Andre Krammer

Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.


Die Allmacht einer rationalen Planbarkeit der Zukunft, die die Moderne postuliert hatte, ist in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmend in Frage gestellt worden. Spätestens in den 1960er und 1970er Jahren ist die Orthodoxie der modernen Planung durch eine Vielzahl an Planungsansätzen und Ideen abgelöst worden. Die Parameter, die Raumproduktion beeinflussen, waren immer unüberschaubarer geworden, und man suchte nach Instrumenten, die in der Lage waren, Unsicherheiten und Unvorhersehbares in Projektplanungen zu integrieren. Das Szenario wurde Anfang der 1970er Jahre zu einem Schlüsselbegriff. Die Szenariotechnik, die man aus der militärischen Strategieplanung und der Politik entlehnte, wurde zu einem neuen Modellansatz, in dem rationale, datenbasierte Entscheidungen und in die Zukunft gerichtete Narrative und Wunschvorstellungen der Vorstellungskraft integriert werden sollten. Christian Salewski untersucht im vorliegenden Buch eine Tradition der Szenario-Planung am Beispiel Hollands (1970 – 2000). Szenarien sind Rahmenwerke, die als Leitfaden in einer unsicheren Situation eingesetzt werden. Sie können als Planungswerkzeug operieren, erlauben ein Denken in Optionen und Varianten, dienen als Instrument zur Vorschau und zur Analyse, sind Kommunikationsmittel und werden nicht zuletzt als Stimulus oder gar Propagandainstrument eingesetzt. Vorgestellt werden unterschiedlichste Repräsentationstechniken, insbesondere Formen der Überlagerung von Bildern, Texten und Plänen, die kombiniert werden, um ein Narrativ zu bilden, das eine gewöhnliche Plandarstellung nicht leisten kann. Um eine breite Öffentlichkeit von Projektzielsetzungen zu überzeugen, musste das Instrumentarium erweitert werden. Christian Salewski stellt im Rückblick nüchtern fest, dass Szenarien als Instrument der Vorschau oft gescheitert sind, sich aber als kommunikatives Tool bewährt haben. Viele Szenarien mochten sich in direkter Hinsicht nicht erfüllt haben, waren aber indirekt von großem Einfluss auf den allgemeinen Diskurs und die Planungspraxis. Wesentlich dabei ist die Plausibilität des vorgestellten Szenarien, die Kommunizierbarkeit und eine Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, die allerdings nicht Beliebigkeit bedeuten darf. Auch für den internen Gebrauch, als Planungsinstrument hat sich die Szenariotechnik bewährt. Gedankenexperimente und parallele Szenarien erlauben Analysen und Tests, die den Planungsprozess öffnen und erweitern. Die niederländischen Beispiele verweisen auf eine internationale Entwicklung, die für die Planung, den Städtebau und die Architektur bis heute maßgeblich ist.


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