Erik Meinharter


Am Plural des Titels Raumwissenschaften ist schon viel über die Intention des Buches abzulesen. Es geht um die Vielfalt der Raumdefinitionen und Rollen in den theoretischen Diskursen unterschiedlichster Disziplinen. Es gibt nicht nur eine Raumtheorie, und schon gar nicht ist alles irgendwie raumrelevant, wie der Herausgeber Stephan Günze­l die vor allem in der Architektur und in urbanen Untersuchungen vorherrschende Meinung bereits im Vorwort relativiert. Um diesen Nachweis zu führen, wurden viele wissenschaftliche Disziplinen unter präzisen Vorgaben des Herausgebers um Auskünfte über den Raum gebeten. Diesen strengen Vorgaben und der knackigen Kürze der Beiträge ist es zu verdanken, dass die Lektüre des Buches nicht nur gute Einblicke in unterschiedlichste Ansätze von Archäologie bis Linguistik bietet, sondern auch Vergleichbarkeit, Überschneidungen oder herrschende Unterschiede aufzeigen kann. Ist der Raumbegriff in der juristischen Definition entweder rechtseinschränkend statisch als Wirkungsraum (wie z. B. der Nationalstaat) oder unbeschrieben dynamisch und per definitionem „leer“, wie für die Ordnungsplanungen als Gegenstand der Regulation, kann er für die Filmwissenschaft im Schnitt bei der Postproduktion eine Verzeitlichung erfahren und damit außerhalb des konkreten Projektionsraumes Kino liegen. Erhellend sind zudem Überschneidungen und Überlagerungen der zitierten grundsätzlichen TheoretikerInnen. Henri Lefebvre wird öfter aber dafür korrekt mit seinen drei Raumtheoremen erwähnt. Für einen Landschaftsarchitekten ist es bedauerlich keinen Beitrag im Buch zu finden. Lediglich die Dissertation Ulrich Eisels, der in seiner Zeit als Leiter des Fachbereichs Kulturgeschichte der Natur an der TU Berlin erheblich zur Theoriebildung in der Landschaftsarchitektur beigetragen hat, findet bereits im Vorwort seinen Platz. Aber den Mangel an Theoriebildung in der Querschnittsdisziplin im deutschsprachigen Raum beklagend, erliest man sich dann doch von Kulturwissenschaft über Soziologie bis Rechtswissenschaften erhebliches an Theorien die in die Disziplin eklektisch eingebunden wurden.

Die Erarbeitung des Buches ist allen interdisziplinär Arbeitenden ans Herz zu legen, denn alleine die Differenzen des Raumverständnisses in „naheliegenden“ Disziplinen wie Naturwissenschaft und Geografie können zu erheblichen Fehleinschätzungen führen.


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