» Texte / Subjektpositionen im Kontext kultureller Konfliktzonen

Paul Rajakovics

Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.


Seit Anfang dieses Jahres lässt eine neue Galerie in Wien II am Lassingleithnerplatz („Open Space – Zentrum für Kunstprojekte”) aufhorchen. Die derzeit laufende Ausstellung I myself am war ist bereits die sechste, engagierte Ausstellung, die Gülsen Bal hier heuer präsentiert bzw. kuratiert hat. Open Space ist eine nichtkommerzielle Institution, die sich klar als Gegenposition zur gängigen Mainstreamgalerienkultur bekennt. Dabei wird die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie etwa dem Depot gesucht, um gemeinsam mit „anderen europäischen Kulturinitiativen ein kritisches Forum gegenüber der Öffentlichkeit“ zu etablieren. Dabei stellt der Ort Wien für die in Izmir in der Türkei geborene und bisher in London lebende Kritikerin Gülsen Bal eine strategische Herausforderung zwischen Ost und West dar.

Dies wird spätestens klar, wenn man die Webseite zu der aktuellen Ausstellung I myself am war öffnet. Hier wird man sofort mit der Ankündigung konfrontiert: „Erinç Seymen wird im Rahmen der Eröffnung nicht anwesend sein. Prozedur, Verwaltung und Handhabung eines Visums-Antrages seitens der diplomatischen VertreterInnen des österreichischen Konsulates spiegeln hier erneut die legalisierte Form von Xenophobie und Totalitarismus wieder.“ Dies entspricht auch den Tatsachen: Erinç Seymen durfte nicht aus der Türkei nach Österreich reisen, um sein projektiertes Wandbild herstellen zu können – und damit sind wir auch schon mitten im Thema der Ausstellung. Diese behandelt verschiedene Aspekte direkter Involvierung in politische Konfliktfelder bzw. Krieg. Drei künstlerische Positionen nähern sich dem Thema: Oliver Ressler, Erinç Seymen und Moira Zoitl.

Oliver Ressler zeigt das Video The Fittest Survive, welches die Arbeit der AKE-Group in einem Trainingslager in Wales begleitet. Die Dokumentation des 5-tägigen Kurses Surviving Hostile Regions zeigt Geschäftsleute, Manager und Journalisten, die sich auf einen „Einsatz“ in einem Kriegsgebiet vorbereiten. Die Ausbildner sind ehemalige britische Elitesoldaten. Das primär mit der Handkamera aufgenommene Video folgt den KursteilnehmerInnen durch die inszenierte Realität im Survival Camp mit all seinen Mythen von Abenteuer, Überleben, Gefahr, Risiko und Wildnis. Über klare Verhaltensregeln durch die Kursleiter und den realen Hintergrund von über dem Camp trainierenden Kampfjets werden Erwartungen der Kursteilnehmer erfüllt. Gleichzeitig entlarvt der Künstler durch die Distanz der Kamera und die der Reportage die dahinterstehenden Motive, ohne jemals suggestiv werden zu müssen.

Die Arbeit von Erinç Seymen nähert sich über eine aktionistisch wirkende Videoperformance Performance For Poem Diskursen des Nationalismus, des Totalitären und von Gewalt. Die Kamera erscheint dabei wie das Opfer eines fiktiven Verhörs, welches nicht enden wollend jede Erträglichkeit übersteigt. Fast still dagegen wirken die beiden Bilder von Seymen, die wappenförmig eine Ikonografie der Verweigerung und der sich entziehenden Vereinnahmung von Macht und Intellektualismus manifestieren. Statt des vor Ort für Open Space geplanten Wandbildes hängt eine rote Fahne mit dem Schriftzug „Börek“, die auf den schon seit den Habsburgern andauernden „Krieg“ verweist.

Die dritte Position von Moira Zoitl begleitet Mbela Nzuzi, eine in Rumänien lebende afrikanische Migrantin über drei unter dem Titel In Winter It’s Cold Outside zusammengefasste Videos bei ihrem Überleben in Bukarest. Mbela Nzuzi zeigt sich als Multitalent, singt in der afrikanischen Band Gloria, ist Moderatorin von B1 TV (eine kleine Fernsehstation) und ist überdies Präsidentin der SOM (Refugees Women’s Organization, RWO). Besonders bei letzterer Funktion wird klar, dass es hier um das Überleben und die existentiellen Erfahrungen und Erlebnisse von MigrantInnen und deren Arbeitsverhältnisse und Lebensbedingungen geht. Die Videoinstallation In Winter It’s Cold Outside bricht einerseits mit den Klischees vorgefasster Bilder und kombiniert andererseits den Kampf ums Überleben mit neuen ökonomischen Politiken und entlarvender Herzlichkeit.

So unterschiedlich der Zugang bzw. der Kontext der Arbeiten von Oliver Ressler, Erinç Seymen und Moira Zoitl auch erscheinen mag, so stellen sie sich alle als autonome „Subjektpositionen in den Kontext kultureller Konfliktzonen.“ Alle drei vermitteln verschiedene Signifikate von Krieg in direktem Bezug einer damit konfrontierten Person. Sei es, wie bei Oliver Ressler davor (im Trainingscamp), oder wie bei Erinç Seymen als ein – selbst hier und jetzt – in einem Konflikt Stehender, oder wie bei der von Moira Zoitl begleiteten Person Mbela Nzuzi als Beispiel migrantischer Auswirkungen (danach).

Vielleicht wirkt das eingangs erwähnte Einreiseverbot von Erinç Seymen als Erstinformation zur Ausstellung auf der Website plakativ, aber es verweist sehr wohl auf die aktuelle Realität in Österreich, wo normalerweise der Umgang mit KünstlerInnen und Intellektuellen allzu gerne als „bevorzugt behandelt“ dargestellt wird, der aber gleichzeitig oft eine Feigenblattfunktion einnimmt, die hier das Faktum alltäglicher österreichischer Ausgrenzungsrealität im Alltag deutlich macht.

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Ausstellung
I MYSELF AM WAR!
Open Space
Zentrum für Kunstprojekte
3. September bis 2. Oktober 2008
Lassingleithnerplatz 2, 1020 Wien
www.openspace-zkp.org


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