So oder anders
»Werner Feiersinger«, Ausstellung in der Galerie Martin Janda, WienWerner Feiersinger
Galerie Martin Janda, Wien
Januar bis 19. März 2005
Das künstlerische Reflektieren über die Architektur des Funktionalismus und das Hinterfragen und veränderte Nachspielen modernistischen Pathos' sind ja zur Zeit enorm beliebt. Von Thomas Ruff bis Günther Förg und von Florian Pumhösl bis Flora Neuwirth arbeitet man sich an den Heroen der Moderne ab. Die Bauten Ludwig Mies van der Rohes wurden zum Beispiel in den letzten Jahren nicht nur in zahllosen Werbespots semantisch verfremdet (indem etwa der Barcelona-Pavillon zum Yuppie-Einfamilienhaus umgedeutet wurde), sondern auch in jeder Menge künstlerischer Arbeiten verkleinert, aufgeblasen, reproduziert und in neue Zusammenhänge gesetzt.
Auch im Werk Werner Feiersingers ist die Bezugnahme zu architektonischen Formen nicht neu. »Betten« nennen sich da zwei liegende Stahlplatten zwischen seitlichen Stützen im Ambraser Schlosspark – aber ist es nicht in Wahrheit die absurd verdoppelte Bodenplatte von Mies' Haus Farnsworth? Man kann nicht umhin, die eigentlich völlig harmlosen Objekte, nur weil sie, weiß lackiert, auf einem Rasen zwischen Bäumen stehen, damit zu assoziieren. Und eine jener vielen »Ohne Titel« untertitelten Stahlplastiken wird Fachleute sofort an Erich Mendelsohns Hutfabrik in Luckenwalde erinnern – wer den Bau nicht kennt (und eigentlich kennt ihn niemand, nur Fotos existieren vom schon lange demontierten charakteristisch hohen Dach, aber im kulturellen Gedächtnis existiert das Bild auf ewig), sieht einfach ein eigenartiges Ding, das so tut, als sei es zu etwas nütze, aber nicht verrät, wozu. Genau auf dieser Kippe bleiben Feiersingers Arbeiten immer – entschlüsselbar sind sie nicht, werden aber auch nie langweilig und balancieren so immer auf dem schmalen Grat zwischen vermeintlicher Offensichtlichkeit und höchster Komplexität. Und führen dabei die eigene kulturelle Sichtweise vor, die immerfort Dinge erkennt, die auch ganz anders sein könnten, viel harmloser, oder viel verwirrender, als man denkt – und doch wieder genau so.
In Feiersingers formal stark reduzierter Sprache überschneidet sich immer Skulpturales mit (Archi)tektonischem: Eine »Werkzeugkiste« ist auch als Haus mit Autostellplätzen oder Geschäftslokalen im Erdgeschoß lesbar, ein quaderförmiges »Modell« als ebensolches im Sinne der klassischen Moderne, aber auch als Neuformulierung von Mechanismen des Umgangs mit Dingen und Situationen, mit der vertikalen Dimension einer Geschichte der Nutzung und des Benutzens.
Feiersingers Zyklus neuer Arbeiten nimmt sich Le Corbusier und seine auf einer Frankreichtour des Künstlers besuchten Bauten zum losen Subtitel. Das sind zum einen Plastiken, die nicht unbedingt unmittelbare Bezüge zum Werk des Architekten haben. Etwa ein breitbeiniges, spinnenartiges Etwas aus weiß grundierten Stahlstäben, das einen großen Teil des Erdgeschoßes der Galerie einnimmt und zum Darübersteigen zwingt. Oder ein weiteres »Ohne Titel«, das sich überhaupt nicht deuten lässt und bestenfalls an ein Skulptur gewordenes Anführungszeichen erinnert, während ein anderes ein in seiner lakonischen Präsenz fast rührender Hybrid aus Tret-Abfalleimer und Hydrant zu sein scheint.
Diesen Objekten mit zweifelhafter, enigmatischer Funktion – und Funktionalität – stehen Fotoarbeiten gegenüber, die von den ästhetizistischen Bildern einschlägiger Architektur-Coffeetable-Books denkbar weit entfernt sind. Da wird Le Corbusiers spartanisches »Cabanon« ins Bild gesetzt, seine 3 x 3,5 m große Ferienhütte, die auf dem lapidaren Foto einfach nur aussieht wie ein x-beliebiges Häuschen. Ein abfotografierter Heuhaufen korrespondiert dann wieder mit einem seltsamen termitenhügel-artigen Klumpen, der auf dem Dach der »Unité d'habitation« in Marseille als skulpturale Kinder-Kletterburg dient. Auch ein »Stern« aus weiß lackiertem Holz verdankt sich dem Vorbild eines Objekts auf dem Dach der »Unité«.
Die Vorgehensweise des Übersetzens architektonischer Elemente der klassischen Moderne in andere Dimensionen und Materialien lässt auch an die Arbeiten von Marko Lulic denken. Seine Nachbauten zweier Denkmäler von Walter Gropius und Mies van der Rohe als hohles Gestell mit schlecht geschnittenem ledrigem Überzug beziehungsweise in orangefarbenem Hochglanzlack und lächerlicher Größe thematisieren ein Charakteristikum der »weißen Moderne«, deren kristalline Erhabenheit sich realiter nur zu oft als Produkt akribischer Rauminszenierung und professioneller Weitwinkel-Fotografie erweist. Lulics Untersuchungen des Pathosgehalts von Denkmalen zwischen sozialistischem Agitprop, Zeitgeist und rezeptivem Retro-Chic sind als Kunstprojekt sehr reflexiv, sehr konzeptuell und eine eher spröde Sache, deren Verständnis ein ordentliches Maß an Vorwissen erfordert, während Feiersinger nicht nur mit der Ambiguität semantischer Applikationen, sondern gerade mit dem Nicht- und Halbwissen und dem freien Assoziieren spielt, das die tägliche Wahrnehmung immer wieder prägt.
Iris Meder