Paul Rajakovics

Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.


Das sympathische, kleine blau-weiße Paperback zeigt als Titelbild die Skyline von New York und behandelt über verschiedene Aspekte das weite Feld von Metropolen. Wenn es nach den Intentionen der Autoren gegangen wäre, so hätte jedoch Bodys Isek Kingelez »Projekt für Kinshasa für das 3. Jahrtausend« den Umschlag schmücken sollen. Von hier aus spannen sich auch die verschiedenen Diskurse, unter welchem das sicherlich derzeit sehr modische Thema »Metropolen« von den beiden Autoren behandelt wird. Über das Ende der europäischen Dominanz des »Mythos Metropole« werden verschiedene Sichtweisen von heutigen Metropolen wie Lagos, Bombay und Sao Paolo bis Shanghai in ihrer Diversität gegenübergestellt, um in der Folge die Fragen von Imperialismus in neu geplanten Hauptstädten des 20. Jahrhunderts wie New Delhi und Brasilia unter dem Blickwinkel postkolonialer Emanzipation zu betrachten. Erst danach werden Phänomene wie Globalisierung, New Economy und Migration in Bezug auf das veränderte Bild der Metropole behandelt. Dabei werden marginalisierte Räume wie Favelas ebenso wie die dort entstandenen Slum-Ökonomien behandelt: »Informelles Wirtschaften erhält Mega-Städte zwar ökonomisch und sozial lebensfähig, dient aber ebenso multinationalen Konzernen zur Profitmaximierung. Auch die globalisierte Ökonomie reicher Metropolen produziert so wieder unregulierte Arbeitsbeziehungen.« (S. 55)
Die nachfolgenden Kapitel des Buches könnte man im weitesten Sinne unter dem Blickwinkel von »Macht« sehen: Seien es die Gated Communities privilegierter BewohnerInnen in den Suburbs als Radikalisierung des Bedürfnisses nach Abgrenzung, oder die Verdrängung sozial Schwächerer über Gentrification in den Zentren von Metropolen. Der städtebauliche Archetyp der Macht findet sich in der Haussmannschen Achse wieder, die gleichermaßen brutal als Mittel gegen Aufstände und Bühne für Aufmärsche sowie als Argument für Zerstörung ärmerer Siedlungen in Paris gedient hat. Doch das Buch bleibt dann nicht bei Speer & Co stecken, sondern findet über die Charta von Athen bzw. die jüngere Architekturgeschichte wieder zurück zur Gegenwart. Vielmehr stellt sich die Frage des Regierens einer Metropole im Licht der wesentlichen sozialen Fragen der Gegenwart. »Zu Beginn des ‘ersten urbanen Jahrhunderts’ vertieft die globale Konkurrenz soziale Spaltungen in den Metropolen. Während lokale Regierungen dies mit Sicherheitspolitik und Imageförderung beantworten, propagiert der ‘Weltkongress zur Zukunft der Städte’ Selbsthilfe und Solidarität als Ersatz für öffentliche Leistungen.« (S. 93)

Insgesamt also ein handliches, gut aufbereitetes Büchlein, welches Ein- und Überblick in das weite Feld von Stadt und Agglomeration geben soll, und trotz seiner Kürze den Begriff der Metropole präzise hinterfragt. Wer sich allerdings schon ausführlicher mit diesen Themenbereichen auseinandergesetzt hat, darf sich wiederum nicht zu viel erwarten, denn die Serie »rotbuch 3000« des gleichnamigen Hamburger Verlages will und kann auch nicht mehr leisten als eine Art diskursive »Perlen-Reihe« zu sein: Zu allgemein sind die meist sehr aktuellen Titel formuliert. So ist es der Brillianz der Autoren zu verdanken, hier dennoch den entsprechenden Tiefgang gewahrt zu haben. Stephan Lanz hat gemeinsam mit Klaus Ronneberger den Klassiker Die Stadt als Beute (dietz, 1999) geschrieben und Jochen Becker das kürzlich in dérive vorgestellte Bignes? (b_books, 2001) und war zudem Mitbegründer der bekannten Künstlergruppe »Büro Bert«. So erklärt sich, warum diese beiden Autoren so leichtfüßig und doch kompetent zwischen Urbanismus, Soziologie, Kunst und Wirtschaft unterwegs sind.

Stephan Lanz, Jochen Becker
Metropolen
Hamburg 2001
(Europäische Verlagsanstalt/ Rotbuch Verlag)
95 S., EUR 8,94


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