» Texte / Unstable Grounds - Unsicherer Boden, Terra Mobile - Majava Tla

Barbara Holub

Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.

Joanna Rajkowska

Joanna Rajkowska works in and with the public space, which she perceives as a highly political place where different forms of life meet.


Der Foto- und Konzeptkünstler Herwig Turk arbeitet seit vielen Jahren im Spannungsfeld von Wissenschaft, Biologie und Natur und realisiert Projekte in unterschiedlichen Kontexten. In großformatigen Fotografien untersucht er u.a. die Komplexität von Landschaftsräumen, die von den Eingriffen von Technik und Infrastruktur gekennzeichnet sind und somit das widersprüchliche Verhältnis von naturräumlichen Bedingungen und Fragen der Nutzung sichtbar machen. 2016 setzte Herwig Turk mit seiner Arbeit Linescape in der Galerie Kargl in Wien Robert Smithsons monumentale Erdskulptur Spiral Jetty zu den Überformungen im benachbarten militärischen Sperrgebiet in der Wüste im Südwesten der USA, die für menschliche Eingriffe wie Atomversuche oder zielgerichtete Bombardierungen zu Trainingszwecken genutzt werden, in Bezug. Seit zwei Jahren befasst sich Herwig Turk intensiv mit der Flusslandschaft des Tagliamento im Norden der friulanischen Tiefebene. Dieses Terrain ist voller Widersprüche und Gegensätze: Einem scheinbar naturbelassenen Flussbett, dem Lebensraum seltener Tier- und Pflanzenarten, stehen Uferzonen gegenüber, die im Zeichen der Regulierung stehen und entsprechend devastiert sind. Viele Brücken und Festungsanlagen zeugen von den Anstrengungen, den Tagliamento als Hindernis zu überwinden und unter Kontrolle zu bringen. Schleusen, Kanäle und Rohrleitungen verweisen auf die Ausbeutung seiner Wasserressourcen. In dieser »Vorvergangenheit einer Landschaft in der Region um Gemona gibt es keine Stabilität. Der Fluss strömt, der Verkehr rollt, die Berge falten.«

Das meist ausgetrocknete Flussbett des Tagliamento befindet sich im Bereich des durch das Erdbeben von 1976 immer noch gezeichneten Gebietes, das Friaul erschüttert und entvölkert hat. Abgesehen von Gemona, das als (zweifelhaftes) Vorzeigebeispiel wiederaufgebaut wurde und zu einer Touristenattraktion wurde, ist die Gegend weitgehend von Abwanderung betroffen. Verfallende Gebäude, die provisorisch gestützt werden, erzählen von einer instabilen Situation und der ungewissen Zukunft dieser Region. Für das Insert wählte Herwig Turk Fotos aus, die der scheinbaren Leere des Flussbetts gewidmet sind und dabei gleichzeitig von der Fülle angelagerter Aspekte zeugen. Ein Mikrokosmos von Vegetationsinseln nistet sich im Kies ein. Autobahnen und scheinbar überdimensionierte Brücken führen über das trockene Flussbett des Tagliamento. Nur in einem Foto zeigt Herwig Turk das seltene Ereignis des wildes Wasser führenden Stromes. Menschen sind auf seinen Fotografien keine zu sehen. Ihre Präsenz zeigt sich nur indirekt, in Form der Infrastruktur.

Vom 15. 11. bis zum 9. 12. 2018 findet die Ausstellung Unstable Grounds, produziert von UNIKUM im Raum für Fotografie, www.unikum.ac.at, St. Ruprechter Straße 10, Klagenfurt, statt.


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