Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Die beiden GraffitistInnen Alexander Brener und Barbara Schurz palavern, wie sie es selbst im Vorwort nennen, in ihrem neuen Buch »Tattoos auf Gefängnissen« über politische Kunst, über Graffiti, über Revolution, über Widerstand. Das tagebuchartig geschriebene Buch berichtet über Störaktionen bei Vernissagen, über Auftritte bei Widerstands-Kunst-Veranstaltungen, bei denen es den beiden offensichtlich regelmäßig gelingt, einen mittleren Skandal zu verursachen, über Alltagsbeobachtungen etc. Dazwischen gibt es Einschübe mit theoretischen Überlegungen und vor allem Kritik am Kunstestablishment.
Ich muss einmal vorausschicken, dass ich in der Kunstszene nicht wirklich zuhause bin, mir aber ganz gut vorstellen kann, dass die beiden AutorInnen mit ihrer Kritik und ihrem Hass richtig liegen. Was ich aber weniger verstehe, ist der Umstand, dass sie offensichtlich doch sehr gerne ein anerkannter Teil dieser Szene wären. Da stören sie eine Vernissage in der Sezession, indem sie ein Graffiti an die Wand sprayen, und beschweren sich, dass der Standard in einem Bericht tags darauf ihre Namen nicht erwähnt. Ein ähnlicher Vorfall ereignet sich in Ljubljana, wo sie sich mokieren, dass die Kunstzeitschrift Springerin nicht über sie berichtet. An einer anderen Stelle beklagen sie sich, dass sie auf Vernissagen nicht gegrüßt werden. Für Leute, die eine Kulturrevolution fordern und ihre Kunst als Sabotage am Kunstbetrieb sehen, doch etwas wehleidig. Ärgerlich wird diese Haltung, wenn sie eine polemische Kritik des Falters an ihrem Buch »Was tun?« in eine Reihe mit der Aussage »Alle Schwarzen sind Drogendealer« stellen. So kritisch sie der Kunstszene gegenüberstehen, so euphorisch bekennen sie sich dazu, AnarchistInnen und AnhängerInnen des Anti-Corporate-Movements (bekannt unter der missverständlichen Bezeichnung »Antiglobalisierungsbewegung«) zu sein. Was ja schön und gut sein mag, doch manchmal schien mir während der Lektüre, dieses ständige Bekenntnis ist nur Teil einer Strategie, einen Distinktionsgewinn einzufahren. Ich hätte es ganz spannend gefunden, wäre auch die »AnarchistInnen-Szene« und Methoden wie die »Direkte Aktion«, die die AutorInnen bejubeln, einer Kritik unterzogen worden.

Trotz all meiner Kritik muss ich sagen, dass das Buch wunderbar großspurig und sympathisch durchgeknallt daherkommt und sich sehr gut liest. Eines wollte ich noch erwähnen: Der ekelhafte Mann hieß G.G. Allen und nicht J.J. Allin. Dieser kleine Fehler ist möglicherweise ein Zeichen dafür, dass die AutorInnen mit dem Namedropping vielleicht doch etwas übertrieben haben.

Alexander Brener, Barbara Schurz
Tattoos auf Gefängnissen (Notizen zweier GraffitistInnen)
Wien 2001 (Edition Selene)
287 S. (deutsch/russisch)
ATS 246,-


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