Strategie: Spaltung/Suture
»VALIE EXPORT. Eine Werkschau«, Ausstellung in der Sammlung Essl, Klosterneuburg und »VALIE EXPORT. Serien«, Ausstellung im Atelier Augarten, WienVALIE EXPORT Eine Werkschau
Sammlung Essl, Klosterneuburg
11.Februar bis 10. April 2005
VALIE EXPORT: Serien
Atelier Augarten, Wien
Oktober 2004 bis 20. Februar 2005
Das Kino vor der Brust. Die ausgeschnittene Hose. Das tätowierte Strumpfband. Die Zigarettenpackung. Peter Weibel an der Leine. Das Labelling hat bei VALIE EXPORT rasch eingesetzt, in Gruppenausstellungen wurden gerne immer wieder die gleichen Arbeiten gezeigt – Altbekanntes, dessen ständige Wiederkehr die Künstlerin selbst schon nervte.
Nun wäre es ein wenig billig, die Ausstellung im Atelier Augarten gegen die Retrospektive in der Sammlung Essl auszuspielen. Während nämlich erstere unter dem Aspekt der »Serien« EXPORTS Arbeiten aus einem neuen Blickwinkel betrachtet, präsentiert zweitere zu einem Gutteil das »Best of«-Programm. Andererseits ist Klosterneuburg nur eine Station der von Caroline Bourgeois kuratierten Retrospektive, die bereits in Paris, Sevilla, Genf und London lief. Damit ist klar: Hier geht es nicht um neue Erkenntnisse, sondern darum, EXPORTS Werk einem (neuen?) Publikum vorzustellen – und eine halbwegs dichte Retrospektive war auch in Österreich längst wieder überfällig. Dass dann natürlich eingangs erwähnte EXPORT-Labels geschlossen in extenso vorgeführt werden, war zu erwarten; dagegen konnte sich Kurator Thomas Trummer im Atelier Augarten deren völlige Absenz leisten – obwohl auch etwa die »Aktionshose: Genitalpanik« in die Thematik der Ausstellung gepasst hätte: So ist in Klosterneuburg eine Wand vollgepflastert mit einer Serie der berühmten Struwwelpeter-Fotografie.
Umso spannendere Aspekte konnte man EXPORTS Werk im lichten Atelier Augarten abgewinnen, in dem viele kleinformatige, unspektakuläre Arbeiten wenigen Installationen gegenübergestellt wurden. Dass dabei der Begriff der »Serie« nicht immer ganz präzise zutraf, minderte die Schau keineswegs. Dennoch: Ob die Installation »Split Video Mobile« (die hier nach einem Entwurf von 1975 übrigens erstmals aufgebaut wurde), bei der die Aufnahme des Raumes auf vier Monitoren zeitverzögert wiedergegeben wird, eine Serie im strengen Sinn ist, darüber könnte man streiten. Was allerdings in Haarspaltereien enden und die Essenz der Ausstellung verfehlen würde, geht es doch letztendlich um das Verhältnis zwischen Spaltung und »suture«, zentralperspektivischem und fragmentiertem Raum, Kadrierungen und Ränder. »Identität, wo immer sie auch auftritt oder suggeriert wird, ist immer schon von Anderem infiziert, sie zerteilt sich, sobald sie von ihren Rändern her verstanden wird«, schreibt Trummer in seinem aufschlussreichen Aufsatz. »Im künstlerischen Kurzschluss der Serie zerfällt sie in multiplizierte Einheiten, die ihr den Rang ablaufen, und damit ihr vereinheitlichendes Konsensversprechen desillusionieren.« Gerade dort, wo die Sujets eine geschlossene Einheit versprechen oder behaupten, wird dies umso deutlicher: Brüchig, verzerrt und gleichzeitig bedrohlich wirkt der Flakturm, der von oben nach unten dreimal aus unterschiedlichen Winkeln fotografiert wurde. Ähnliche Verfahren hat EXPORT bei vielen ihrer Stadtuntersuchungen gewählt, so auch in der Montage »Frankreich«, bei der in der untersten Fotografie ihre Füße erscheinen – Signatur und Standortbestimmung? Während etwa Friedl Kubelka in ihren vergleichbaren Montagen Fotografien einander überlappen lässt, fügt EXPORT diese Kante an Kante zusammen. Dass der Akt des Sehens immer einer der Bewegung ist, demonstrierte EXPORT auch in ihrem »Raumsprung I«: Von vier übereinanderliegenden Balkonen fotografierte sie vertikal auf die Straße – die Spaltung: der Ortswechsel, die »suture«: die räumliche Gerade.
Kurze Zeit später entstanden , in einem Zeitraum von zehn Jahren, EXPORTs Klassiker der Stadterforschung: Die »Körperkonfigurationen«, dicht gehängt in der Sammlung Essl. Darunter sind auch weniger bekannte und spätere Beispiele der teils übermalten Fotografien, auf denen EXPORT selbst oder andere Frauen ihren Körper steif bis akrobatisch in die Architektur einpassen, sich an Gehsteigkanten oder Hausmauern schmiegen. Der so adaptierte öffentliche Raum wird zu einer Spiegelung des Körpers, zu einer zweiten Haut, in der sich fast so etwas wie Geborgenheit oder Vertrautheit einfindet – was von den Verrenkungen der Körper allerdings stark konterkariert wird.
Für VALIE EXPORTs Umgang mit dem öffentlichen Raum könnten die »Körperkonfigurationen« als Paradigmen betrachtet werden: Zwar eignete sie sich diesen für ihre Aktionen an, vertraute sich selbst und ihren Körper ihm an. Für ihr Publikum und mehr noch für sich selbst brach sie aber diese scheinbare Vertrautheit, dieses vermeintliche (Wieder-)Erkennen, wieder auf.
Nina Schedlmayer