Iris Meder


Dass man im Künstlerhaus vor allem viel Nichts, das heißt leere Räume, sieht, ist nicht neu. Trotzdem wirkte der gähnend leere große Saal ein wenig manieriert: Wollte er mahnen, in welcher Gefahr die Ausstellungskultur ist, werden ihr die finanziellen Mittel abgeschnürt? Man wusste es nicht und wollte auch nicht darüber grübeln. Rundum gruppierte sich dann manches, worüber man auch nicht nachgrübeln mochte, und tat man es doch, kam man manchmal trotzdem nicht drauf, warum es gerade in diesem Zusammenhang zu sehen war: der Frage nach der Disneyfizierung der Städte Europas.
Unter dem von Frank Roosts gleichnamigem Buch abgeleiteten Schlagwort lässt sich vielerlei subsumieren: Von der tourismus- und erlebnisgerechten Aufbereitung historischer Stadtzentren über Themenpark-Freizeitwelten bis zur schleichenden Invasion ökonomisch gesteuerter Konzepte in das kollektive Gedächtnis und konkrete Stadtplanung. Das Künstlerhaus-Projekt nannte sich zwar „Ausstel-lungsprojekt“, bestand aber in fünferlei gleichberechtigt konzipierten Darreichungsformen: neben der Ausstellung und Interventionen im Stadtraum, einer Vortrags-/Diskussionsreihe, einer (noch nicht erschienenen) Publikation und, angeblich, einem architektonischen Leitsystem innerhalb des Gesamtprojekts. Letzteres war wahrscheinlich jene Linie an der Wand des Künstlerhauses, die gelegentlich von wenige Millimeter großen Schriftzeichen in Kniehöhe begleitet wurde; das waren die Objektbeschriftungen.
Einige Arbeiten waren im Sinne des Themas durchaus sinnvoll gewählt: Pia Lanzinger interpretiert in ihrer Playstation Vienna die Wahrnehmung der Stadt als Monopolyartiges Brettspiel; leider nur als statische Installation an der Wand und nicht zum wirklichen Spielen. Elsebeth Jørgensens und Sofie Thorsens Zeugnisse des touristischen Blicks auf Wien, aufgelegt in Form von auf Sperrholz oder Spanplatten aufgezogenen postkartengroßen Schnappschüssen, durften dagegen mitgenommen werden. Ein besonders schönes Exemplar mit der Werbeschrift „Ihrer Privatperty steht nichts mehr im Wege“ in einem an Trostlosigkeit schwer zu überbietenden Schaufenster hat mittlerweile über die Rezensentin seinen Platz in einem Berliner Privathaushalt gefunden, wo es, wie man hört, vielfache Bewunderung hervorruft.
Harun Farockis Die Schöpfer der Einkaufswelten zu sehen lohnt sicher, aber in einem abgedunkelten Durchgangsraum möchte man sich vielleicht nicht unbedingt für die Dauer eines abendfüllenden Films niederlassen. Eine der besten Arbeiten war Sean Snyders Umsetzung der Wechselbezüge von Authentizität und Künstlichkeit mit Fotos, Modellen und Plänen zum Nachbau der „Southfork Ranch“ in einem rumänischen Themenpark. Ein Video zeigt tonlose „Dallas“-Szenen mit J. R. Ewing, während sich die eingeblendeten Untertitel auf Fiktion und Realität im Leben des Darstellers Larry Hagman beziehen.
Bei anderen Arbeiten, deren Bezug zum Thema nicht erkennbar war, drängte sich der Verdacht auf, es sei einfach genommen worden, was man, unter dem Motto „Wir haben zwar wenig Geld, aber ihr könnt da gerne was machen“ (oder so ähnlich), eben bekommen konnte. Unwillkürlich stellte sich damit auch die Frage, warum hier eigentlich eine Ausstellung nötig war, zumal die Beschäftigung mit dem Thema im Rahmen der Vorträge Hand und Fuß hatte und das sicher auch beim Reader der Fall sein wird. Die Beschäftigung des Künstlerhauses mit Themen urbaner Strukturen geht unterdessen, mit anderer Kuratierung, im Untergrund weiter: im charmanten Betonkubus in der U-Bahn-Passage. Die Versuchung zum Leerlassen dürfte dort etwas geringer sein.

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Ausstellung
site-seeing
Disneyfizierung der Städte
Künstlerhaus, Wien
13. Dez. 2002 – 9. Feb. 2003


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