher angegangen. Gefordert wird ein Ausbau politischer Teilhabemöglichkeiten für alle BewohnerInnen der Stadt (»Stadt für alle«, vgl. Hamedinger et al. 2019). Konzepte zur Entwicklung einer StadtbürgerInnenschaft (»urban citizenship«) sind dabei genauso zu erwähnen wie manche der Ansätze des neuen Munizipalismus (Kubaczek & Raunig 2017) sowie die »emancipatory cities« (Vidermann & Knierbein 2018). In diesen stadt- und planungspolitischen Konzepten wird auf das emanzipatorische Potenzial von sozialen Bewegungen (u. a. auch von Protest) für die Stadtentwicklung hingewiesen. Sie fordern nicht nur eine Demokratisierung von lokalstaatlichen Institutionen, sondern auch die Stärkung der Selbstorganisation der BürgerInnen und den Ausbau von Inklusionsmöglichkeiten (z. B. durch das Gewähren von StadtbürgerInnenrechten unabhängig von der Staatsbürgerschaft). Im aktuellen Diskurs über die emanzipatorische Kraft der Städte wird zudem auf die Defizite gegenwärtiger Formen repräsentativer Demokratie hingewiesen, welche zwar Freiheit in den Mittelpunkt von Politik stelle, aber nicht soziale Gleichheit. Knierbein und Vidermann (2018) betonen, dass Widerstand gegen Dominanz und Kontrolle aus dem alltäglichen Leben den Praktiken der Menschen in ihren gelebten Räumen entsteht. Eine Ausrichtung von Politik auf die Alltagspraktiken der Menschen in einer Stadt müsse daher an Bedeutung gewinnen. Dies könnte ein anderer Weg sein, um die schon von Patsy Healey geforderte Integration der Lebenswelten in die Systemwelt der staatlichen Planung zu erreichen. Ob dadurch die Ursachen von Protest im Zusammenhang mit BürgerInnenbeteiligung beseitigt werden können, ist eine noch empirisch zu klärende Frage. Die Stärkung der Selbstorganisation der BürgerInnen in planerischen Fragen kann auch dazu führen, dass BürgerInnen nicht bevormundet und von mächtigen AkteurInnen dominiert werden. Gleichzeitig dürfen dadurch zentrale Zielsetzungen von Stadtpolitik (Gemeinwohlorientierung) nicht vernachlässigt und Gefahren, die sich aus der Institutionalisierung von sozialen Bewegungen und Selbstorganisationsansätzen ergeben können (z. B. soziale Selektivität; Machtungleichgewichte), nicht unterschätzt werden. Dies gilt natürlich für alle Möglichkeiten der politischen Teilhabe, auch die lokalstaatlichen.

»Beyond welcome: another planning is possible«, Hamburg 2016; Foto – Rasande Tyskar
»Beyond welcome: another planning is possible«, Hamburg 2016; Foto – Rasande Tyskar

        Planungstheorie
        Wie bereits ausgeführt, ist die Konsensorientierung der kommunikativen Planung ein großer Kritikpunkt in der Planungstheorie. Demgegenüber wird auf die kreative Dynamik, die sich aus einem Dissens über Ziele, Werte und vielleicht auch Lebensweisen in partizipativen Planungsprozessen ergeben kann, hingewiesen. Zimmermann (2019, S. 22) meint: »In diesem Verständnis führt kommunikatives Handeln zu einem kontinuierlichen Austausch von Argumenten, der – anders als im Konsensmodell – nie beendet wird …«. Umgang mit Dissens, Konflikt und Differenz steht auch im Mittelpunkt einer anderen Planungstheorie, der agonistischen, die sich vor allem auf Chantal Mouffes Arbeiten zum Demokratiebegriff bezieht (siehe Lukas Franta in diesem Heft). Von manchen AutorInnen wird sogar behauptet, dass es sich bei der agonistischen Planungstheorie um ein neues Paradigma handelt, das das Paradigma der kommunikativen Planungstheorie abgelöst hat (Roskamm 2015b, S. 385). Der durch »technokratische und konsensorientierte Mechanismen« beförderten »Entpolitisierung der Planungspraxis« wird ein Modell von Politik und Planung entgegengehalten, das auf die Analyse der »wettstreitenden Kräfte der Gesellschaft« setzt (Gribat et al. 2017, S. 12). Agonismus – griechisch: der Wettkampf (Roskamm 2015a, S. 11) – ist demnach der Kern von planerischen Handlungen. Die Aufgabe von Planung und Politik sei es, den Antagonismus in einen Agonismus zu verwandeln (Roskamm 2017). Die AkteurInnen sind damit nicht mehr Feinde, sondern GegnerInnen. Dieser nach Regeln ablaufende Wettkampf zwischen GegnerInnen kann im Rahmen von pluralistischen Demokratien ausgetragen werden. Durch das Austragen des Wettkampfs wird eine Re-Politisierung der Gesellschaft sowie die Entwicklung von alternativen Planungsvarianten möglich. In einem Planungsprozess auftauchende Konflikte werden in diesem planungstheoretischen Zugang nicht als Problem betrachtet, sondern als etwas Produktives. Differenzen zwischen den Beteiligten könnten laut diesem Ansatz nie versöhnt, aber in einem andauernden Diskussionsprozess verhandelt werden (Gualini 2015). Das Aushalten von Differenz von Lebenswelten und den an diese geknüpften Interessen in Planungsprozessen bricht damit mit einer Planungs- und Partizipationskultur, die auf Konsens und Kompromisssuche aufbaut. Wie es trotzdem gelingen kann, zu Kooperationen in der räumlichen Planung, die für die Bearbeitung unterschiedlicher planerischer Problemstellungen notwendig sind, zu kommen, bleibt allerdings offen. Die kommunikative Planung ist also nicht am Ende, aber sie muss entlang von Qualitätsstandards weiterentwickelt werden und vor allem Antworten darauf liefern, wie mit Differenz, Konflikten und Machtungleichgewichten anders umgegangen werden kann als etwa durch die Herstellung von Konsens. Das könnte einen Beitrag dazu leisten, dass BürgerInnen in konfliktreichen Planungsprozessen besser wahrgenommen und gehört werden bzw. dass diese eine wirkliche Mitwirkungs- oder Mitentscheidungsmöglichkeit sehen. Auch eine ernstgemeinte Förderung der Selbstorganisation der Zivilgesellschaft in der Stadtentwicklung kann ein wesentlicher Baustein der Stärkung der politischen Teilhabe für alle sein. Ob dies Protest verhindern kann, ist nicht klar und auch nicht der zentrale Punkt, denn die Ursachen von Protest liegen nicht nur in den angebotenen Beteiligungsmöglichkeiten.

Alexander Hamedinger ist Ökonom und Stadtsoziologe an der TU Wien, Institut für Raumplanung, Forschungsbereich Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind raumbezogene Governance, soziale Ungleichheit und Raum, Raum- und Planungstheorien sowie nachhaltige und alternative Stadt- und Regionalentwicklung.


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Literaturverzeichnis

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