Antonia Ramirez


Gelobt sei unser grüner Bezirksvorsteher

Ich bin froh, in der Burggasse im Siebenten zu wohnen. Da ist fast immer verkehrsmäßig die Hölle los. Arme Teufel sausen in sympathisch-dämonischen Blechkisten vom Gürtel bis zur Zweierlinie, ohne dass primitive Naturüberreste die Sicht auf die stadtökologische Katastrophe stören könnten. Bäume, die die selbstzufriedenen Dämoninnen am Lenkrad in schlechten Momenten (zum Beispiel, wenn keine Staus mehr uns an die Unausweichlichkeit des paralysierenden, aber heilbringenden Todes philosophieren lassen) an gottgewollte, lebensbejahende Kreaturen erinnern, siechen zum Glück relativ vereinzelt dahin. In Neubau kann sich eine zivilisationssuchende Gastarbeiterin wie ich wie im Siebten Himmel fühlen. Da der Bezirk von sich aus schon etwas dreckig ausschaut, kann frau im Siebenten Wiener Bezirk, zum Beispiel, ohne schlechtes Gewissen fast jede Art von Verpackungspapieren auf den Gehsteig werfen. Einfach so, mir nicht, dir nicht. So ein befreiendes Anarcho-Chaoten-Gefühl kennt frau woanders in Wien, jetzt wenn die DoDemos beim Aussterben sind und keine Kolonnen mehr von Demo-Zivilisationsabfallresten den Wiener Straßen, wenn auch nur für ein paar Stunden, den Flair von Sao Paulo verleihen dürfen, fast nur im versauten Prater, obwohl Stiefmutter Natur sich dort so penetrant mitten im Stadtgeschwür ausgebreitet hat, dass einer fast unter Gräserpollen erstickt.

Dieser harmonischer Status Quo im Siebenten Bezirk schien seit Jahren gefährdet zu sein, da die Grünen bei Wahlen immer mehr Unstimmen von vermutlichen Gutmenschen aus dem Gastarbeitgeberinnenvolk bekamen (realitätsnahe Gastarbeitnehmerinnen dürfen leider nicht wählen). Die widernatürliche, urbanofanatische, fast aus einem südamerikanischen menschenfeindlichen Dschungel stammende Gastarbeiterin in mir sah bald das Ende in Form von Bohrmaschinen kommen, die Asphaltmassen unverzeihlich aushebeln würden, um stattdessen zarte Jungbäume gewalttätig zu pflanzen, wobei die Fläche, die für Menschen oder Autos (also auch für Menschen) reserviert war, wesentlich zugunsten pflanzlichen Unwesens reduziert werden sollte.

Meine schlimmsten Albträume finden wegen der schwierigen Lebensbedingungen in meiner Kindheit normalerweise im Dschungel statt. Vor ein paar Monaten, vor den Wiener Gemeinderatswahlen, war es besonders schlimm. Nach einem Tag harter Gastarbeit, nach einem langen, dem mühsamen Erlernen der B-Wörter der Sprache des Gastarbeitgeberinnenvolkes gewidmeten Abend in meiner überteuren Gastarbeiterin-Wohnung träumte ich dann im Schlaf, dass ein grell gelbes Deutsch-Spanisch-Wörterbuch für Gastarbeiterinnen durch Dschungelbäume flog und dabei schrie:

Böse Birkenblätter, brutale Buschbohnen!

Barbarische Bäume beim Blühen bergen blutige Bilder: Blut, Boden, Böhmdorfer.

Bald bestrafen bockige Bezirksbonzen blonde Bauflächen-Besitzer!

Betonbauten ba ba!!!

Und dann mit einem Schrecken in der Stimme, den nicht einmal Hr. Hojac von der FPÖ in seinen schaurigsten Ausschweifungen gegen den Sozialismus zustandebringt, die unheilvolle Botschaft bekundete: »Die Grünen sind erste Partei in der Bezirksvertretung im Siebenten Bezirk geworden!!!« So ein Schreckgespenst wurde tatsächlich wahr nach den letzten Wahlen in März. Davor hatte ich mich fast so gefürchtet wie vor einer putschartigen Machtübernahme von ausländerfeindlichen Wiener Trafikantinnen. Oder vielleicht doch nicht so sehr, denn ich weiß, dass, egal welche Partei in Kakanien regiert, ich nie die gleichen Rechte wie Menschen des Gastarbeitgeberinnenvolkes haben werde (da kann frau nichts ändern, frau hat sich bereits darauf eingestellt). Denn wenn Grüne gewinnen, könnte sich vom stadtökologischen Standpunkt her einiges zum Schlechteren verändern. Ich sah die Werte der westlichen Zivilisation in Gefahr, denen ich als direkte Nachfolgerin undemokratischer, ungewaschener Naturvölker total ergeben bin. Beispiele von dieser menschenfeindlichen Hetzkampagne?:

Parkplätze weg, Stopp vom Garagenbau (wie kann frau sich eine Stadt mit nicht immer mehr Autos (immer mehr Menschen) vorstellen? Wie kann frau so ewiggestrig sein? Kann frau etwas gegen mehr Kinder haben?)

und mehr Grünflächen
(ich bin doch nicht aus dem Dschungel ausgewandert, um in einem Mini-Amazonas zu leben!!!).

Ich dachte mir, diese Terrorzellen von grünen Zivilisationsgegnerinnen wollen mir das wegnehmen, was für mich die Stadt ausmacht: Lärm, Gestank und herausfordernde Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, die die Fertigkeiten und Einbildungskraft jedes Einzelnen fördern ... (in der Natur ist so viel Freiraum, dass man dabei nur verblöden kann). Meine Ängste waren aber unbegründet. Unser grüner Bezirksvorsteher, Trafikant und nicht einmal xenophob, liebt großzügige, baumlose und asphaltierte Plätze, wie sie überall im menschenfreundlichen, umweltunbewussten, urbanen Italien zu finden sind. Die Existenz von so einem grünen Bezirksvorsteher ermöglicht Menschen wie mir endlich den freien Ausdruck eines bis jetzt politisch unkorrekten Wunsches, nämlich dass wir überzeugte, zivilisierte Stadtbewohnerinnen mehr Stadt und weniger Natur in Wien wollen. Wenn die Sozialdemokraten hier die kapitalistische, der Globalisierung gehorsame Umgestaltung forcierten, wenn erst ein christlicher ÖVP-Bundeskanzler in Allianz mit den rechtsextremen Ex-Deutschnationalen in diesem Land schafft, jüdische Opfer Geld zu restituieren, werden wohl die Grünen auch irgendwann die totale, endgültig unumkehrbare Urbanisierung Kakaniens schaffen. Eine ideologische Blasphemie als »food for thought«: Könnte es also doch so sein, dass es vielleicht in diesem Land der unverständlichen Widersprüche nur einen Politiker gibt, der die totale Gleichstellung der ausländischen Gastarbeiterinnen ohne Selbstmordwelle von Wiener Trafikantinnen zustande bringen würde?: Haider als Bundeskanzler.

xtpkl@yahoo.com


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