Sonja Gangl

Sonja Gangl lebt und arbeitet in Graz und Wien.Die Künstlerin hat 2018 den Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst erhalten.

Paul Rajakovics

Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.

Barbara Holub

Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.


Auch wenn wir die Arbeit von Sonja Gangl schon lange kennen und schätzen, entstand die Idee, die Künstlerin für ein dérive-Insert einzuladen, konkret letztes Jahr in Zusammenhang mit ihrer Ausstellung in der Galerie Krobath. Dort zeigte Sonja Gangl bestechend minutiöse Bleistiftzeichnungen von Kartonkisten, geschlichteten Kartons, Plastiksäcken, Weggeworfenem, das als Verpackung gedient hatte. Diese auf Fotografien beruhenden Sujets, denen normalerweisekeine Aufmerksamkeit zukommt, transformierte sie in eine völlig neue Ästhetik, die den darge- stellten Objekten eine unerwartete Bedeutung zukommen lassen.
Sonja Gangl bezieht sich in ihrer Arbeit immer wieder auf die Tradition von Stillleben, wobei sie besonders die kontrastreichen Bilder des spanischen Malers Juan Sánchez Cotán vom Beginn des 17. Jahrhunderts faszinieren. In ihren neueren Stillleben sind Verpackungen oder überreste der eigentlichen Konsumobjekte, die den überfluss unserer Zivilisation bzw. die lange Reise der abwesenden Objekte in den Vordergrund stellen, das eigentliche Thema. Dabei wird die einzigartige Akribie ihres Bleistiftstriches zum Stilmittel, das den Sujets – kontrastierend zum Nichtwert der Objekte – für den Betrachter einen Wert verleiht.
In ihrem Beitrag für dérive finden wir auf der Front- und Rückseite ein Netz, wie wir es von großen Kartoffelsäcken kennen, bzw. das hier für Muscheln (Vongole) verwendet worden ist. Diese Netze sind aus starken Kunststofffasern gefertigt, die dann meist schwarz, blau oder orange eingefärbt werden. Auf der Mittelseite ist ein detailgetreu gezeichneter, deformierter Autoreifen zu sehen, dessen Unbrauchbarkeit durch eine möbius-schleifenartige Zusammenfaltung noch verstärkt wird. Auch hier hinterfragt die feine Struktur des Bleistiftstriches die Vergänglichkeit der dargestellten Objekte, die beide aus Erdöl gefertigt sind und als nicht verrottbar gelten.
Bei Sonja Gangl geht es um den Transformationsprozess eines Fotos zur Zeichnung, der einen Bedeutungstransfer mit sich bringt. So steht in ihrem Wikipedia-Eintrag: »Dabei geht es um die Transformation von Bildinhalten vom Medium Film und Fotografie in das Medium Zeichnung. Die ›großformatigen Zeichnungen setzen sich nicht expressiv sondern konzeptuell mit anderen Medien auseinander: mit Film und Fotografie.‹«
Diese Haltung erinnert uns auch an die Tradition der Fotorealisten der 1970er-Jahre, wobei ich hier im Besonderen an Rolf Goings Stillleben aus Ketchup-Flaschen und Salzstreuer einerseits und andererseits an den britischen Maler John Salt, der sich der Vergänglichkeit von Automobilen verschrieben hat, erinnern möchte. Doch Sonja Gangl benötigt keine großfor- matigen Ölbilder: Sie eröffnet eine neue Betrachtungsweise durch allerfeinste Strukturen, die sie mit dem bescheidenen Mittel eines monochromen Bleistifts erzeugt, und schafft es, damit komplexe Fragen zu unserem Konsumverhalten zu stellen.

Sonja Gangl lebt und arbeitet in Graz und Wien. Sie hat an der Akademie für Bildende Künste in Wien (Meisterklasse Markus Prachensky) und an der Universität für angewandte Kunst Wien (Meisterklasse Ernst Caramelle) studiert. Die Künstlerin hat 2018 den Würdigungspreis des Landes Steiermark für bildende Kunst erhalten. Im Mai 2019 sind im Rahmen einer Einzelaus- stellung Arbeiten in der Galerie Artelier Contemporary in Graz (www.artelier-contemporary.at) zu sehen. Im Jänner 2020 gibt es dann – ebenfalls in Graz – eine große Personale im Künstler- haus, Halle für Kunst & Medien. (www.sonjagangl.com)


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