Erik Meinharter


Neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die sich im urbanen Kontext als Dispersität, Deregulation, Mobiltät und Flexibiliät sowie in einer fortschreitenden Dezentralisierung manifestieren, erfordern neue Strategien und Handlungsweisen. Aufbauend auf den seit 1997 mit der Tagung Landscape Urbanism Conference der Landscape Urbansim Initiative von Charles Waldheim angestoßenen Diskussion über landscape urbanism ist nun ein Reader erschienen.

Landschaft, oder besser gesagt landschafts-architektonische Strategien und Handlungsweisen, wurden in den letzten Jahren verstärkt in der Stadtplanung und dem Städtebau als Ansatzpunkte aufgegriffen, um den dispersen städtischen Entwicklungen mit einem neuen planerischen Instrument zu begegnen. Auch in der Architektur hat die „Landschaft“ als konzeptionelle, strategische wie auch imaginäre Größe eine neue Rolle eingenommen. Schon alleine die Anzahl der Projekte, die in ihren Referenzen „Landschaft“, sei es als Image oder als Konzept, einsetzen, ist signifikant gestiegen. Und doch ist die Theoriebildung in Europa weit hinter der des angloamerikanischen Raumes zurückgeblieben. Das hat einerseits mit einem Mangel an Theoriebildung in der Landschaftsarchitektur zu tun, die die „neuen“ Handlungsmethoden und Ansatzpunkte zur Verfügung stellt, andererseits mit einer Negation dieser Profession und deren Arbeitsfeld von Seiten der anderen Disziplinen. Was als „neu“ vereinnahmt werden kann, stärkt die eigene Position im zunehmend diffuser werdenden Arbeitsbereich Planung.

James Corner hat schon 1999 in seinem Buch Recovering Landscape die Forderung nach einer „neuen“ Arbeitsweise untermauert, die Landschaft und Landschaftsarchitektur als eine Profession bezeichnet, die Handlungsstrategien für Projekte ungewissen Ausganges beschreiben kann. In seinem Beitrag Terra fluxus im vorliegenden Buch listet er vier Vorbedingungen auf, die Landschaft im planerischen und vor allem urbanistischen Diskurs aktualisiert haben. Einerseits gewinnt der Prozess an Bedeutung gegenüber der Form. Durch die stärker auf die Oberfläche, den Kontext, gerichtete Aufmerksamkeit verschmelzen zweitens die Differenzen zwischen Landschaft und Gebäude. Drittens weiten sich die Arbeitsmethoden der Landschaftsarchitektur durch ihre Fähigkeit, vielschichtige Prozesse zu beherrschen, in anderen Disziplinen aus, und viertens kann durch „Landschaft“ das Imaginäre als „spekulatives Kondensat der Welt der Möglichkeiten“ in die Projekte mitgenommen werden.

Die „Landschaft“ wird daher immer häufiger eingesetzt, um Projekten einen ortsspezifschen Charakter zu verleihen, ohne auf die postmodernen Strategien des Vergessens zurückgreifen zu müssen. Nicht von ungefähr wird Kenneth Framptons kritischer Regionalismus als theoretische Schnittstelle zwischen Landschaft und Gebautem im Buch mehrmals zitiert. Wenn eine Reaktion auf die zunehmend verschwimmenden Grenzen von Stadt und Land wie auch zwischen den Professionen gefragt ist, kommt meist die „Landschaft“ ins Spiel.

Wissenschaftbasiertes und prozessorientiertes Arbeiten wird von allen AutorInnen gefordert, um den Anforderungen und den veränderten Rahmenbedingungen von Seiten der Planung Rechnung zu tragen. Das Buch bietet daher einen umfassenden Einblick in die Denkansätze des landscape urbanism, der als „Linse, durch die terrains vagues transformiert werden können“ (Waldheim), fungieren kann. Dass diese Form des Arbeitens lediglich interdisziplinär erfolgreich sein kann, muss sich als Erkenntnis wohl noch durchsetzen. Schon allein deshalb ist das Buch allen, die Landschaft und Urbanismus nicht als Dichotomie begreifen wollen, sehr zu empfehlen.


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