Erik Meinharter


Es ist durchaus überraschend, ein Buch voller Karten und Daten in die Hand zu nehmen, das einen ausgewiesenen qualitativen Soziologen und „Raumforscher“ als Mit-Herausgeber ausweist. Was nicht verwundert ist, dass dieser Linz Atlas ein Projekt der Kulturhauptstadt des Jahres 2009 ist und von Linz09 stark unterstützt wird. Auch wenn Peter Arlt in seinem Epilog darauf verweist, dass sich die Buchform des Atlas und die quantitative Analyse einer Stadt mittels Karten nicht aus seiner Berufsbiografie erklären mag, geschadet hat sie diesem Projekt sicherlich nicht.

Entscheidend für eine kartografische Beschreibung einer Stadt mittels „nackter Zahlen“ ist die Frage, die an diese Daten gestellt wird. Die Frage „Was macht die Stadt für ihre Bewohner lebenswert?“ in den Vordergrund zu rücken hätte an sich noch lange nicht diese Vielzahl von „nicht-sichtbaren“ Komponenten der Stadt aufs Papier gebracht. Wer jedoch wie Peter Arlt, der für die Idee und das Konzept des Buches verantwortlich zeichnet, anhand dieser Frage auswählt, welche Themenfelder und Kriterien herangezogen werden sollen, eröffnet neue Sichtweisen auf ein „statistisches Portrait“. Es geht nicht darum, Qualität zu messen, sondern klar gewählte Themenbereiche mit in Karten dargestellten Daten greifbarer zu machen und sie vergleichen zu können. Daher finden sich im Atlas Linz Untersuchungen und Auswertungen mit von Dimitri Broquard und Jonas Voegeli ansprechend konzipierten kartografischen Darstellungen, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben wollen. In der Tat ist es ein Buch „zum Schmökern“, wie Peter Arlt im Vorwort beschreibt, denn erst durch das Querlesen und Verknüpfen der Daten und Karten kann ein Zusammenhang entstehen, der weitere Fragen aufwirft.

Dass diese Daten nicht nur als Nabelschau der Kulturhauptstadt 2009 fungieren, ist einer jedem Kapitel voran gestellten Positionierung der untersuchten Themenfelder im europäischen Kontext zu verdanken. Da lässt sich erkennen, dass – neben der hohen Mietquote in Linz – die Eigentums quote in bulgarischen Städten extrem hoch ist und einige Seiten weiter dieselben Städte in der niedrigsten Kategorie bei der Wohnfläche pro Haushalt aufgelistet werden. Oder VolksschullehrerInnen, die in Luxemburg über ein sehr hohes Jahreseinkommen verfügen, einige Karten weiter mit sehr geringen Arbeitszeiten pro Woche in der Statistik aufscheinen. Kritisch sind Daten und Zahlen immer dann zu sehen, wenn sie als Argument ohne ihren Kontext eingesetzt werden. Dieser Problematik wird im Atlas Linz mit Kommentaren und Erläuterungen beizukommen versucht. So kann die Grünlandquote, die gerne als per se positive Zahl herangezogen wird, wenn ihr die Quote der öffentlichen Erholungsflächen beigestellt wird, nicht fehlgedeutet werden. Dies gelingt jedoch leider nicht umfassend, denn aufgrund des Fehlens einiger Daten (Großbritannien fehlt z. B. bei der Karte zu „Wohnquadratmeter/Person“, wobei in der nebengestellten Karte der höchste Anteil „Wohnungen ohne Dusche bzw. Bad in der Wohnung“ festgestellt wird) können manche Karten daher dem Prinzip des Vergleiches nicht vollständig dienen. Eine Markierung der „datenlosen“ Länder hätte den sehr fein ausgeklügelten Kartendarstellungen wahrscheinlich nicht geschadet.

Der Atlas kann aber in jedem Fall nicht nur, wie im Vorwort angedeutet, den BesucherInnen und BewohnerInnen von Linz einen neuen Blick ermöglichen, sondern durchaus auch der explizit nicht gewünschten Zielgruppe „der Fach-Community“ als Einblick in Linz 2009 dienen.

Arlt, Peter; Broquard Dimitri & Voegeli, Jonas
Linz Atlas
Zur Lebensqualität hier und anderswo
Wien: Springer, 2009
216 Seiten, 39,95 Euro


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