» Texte / Sexuelle Belästigung ist kein Kavaliersdelikt?

Christina Nemec


»der gürtel lebt. doch wer lebt, hat auch probleme«, schreiben die betreiber des gürtellokals chelsea. zu diesen zählen diebstähle und sexuelle belästigung von frauen. nachdem einige menschen in flagranti ertappt wurden und die polizei schwierigkeiten machte, erachteten es die verantwortlichen des chelsea für notwendig, türsteher zu engagieren, die menschen mit bestimmten äußerlichen merkmalen den zutritt verweigern. das ist für größere clubs und discos üblich. auch das flex hat seine cornettos an der tür. man suchte die zusammenarbeit mit dem verein echo, um den vorwurf des rassismus abzuschwächen. einige monate - der falter berichtete darüber - schien diese form der türpolitik niemanden zu stören, bis dann ein vorfall beobachtet wurde, bei dem »dunkelhäutigen« männern der eintritt ins lokal verweigert wurde. beobachtet von jemanden, die sich einmischt und die geschichte publiziert. mit den vorwürfen konfrontiert, will sich ein mitarbeiter zwar entschuldigen und kündigt an, dass diese rassistische türpolitik nicht weitergeführt wird, in einem nebensatz aber zeigt sich, wie tief vorurteile verankert sein können. die »szene« gerät in aufruhr. das chelsea soll boykottiert werden. natürlich ist rassismus im club inakzeptabel - rassismus ist auch im plattenladen inakzeptabel. rassismus ist überall inakzeptabel. und deswegen stört es mehr, wenn er dort auftritt, wo frau glaubt, dass es sich aus der gemeinsamen vergangenheit heraus um einen »guten« ort handelt. hierzu zählt auch das flex. beobachtet im flex niemand rassistische türpolitik, die sehr wohl praktiziert wird, oder ist das kein thema mehr, weil das flex sich schon zu weit aus der »szene« entfernt hat? an dieser stelle ist es mir wichtig, auf die vorfälle von sexuellen belästigungen an frauen einzugehen. dabei ist ein großteil der ausgehszenelokale gemeint. viele publizieren immer wieder sexistische oder manchmal sexistische/rassistische flyer. wenn jetzt also eine strenge türpolitik damit begründet wird, dass es zu sexuellen übergriffen gekommen ist, dann soll auch ein modell dafür präsentiert werden, wie es ein club vermeiden könnte, dass die besucherinnen nicht per se freiwild für partygäste darstellen, das heißt dass sexuelle belästigung ernst genommen wird und nicht als kavaliersdelikt betrachtet. an wen kann frau sich wenden, wenn sie sich belästigt fühlt? grimmige typen an der tür strahlen nicht gerade das nötige vertrauen aus, das benötigt wird, um eine belästigung zu artikulieren. wenn es nicht noch schlimmer kommt und der türsteher einer frau sowieso nicht glaubt, weil er sie nicht für attraktiv genug hält. Ab wann beginnt die sexuelle belästigung? oft hört frau doch, dass sie sich nicht so haben soll, wenn ein betrunkener gast ihr auf den hintern klatscht (wieder: kavaliersdelikt?). oder wird es ein ernstzunehmenderes delikt, wenn der grapscher plötzlich »dunkelhäutiger« ist? oder traut frau sich dann erst recht wieder nicht, den vorfall jemandem zu erzählen, weil sie nicht als rassistin verstanden werden will? viele clubs nehmen an der free-republic-parade teil. zwei wichtige forderungen dieses jahr lauten: frauen an den unruheherd und gleiche rechte für migrantInnen. wäre schön, wenn wenigstens diejenigen, die diese forderungen unterschreiben würden, sie auch in ihren lebensalltag integrieren.


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