Susanne Heeg

Susanne Heeg ist Professorin für Geographische Stadtforschung am Institut für Humangeographie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt. Ihr Forschungsinteresse liegt in der Untersuchung von Städten als Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Auseinandersetzungen und als lokale Knotenpunkte im Netzwerk globaler Dynamiken.


Wir leben in turbulenten Zeiten, nicht nur, weil sich seit Anfang 2008 die Welt in einem finanzwirtschaftlichen Auf und Ab befindet, sondern auch, weil dieses Auf und Ab Auswirkungen auf die Stadtentwicklung hat. Die bauliche Entwicklung insbesondere in Finanzzentren wie Frankfurt, Paris oder London, aber auch in weiteren großen und weltwirtschaftlich bedeutsamen Städten, ist zunehmend von der Entwicklung auf den globalen Finanzmärkten abhängig. Mit der Liberalisierung nationaler Finanzsysteme und der zunehmenden Integration von Finanzmärkten hat die Vermarktlichung von Immobilien einen deutlichen Schub erhalten. Immobilien sind schon immer eine Ware gewesen, aber sie hatten durch ihre räumliche Unverrückbarkeit die Eigenheit, dass ihrem Handel Grenzen gesetzt waren. In der Regel fand der Handel in sowie die Produktion von Immobilien in lokal begrenzten Kontexten mit vorwiegend lokalen Akteuren statt. Die räumlichen Grenzen der Spekulation sind nun gesprengt worden und damit einhergehend hat die Volatilität in der baulichen Entwicklung zugenommen. Dieser Umstand soll im Folgenden näher ausgeführt werden.

1. Immobilien als assets: Finanzmarktsteuerung des Immobilienmarktes

Veränderungen in der Immobilienwirtschaft sind ein relativ junges Phänomen. Westeuropa war bis zur Deklaration des freien Grundverkehrs durch die Europäische Union in intransparente lokale Märkte aufgeteilt. Grenzüberschreitende und überregionale Immobiliengeschäfte wurden kaum getätigt (Heeg 2004). Dazu trugen Regulierungen auf der nationalen Ebene – wie die Kontrolle ausländischer Immobilieninvestitionen oder die Besteuerung von Immobilienbesitz und -transaktionen – sowie Regulierungen auf der lokalen Ebene wie Flächenwidmungen, Bauordnungen und Auflagen des Denkmalschutzes bei. Immobilienentwicklung war aufgrund dieser Regelungen von lokalem Wissen und der Nähe zu politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern abhängig. Eine hohe Unsicherheit und Wissensintensität von Immobilieninvestitionen erforderte insofern den Aufbau von lokalen Vertrauensbeziehungen zwischen Projektentwicklern/Bauträgern, Banken als Kapitalgebern und der öffentlichen Hand als Rahmen setzendem Akteur. Die Immobilienwirtschaft zeichnete sich in diesem Sinne dadurch aus, dass ihr wirtschaftlicher Aktionsradius stark auf die jeweilige Region beschränkt war. Ein fundamentales Problem der Immobilienfinanzierung in der Vergangenheit war die enorme Kapitalintensität der Investitionen. Große Kapitalsummen wurden auf lange Sicht in Immobilien gebunden, deren Ertragsfähigkeit von vielen schwer bestimmbaren Faktoren, wie der lokalen Wirtschaftsentwicklung, den Immobilienzyklen, dem technisch-organisatorischen Wandel etc. abhingen. Der überwiegende Teil der Immobilienfinanzierung wurde über Kredite der Banken abgewickelt. Die Risiken der Finanzierung bündelten sich an zwei Stellen: beim Eigentümer, der auf eine zumindest stabile Ertragsfähigkeit der Immobilie angewiesen war, um den Kredit bedienen zu können, und bei der Bank, die das Kreditausfallrisiko trug. Diese Situation änderte sich durch Finanzinnovationen[1], die Immobilien in attraktive Anlageformen[2] wandelten. Finanzprodukte wie Fonds, Real Estate Investment Trusts (REITs) etc. haben das Risiko des Kapitalverleihs von der kreditgebenden Bank auf den Finanzmarkt und dessen Investoren bzw. Anleger  verlagert. Damit wurden die mit der Transaktion verbundenen Risiken, aber auch Renditen aus Zins- oder Wechselkursänderungen sowie Zahlungsausfälle aufgeschnürt und auf viele Marktteilnehmer übertragen (vgl. allgemein dazu Huffschmid 2007). Vor dem Hintergrund der Aufwertung des Wertpapierhandels (investment banking) gegenüber dem klassischen Kreditgeschäft (commercial banking) wandelten sich Immobilien nun zu einer handelbaren Anlage, d.h. zu einem asset (Coakley 1994, Lütz 2002, S. 155f.). Für Anleiheschuldner und Investoren ist es attraktiv, Kapital in Form von Finanzprodukten anzulegen, die auf ihre individuellen Wünsche und Risikoneigungen zugeschnitten sind und im optimalen Fall in kurzer Zeit liquidierbar sind.[3] Inzwischen gibt es eine Vielzahl von finanzmarktbasierten Anlagemöglichkeiten in Immobilien – u.a. REITs, Immobilien AGs, Real Estate Private Equity Fonds (REPE), offene und geschlossene Immobilienfonds –, die aufgrund unterschiedlicher Risiko-, Gewinn- und Rückgabemöglichkeiten ein breites Feld von Anlagebedürfnissen und -wünschen bedienen. Dies erhöht nicht nur die Attraktivität von Immobilien als Anlageprodukt, sondern auch das verfügbare Investitionskapital. Ein gewisser Portfolio-Sockelanteil institutioneller Investoren besteht wegen der mit Immobilien verbundenen Vorteile wie Inflationsabsicherung, Portfoliodiversifikation etc., unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen oft aus Immobilien(anteilen). Jenseits dessen ist heute eine Verschiebung von Kapital je nach Rendite zwischen Real-Estate- und Non-Real-Estate-Anlagemöglichkeiten erkennbar. Damit sind Immobilien eine Kapitalanlagemöglichkeit wie jede andere: Sie unterliegen klaren Renditeanforderungen. Im Ergebnis verknüpfen neue Kredit- und Finanzierungsformen die Aktivitäten auf Immobilien- und Finanzmärkten (zur Integration von Büro- und Aktienmärkten vgl. Ling/Naranjo 1999). Ein weiteres Ergebnis ist, dass sektorspezifische Ausfallrisiken im Immobilienmarkt innerhalb des gesamten Finanzsystems transferiert werden (Pryke 1994, S. 169). Diese Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt begünstigten die Globalisierung des Immobilieninvestments. Die hohen immobilienbezogenen Anlagesummen werden inzwischen global gestreut. Zum einen sind attraktive Immobilien, die den Anlagekriterien von Risiko und Rendite entsprechen, nicht mehr allein in den jeweiligen nationalen Märkten zu finden. Zum anderen zeichnen sich die Immobilienportfolios in der Regel durch die Diversifizierung der Anlagen aus, um Immobilienzyklen einzelner Märkte und Nutzungstypen – und damit potenziell negative Auswirkungen einzelner Immobilienanlagen – abfedern zu können. Man kann also sagen, dass der Globus unentwegt nach attraktiven (Immobilien-) Anlagemöglichkeiten abgesucht wird. Immobilien und Immobilieninvestments müssen den Anforderungen des Finanzmarktes genügen. Damit ist eine Schwerpunktverschiebung in der Art und Weise erkennbar, wie Immobiliengeschäfte gemanagt werden. Entscheidungen zur Investition werden immer weniger von lokalen Kennern des Feldes, die über persönliche Kenntnisse verfügen und in lokale Netzwerke eingebunden sind, getroffen, sondern von Immobilienmanagern, die über Kapitalmarktkenntnisse und Bankennähe verfügen. Substanzorientierte Kalkulationen der Immobilieninvestition werden durch betriebswirtschaftliche Kalkulationen abgelöst. Der Druck, eine gewisse Rendite im Vergleich zu anderen Kapitalanlagemöglichkeiten zu erzielen, führt zu einer Professionalisierung des Immobilienmanagements. Eine Buy-and-Hold-Strategie – wie von Versicherungen lange verfolgt – wird zunehmend ersetzt durch eine Strategie der ständigen Evaluation des Objektportfolios. Damit geht die Bereitschaft einher, weniger ertragreiche und risikoreiche Objekte abzustoßen. Im Zentrum der Überlegung stehen nicht die Qualität der Baumasse, sondern mögliche Erträge. Um die Erträge langfristig zu stabilisieren oder Wirtschaftszyklen auszugleichen, besteht das Portfolio institutioneller Investoren im Property-Bereich in der Regel aus Immobilien unterschiedlicher Größe, Nutzungen, Altersklassen, an unterschiedlichen Standorten und mit unterschiedlichen Mietlaufzeiten. Zusammengefasst haben sich also die Akteurskonstellationen auf dem Immobilienmarkt verändert; ebenso die räumlichen Orientierungen. Institutionelle Investoren, die Immobilien unter Renditeperspektiven betrachten und für die Immobilien im Wettbewerb mit anderen Anlageformen stehen, haben an Gewicht gewonnen und investieren weltweit auf aussichtsreichen städtischen Immobilienmärkten.

2. Auswirkungen auf städtische Immobilienmärkte und bauliche Entwicklung

Obwohl sich die Risikoneigung institutioneller Investoren wie Fonds, Real Estate Investment Trust oder Versicherungen unterscheidet, weisen alle diese Investoren die Neigung auf, zu überwiegenden Anteilen in Großstädten zu investieren. Innerhalb des Systems der Großstädte gibt es wiederum eine Tendenz, bevorzugt in Städten mit Global-City-Funktionen anzulegen. Der Grund hierfür ist, dass die Immobilienmärkte in Großstädten und insbesondere in Global Cities sehr dynamisch sind. Im Vergleich zu kleinstädtischen Immobilienmärkten besteht dort eine hohe Nachfrage nach Büro- und Wohnimmobilien, die gewährleistet, dass eine Immobilie in guter Lage auch dann noch Mieter oder Käufer findet, wenn ein oder mehrere Mieter oder Käufer wegfallen. Selbstredend besteht diese Sicherheit nicht zu jeder Zeit, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachfrage in Großstädten ausfällt, ist deutlich geringer als in kleineren Städten, wo es absolut gesehen eine geringere Anzahl von Nachfragern gibt. Da zudem Immobilien häufig auf bestimmte Nutzer zugeschnitten sind, kann eine nur geringe Anzahl von Nachfragern dazu führen, dass für den spezifischen Immobilientyp keine Mieter oder Käufer mehr zu finden sind und damit die Ertragsfähigkeit der Investition bedroht ist. Die hohe Liquidität der großstädtischen Immobilienmärkte ist also eine Absicherung der Rendite, die wiederum eine Funktion der Mietzahlungen oder des Kaufpreises ist. Zudem eröffnet die hohe Liquidität die Aussicht, dass bei einem positiven Immobilienzyklus und einer gut gelegenen und ausgestatteten Immobilie eine Erhöhung der Mietzahlung oder des Kaufpreises und damit der Rendite durchsetzbar ist.

Aus dem Umstand, dass aussichtsreiche Investitionsobjekte überwiegend nur in Großstädten zu finden sind und dass Investoren nicht nur auf ihren lokalen, sondern auf überregionalen und globalen Märkten als Kaufinteressenten auftreten, ergeben sich zwei Konsequenzen: In Boomzeiten, in denen Kapital für aussichtsreiche Anlagemöglichkeiten in hohem Maße verfügbar ist, sind attraktive Immobilienobjekte erstens heiß begehrt. Da nicht jede Immobilie auf dem Markt ist und nicht jede Stadt den Anforderungen finanzmarktbasierter Investoren genügt, ist zweitens das bestehende Angebot an Immobilien knapp und damit umkämpft. Die Folge ist ein Überbietungswettbewerb, der dazu führt, dass sich die Preise für entsprechende Immobilien von der lokalen Wirtschaftsdynamik entkoppeln. Dieses Eigenleben der Preisentwicklung hängt mit dem Anlagedruck der weltweit tätigen institutionellen Investoren zusammen, die vor dem Hintergrund des Renditedrucks hart um die wenigen aussichtsreichen Immobilien konkurrieren. Dies führt dazu, dass in Boomphasen Kapital für neue Immobilienprojekte im Überfluss verfügbar ist. Viele Investoren zielen darauf, eine Immobilie der hoch bewerteten städtischen Märkte ins eigene Anlagevermögen zu integrieren. Soweit die konjunkturelle Entwicklung günstig ist, werden sogar B-Lagen akzeptiert. Dies unterstützt bei Projektentwicklern die Neigung, neue Projekte in Angriff zu nehmen. Solange Kapital vorhanden und entwicklungsfähige Flächen oder Gebäude verfügbar sind, wird gebaut. Während Investoren mit der Aussicht, steigende Renditen zu realisieren, am Geschäft teilnehmen, investieren Projektentwickler, weil sie erwarten, dass sie die Immobilie entweder im eigenen Bestand halten können oder – was eher der Normalfall ist – beim Verkauf einen Preis weit über die Entwicklungskosten hinaus erzielen können. Vieles von dem, was in Boomphasen errichtet wird, ist spekulativ gebaut: Man investiert, indem man auf weiter steigende Mieten und Nachfrage vertraut, ohne bereits feststehende Nutzer zu haben. Die Mehrheit der Immobilienakteure möchte in Boomphasen ein Stück des Kuchens abhaben, was dazu führt, dass die Preise steigen, der Markt aus dem Blick gerät und sich überhitzt.

In der Konsequenz sind großstädtische, aber insbesondere die Immobilienmärkte von Global Cities durch eine zunehmende Volatilität, konjunkturelle Schwankungen, gekennzeichnet (vgl. Lizieri et al 2000, Beitel 2000, Leitner 1994). Solange der jeweilige Immobilienmarkt als aussichtsreich eingeschätzt wird, dominiert die Tendenz, große Kapitalsummen zu investieren. Wenn jedoch Krisenanzeichen zunehmen, dann kann das dazu führen, dass vermehrt Kapital abgezogen wird. Da »Kapital abziehen« bedeutet, Investoren auszuzahlen, müssen Kapitalanlagegesellschaften wie Fonds, Real Estate Investment Trusts, Immobilien AGs oder Real Estate Private Equity Fonds nicht selten Immobilien veräußern. Wenn dies aber viele beabsichtigen, dann beginnen die Preise zu fallen. Die Folgen sind, dass angefangene Projekte ausgesetzt werden und Grundstücke auf lange Zeit ungenutzt bleiben. Dies betrifft Projektentwickler; institutionelle Anleger haben in der Regel andere Probleme. Gegenwärtig wird nach einer Umfrage des Berufsverbandes RICS (Royal Institution of Chartered Surveyors) davon ausgegangen, dass die Notverkäufe von Immobilien weiter zunehmen (IZ aktuell 2010). Die Höhe des Preisrückgangs entscheidet darüber, ob Projektentwickler Konkurs anmelden (weil sie beispielsweise keine Käufer für ihre Immobilie finden oder bereits begonnene Projekte nicht mehr beenden können) und Fonds möglicherweise geschlossen werden müssen (oder zumindest die Auszahlung eingefroren wie immer wiederkehrend seit dem Spätherbst 2008). Immobilienmärkte von Großstädten sind somit im Zuge der Deregulierung nationaler Finanzsysteme und der Integration von Immobilien- und Finanzmärkten durch stärkere Ausschläge beim Preisanstieg und -verfall sowie bei Leerstand und Flächenumsatz gekennzeichnet. Im spezifischen Fall von Global Cities ist zu vermuten, dass eine erhöhte Volatilität nicht nur Preisanstieg und -verfall bedeuten, sondern auch die Zyklizität des Immobilienmarktes stärker ausgeprägt ist. Dies hängt damit zusammen, dass die Kapitalanlagegesellschaften nicht nur die Eigentümer innerstädtischer Immobilien sind, sondern auch häufig deren Mieter. Wenn allerdings aus welchen Gründen auch immer Finanzmarktkrisen zu verzeichnen sind, dann zieht dies Finanzdienstleister (und Kapitalanlagegesellschaften sind eine Form der Finanzdienstleistung) in Mitleidenschaft. Eine typische Reaktion auf Krisenphänomene ist der Arbeitsplatzabbau, der sich in eine geringere Nachfrage nach Büroimmobilien übersetzt. Damit kann eine Finanzmarktkrise Folgen für die Immobilienmärkte von Global Cities haben: Es besteht die Gefahr, dass die Krise der Immobilienmärkte in einer Kettenwirkung wiederum die Finanzdienstleister beeinträchtigt, da sie in Global Cities sowohl weit verbreitete Eigentümer als auch Mieter der Immobilien sind. Wissenschaftler (wie Lizieri et al. 2000, Pryke 1991, 1994 und Beitel 2000) haben in ihren Untersuchungen über den britischen Immobilienmarkt darauf hingewiesen, dass sich der Immobilienmarkt in London deutlich von denjenigen anderer britischen Städte unterscheidet. Demnach sind in London sowohl die Abstände zwischen Boom und Bust kürzer als auch die Preisausschläge ausgeprägter als in anderen britischen Städten – dabei sind die Preisausschläge für die City of London noch stärker als für den restlichen Immobilienmarkt der Stadt.

3. Ausblick: Und was soll’s?

Nun kann man argumentieren, dass dieses Auf und Ab auf städtischen Büroimmobilienmärkten und der baulichen Entwicklung reichlich wenig mit dem normalen Leben in Großstädten zu tun hat. Das täuscht allerdings. Im innerstädtischen Raum treffen die Folgen einer Integration von Finanz- und Immobilienmärkten aufeinander; dies gilt insbesondere für Zeiten des Booms. In günstigen Zeiten konkurrieren im innerstädtischen Raum Wohnungs- und Bürobau, wobei die Entscheidung häufig zugunsten der Büroprojekte geht, da dies eine höhere Ausnutzung von Flächen – und damit höhere Renditen – ermöglicht. Krisenzeiten können aber für den Wohnungsbau günstig sein, denn in einzelnen innerstädtischen Lagen kann die Flaute auf dem Büromarkt dazu führen, dass die Entscheidung zugunsten von Wohnungsraum fällt. In einem Bericht zu Leerstand und Krise in Hamburg wird 1995 berichtet, dass »Je mehr sich die Büromieten der Untergrenze von 30 Mark pro Quadratmeter nähern, desto eher erscheint das Geschäft mit gehobenen Unterkünften als vernünftige Alternative« (Der Spiegel 1995, S. 242). Auch wenn gehobene Wohnprojekte dann häufiger werden und vernünftig erscheinen, so werden damit keine Spielräume für einen Wohnungsbau für niedrige und mittlere Einkommen eröffnet. Solange es keine Intervention und Vorgaben durch die Stadtplanung gibt, sind innerstädtische Flächen für Büroprojekte oder gehobenen Wohnungsbau reserviert – aber keinesfalls für günstigen Wohnraum.

Battery Park City, New York, 2008, Foto: ZeroOne
Battery Park City, New York, 2008, Foto: ZeroOne

London Docklands, 2005, Foto: Arthur Guy
London Docklands, 2005, Foto: Arthur Guy

Die Aufwertung des innerstädtischen Raums, der in der öffentlichen Rezeption mit einer äußerst positiv besetzten städtischen Renaissance einhergeht, wird auch mit der Realisierung von Großprojekten auf innerstädtischen industriellen Konversionsflächen unterstützt. Damit soll das Image von wohlhabenden, dynamischen, wachsenden und innovativen Städten geschaffen werden. Es ist dabei zu beachten, dass städtebauliche Großprojekte nicht selten – insbesondere in Bezug auf architektonische Highlights – erst mit Veränderungen auf dem Immobilienmarkt und bei der Finanzierung von Immobilien möglich wurden. Die großen Kapitalsummen, die zur Realisierung dieser Projekte benötigt werden, setzen internationale Investoren voraus, die bereit sind, ihr Kapital in aussichtsreichen Projekten anzulegen. Denn erst durch Finanzinnovationen und internationale Anleger wurde es häufig möglich, Projekte in den Ausmaßen von Großprojekten umzusetzen. So argumentieren Anne Haila und Robert Beauregard, dass Projekte wie der Potsdamer Platz, die Docklands oder Battery Park City in New York City erst durch Finanzinvestoren rund um die Welt möglich wurden (Beauregard/Haila 1997, S. 336). Insbesondere in innerstädtischen Lagen ist die gebaute Umwelt also von den Irrungen und Wirrungen des Finanz- und Immobilienmarktes beeinflusst. Je nachdem über welche Kaufkraft wir jeweils verfügen, mag uns das als Segen oder als Fluch erscheinen. Für den größeren Teil der städtischen Bevölkerung wird es wohl jedoch eher ein Fluch sein.

Fußnoten


  1. Natürlich sind diese Finanzinnovationen nicht vom Himmel gefallen. Vielmehr sind sie ein Ergebnis von Veränderungen im Finanzsystem. Von zentraler Bedeutung hierbei ist das Ende des Bretton-Woods-Systems mit seinen festen Wechselkursen. Im Zuge dessen wurde das Finanzwesen allmählich zu einem zentralen Träger wirtschaftlicher Veränderungen. Viele Regierungen gaben die Kontrolle der Kapitalbewegungen zugunsten eines marktregulierten Systems auf, in dem die internationalen Kapitalflüsse freigegeben wurden. Als Folge dessen werden Kapitalflüsse immer weniger durch das nationale Zinsniveau – bezogen auf die Herkunft des Investitionskapitals – und die Rendite aus produktiven Investments gelenkt, sondern immer mehr durch jene Renditen, die bei einer Anlage am globalen Finanzmarkt und in Finanzinnovationen (wie z.B. REITs, Subprime Morgage Bonds, Collaterized Debts Swaps etc.) erzielt werden können. ↩︎

  2. Bei offenen Immobilienfonds ist die Anlage in Immobilien mit geringen Summen möglich, mit der Folge, dass inzwischen viele Privatanleger »Investoren« sind. In dem Beitrag hier wird jedoch eine Trennung beibehalten: zwischen institutionellen Investoren (z.B. Fonds, Unternehmen), die in Fonds investieren, und Privatanlegern, die nun mit den neuen Möglichkeiten, die der Finanzmarkt bietet, nicht mehr ihr Geld nur in Sparbüchern anlegen, sondern in Anlageprodukte wie Fonds. Auf diese Weise trugen Privatanleger zum Wachstum und Bedeutungsgewinn der institutionellen Investoren bei. ↩︎

  3. Wie man allerdings im Falle der Subprime-Krise, die sich 2007 in den USA entfaltete und spätestens 2008 zu einer globalen Finanzmarktkrise auswuchs, erkennt, schätzten viele Investoren die Risiken ihrer Anlageentscheidung in komplexe derivate Finanzprodukte falsch ein. Ihre Anlage in verbriefte Hypothekenkredite erwies sich 2008 als nicht mehr liquidierbar und trug zum Kollaps bzw. Beinahe-Kollaps großer Finanzdienstleister bei. ↩︎


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Literaturliste

Beauregard, Robert A. & Haila, Anne (1997): The Unavoidable Incompleteness of the City. In: American Behavioral Scientist, Vol. 41, No. 3, S. 327 — 341.
Beitel, Karl (2000): Financial cycles and building booms: a supply side account. In: Environment and Planning A, Vol. 32, S. 2113 — 2132.
Coakley, Jerry (1994): The integration of property and financial markets. In: Environment and Planning A, Vol. 26, S. 187 — 198.
Der Spiegel (1995): Bauen im Schweinezyklus. Nr. 39, S. 242 — 245.
Heeg, Susanne (2004): Mobiler Immobilienmarkt? Finanzmarkt und Immobilienökonomie. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie (2), S. 124 — 137.
Huffschmid, Jörg (2007) (Hg.): Finanzinvestoren: Retter oder Raubtiere? Neuer Herausforderungen durch die internationalen Kapitalmärkte. Hamburg: VSA.
IZ Aktuell (2010): Umfrage: Notverkäufe von Immobilien werden weiter zunehmen. In: Immobilienzeitung vom 7. Juni 2010.
Leitner, Helga (1994): Capital markets, the development industry, and urban office market dynamics: rethinking building cycles. In: Environment and Planning A, 26, S. 779 — 802.
Ling, David C.; Naranjo, Andy (1999): The Integration of Commercial Real Estate Markets and Stock Markets. In: Real Estate Economics, Vol. 27 (3), S. 483 — 515.
Lizieri, Colin; Baum, Andrew & Scott, Peter (2000): Ownership, Occupation and Risk: A View of the City of London Office Market. In: Urban Studies, Vol. 37 (7), S. 1109 — 1129.
Lütz, Susanne (2002): Der Staat und die Globalisierung von Finanzmärkten. Regulative Politik in Deutschland, Großbritannien und den USA. Frankfurt am Main: Campus.
Pryke, Michael (1991): An international city going »global«: spatial change in the City of London. In: Environment and Planning D: Society and Space, Vol. 9, pp. 197 — 222.
Pryke, Michael (1994): Looking back on the space of a boom: (re)developing spatial matrices in the City of London. In: Environment and Planning A, Vol. 26, S. 235 — 264.