Iris Meder


In der Ausstellung zur Architektur der Moderne in Serbien, die der Ringturm der Wiener Städtischen Versicherung im Rahmen seiner Südost-/Ost-/Ostmitteleuropa-Reihe zeigt, wird erfreulicherweise von Serbien als Schauplatz, nicht als geistigem Ursprungsort von Architektur ausgegangen. Gerade in Belgrad, dem vor einiger Zeit bereits eine eigene Ringturm-Ausstellung gewidmet war, waren natürlich immer auch Architekten aus anderen Gegenden tätig: Das jugoslawische Parlament bauten die in Kroatien geborenen und in Wien bei Adolf Loos bzw. Peter Behrens ausgebildeten Zlatko Neumann und Juraj Neidhardt, der aus Slowenien stammende Jože Plečnik eine Kirche, der slowenische Bosnier Ivan Štraus das Luftfahrtmuseum.
Verschränkungen bei versuchten nationalstaatlichen Zuordnungen sind dabei vorprogrammiert – so wird Nikola Dobrović heute sowohl von Kroatien als auch von Serbien als jeweils einheimischer Architekt gesehen. Neben Villen und Hotels der weißen Moderne an der kroatischen Adriaküste steht ein weiteres Hauptwerk von Dobrović in Belgrad: der Nachkriegsbau des Generalstab-Gebäudes der ehemaligen Jugoslawischen Volksarmee, im Jugoslawien-Krieg schwer beschädigt und bislang nicht wiederhergestellt. Ab den 1950er Jahren entstand, auf den urbanistischen Grundlagen Dobrovićs und der Charta von Athen, der neue Stadtteil Novi Beograd, der allmählich wieder von der Fachwelt gewürdigt wird. Die besten Belgrader Bauten dieser Zeit, Ivan Antićs 1965 eröffnetes Museum zeitgenössischer Kunst und das Sportzentrum am Zusammenfluss von Save und Donau, spart die Ausstellung leider aus, da sie bereits in der Belgrad-Schau präsentiert wurden. Anticˇ ist dafür in mit dem ebenfalls hochinteressanten Šumarice-Museum im zentralserbischen Kragujevac vertreten.
Die große Zeit serbischer – und damit jugoslawischer – Architektur, die sich mit der Loslösung von Moskau auch dem sozialistisch-realistischen Stalin-Stil entziehen konnte, lag überhaupt in den Nachkriegsjahrzehnten, als unter Tito sowohl an großen Gesten wie auch an infrastrukturellen Konzepten einiges möglich war. Ein wenig bekanntes Beispiel ist das westserbische Užice (früher Titovo Užice) mit seinem von Stanko Mandić geplanten Platz des Partisanen, dessen Anlage sich subtil auf die Topografie bezieht.
Als Gründungsort der Bewegung der Blockfreien Staaten hatte Belgrad im Europa des Kalten Krieges eine besondere Rolle, die es nutzte, um unter anderem Bautechnologie in die dekolonisierten Länder Afrikas zu exportieren – auch das Belgrader Headquarter der in diesem Bereich in den 1970er und 1980er Jahren führenden staatlichen Entwurfs- und Baugesellschaft Energoprojekt (Aleksandar Kekovic 1976–88) ist in der Ausstellung zu sehen.
Vorgestellt werden auch im Zuge der Industrialisierung und Urbanisierung im 20. Jahrhundert ausgebaute Städte wie das südserbische Niš mit seiner bemerkenswerten Architektur der Vorkriegs- und Nachkriegsmoderne oder Novi Sad, die Hauptstadt der Vojvodina, mit ihrem eigenwilligen Lokalmatador der 1930er Jahre, Djordje Tabaković, und hochrangigen Kulturbauten der Nachkriegszeit wie dem vom dalmatinischen Architekten Ivan Vitić entworfenen Museum der Nationalen Revolution (heute Museum für zeitgenössische Kunst der Vojvodina), dem Gebäude der Sammlung Pavle Beljanski (Ivo Kurtovic 1961), dem Musiktheater Studio M (Pavle Žilnik 1963) und dem Gemeindezentrum (Dušan Krstić 1970). Mit dem 1970 gebauten Kaufhaus Bazar wird außerdem ein Hauptwerk des slowenischen Architekten Milan Mihelič gezeigt.
Wofür in der Ringturm-Schau kein Platz blieb, das lässt sich im empfehlenswerten Katalog nachlesen – etwa Näheres über den wohl implizit bekanntesten aus Serbien stammenden Architekten der Moderne, Aljoša Josić, in Paris Partner des Büros Candilis–Josic–Woods, das als Teil des Team X für die Auflösung der CIAM verantwortlich war.


Ausstellung
Serbien
Stadt als regionaler Kontext für Architektur

Ausstellungszentrum im Ringturm
Kuratoren: Adolph Stiller, Bojan Kovačević
18. 2. – 2. 4. 2015


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