transparadiso


10.01.2000:

wir fahren in einem minivan von santiago nach valparaíso, durch die küstencordillere, trinken unterwegs einen »mote con huesillo« (ein getränk mit eingelegtem, getrocknetem pfirsich und getreide), im radio werden zu seichter Unterhaltungsmusik der frühen sechziger kontinuierlich berichte über die Wahlvorbereitungen sowie die wahlslogans der beiden kandidaten, dem linksgerichteten lagos und dem rechtsaußen lavin gebracht. die stimme des moderators klingt dabei wie die eines märchenerzählers. der schriftzug von lavin begleitet uns während der fahrt auf felswänden, hängen und – sobald wir uns valparaíso nähern – auch auf mauern der armen-wohnvierteln. er bezahlt, wie uns schon auf der fahrt erklärt wird, die armen dafür, dass sie seine wahlwerbung aufmalen, und gilt als garant, dass den militärs auch nach pinochet nichts geschehen sollte. dieser sollte nun endlich von england ausgeliefert werden.

die einladung zu einem internationalen architektursymposion nach valparaíso/ chile, die von antonio angelillo, architekt in mailand und bruno barla, arqval/ chile, initiiert wurde und in kooperation mit den drei architekturfakultäten der stadt valparaíso stattfand, sollte für uns anlass für bis dato zwei zusammenhängende Stadtinterventionen werden, die sich in unseren forschungsbereich zwischen künstlerischem und urbanem handeln eingliederten.
valparaíso sollte zum weltkulturerbe durch die unesco (patrimonio de la humanidad) erklärt werden. aus diesem aktuellen anlass fand eine umfassende diskussion über themen wie »denkmalschutz« und »patrimonio« statt, die sich in der vergleichsweise »jungen« geschichte chiles (sieht man von den ursprünglichen einwohnerInnen ab, deren spuren im gebautem raum nicht mehr sichtbar sind) und seiner aktuellen kulturellen und politischen Situation völlig anders als vor unserem europäischen hintergrund stellen.

urbane konsumenten

11.01.2000:

angekommen in valparaíso: eine unglaublich schöne bucht erstreckt sich halbkreisförmig um den hafen. es ist hochsommer und der wind leitet uns wie ein freund durch die von erdbebentechnisch einzigartigen bautechnischen besonderheiten nur so strotzende altstadt. unzählige aufzüge bewegen sich auf und ab, von und zu den steilen hängen. es wurde uns ein film aus den fünfzigerjahren gezeigt, mit texten von chris marker, in dem über die unzähligen stufen immer wieder mühselig das wasser hinaufgeschleppt wird.

das offizielle programm war eine mischung aus roundtable-gesprächen, einführungen in die lokale architekturszene und eine auseinandersetzung mit dem thema patrimonio sowie die obligaten workshops für studentInnen bzw. junge absolventInnen, die hauptsächlich aus italien, aber auch aus tschechien und chile kamen. die europäischen »expertInnen« waren eingeflogen, um den chilenischen kollegInnen aufgrund der langjährigen europäischen tradition in denkmalschutz bei der entwicklung von projekten »nachhilfe« zu geben. wir fanden uns so also nicht nur mit der kolonialgeschichte lateinamerikas konfrontiert, sondern auch mit einer sehr aktuellen diskussion über »wissenstransfer«, selbstverständlich ohne dass dieser aspekt thematisiert wurde. der transfer erschien uns einseitig gerichtet, nämlich – wie man sich denken kann – von mitteleuropa nach chile.
edward said beschreibt in seinem text »experten und amateure«, wie sich »intellektuelle vorstellungen im handeln selbst offenbaren«, nämlich indem »... der intellektuelle als amateur die professionelle routine, in der die meisten von uns gefangen sind, durchbrechen und in etwas viel lebendigeres und radikaleres verwandeln (kann).«[1] diese hinterfragung der rollenverteilung im spiel städtebaulichen handelns ist ausgangspunkt unserer urbanen interventionen. der architekt und die urbanistin sind dabei nicht mehr die »expertInnen« kraft ihres wissens, sondern müssen sich als expertInnen im neuen sinn des bewussten »amateurs« erst erweisen. in diesem verständnis sind sie angehalten, die position des überblickens aus der sicheren distanz der planung zu verlassen, und sich in die konkrete situation der »konsumentInnen«, der stadtbenutzerInnen, zu begeben. durch diese erfahrung können sie – als außenstehende – bewusst das risiko auf sich nehmen, sowohl unorthodoxere handlungsweisen als auch wirklich radikalere, im sinne von »an der wurzel packende«, ansätze zu provozieren. erwartungshaltungen der gast- oder auftraggeberInnen müssen dabei notwendigerweise zuerst einmal ausgeblendet werden, um dann dekonstruiert und über die hintertür anders »beantwortet« werden zu können.
der ausgangspunkt sowohl für die entwicklung des projektes mit den studentInnen/ jungen absolventInnen im rahmen des workshops als auch in unserem zweiten projekt, das wir im diesjährigen chilenischen sommer (feb 2001) durchführten, war also die grundlegende frage nach der rolle des urbanismus als gesellschaftsentwickelnder, zusammenfassender und gleichzeitig widersprüchlicher akt. und konkret: welche stimme können sich die einwohnerInnen von valparaíso in diesem zusammenhang selbst aneignen, ohne das allgegenwärtige europäische bild von denkmalschutz zu wiederholen?

vaterschutz und veradelung

in »patrimonio« klingt die sehnsucht nach vergangener glorie der jahrhundertwende an, als die hafenstadt valparaíso vor dem bau des suez-kanals wichtiges handelszentrum war. seither ist die stadt wirtschaftlich ausgetrocknet. trotzdem ist gegenüber besonders »gut gemeintem« schutz, der der stadt zu neuer blüte verhelfen soll, besondere skepsis geboten.

14.01.2000:

ein amerikanischer »investor« in valparaíso stellte sich bei genauerer betrachtung nur als »fundcollector« heraus, indem er foundations, die für valparaiso für förderungen in frage kommen könnten, sammelt, selbst aber kein kapital zur verfügung hat. durch sein wissen über mögliche förderungen akkumuliert er zunehmend einfluss auf die entwicklung der stadt. im rahmen der panel discussions des symposions referierte er über gentrification als »veradelung«, und die glanzvollen perspektiven für ein »sauberes« valparaíso.

trotz der politischen und wirtschaftlichen bedeutung von valparaíso setzte in den fünfzigerjahren eine massive abwanderung in richtung vina del mar ein. es war nicht mehr chic, mit den aufzügen zu fahren, und es war zu mühsam, das wasser zu den villen auf den berg zu schleppen.[2] die stadt valparaíso homogenisierte sich also in richtung arm. für uns stellte sich daher die frage, warum denn nur ein solch kleines gebiet (um die plaza la matriz, die für uns in weiterer folge noch von bedeutung werden sollte) statischer fokus der schutzzone sein sollte, anstatt das entwicklungspotenzial der gesamtstadt, auch in bezug auf vina del mar, einzubeziehen und »denkmalschutz« als dynamischen prozess eines sozialen und kulturellen gefüges zu betrachten.
im traditionellen städtebau wird jedoch immer noch von festschreibbaren, anzustrebenden endzuständen ausgegangen. das holistische bild von oben ersetzt meist sowohl bei neuplanungen als auch bei revitalisierungsprojekten die frage nach den konsumentInnen der stadt. in unserem urbanen denken sollen jedoch die emanzipierten nutzerInnen zu konsumentInnen werden, indem sie durch anders gerichtete interventionen eine eigene stimme und somit, nach michel de certeau, auch eine produktionskraft zugestanden wird.[3] de certeau stellt die frage, was die konsumentInnen aus dem gebrauch der fernsehbilder, und in weiterer folge des städtischen raumes, »fabrizieren«. diese fabrikation ist nach de certeau eine poetische produktion, die allerdings anders geartet ist. »das gegenstück zur rationalisierten, expansiven, aber auch zentralisierten, lautstarken und spektakulären produktion ist eine andere produktion, die als »konsum« bezeichnet wird: diese ist listenreich und verstreut, aber sie breitet sich überall aus, lautlos und fast unsichtbar, denn sie äußert sich nicht durch eigene produkte, sondern in der umgangsweise mit den produkten, die von der herrschenden ökonomischen ordnung aufgezwungen werden.«[4]

13.1.2000:

besuch der verschiedenen universitäten valparaísos. wir sind hauptsächlich interessiert an der universidad catolica, die in den Siebzigerjahren eine neuartige methodik einer didaktik im besten sinne entwickelt hat, die in der »ciudad abierta« (»offenen stadt«) in ritoque, das ca. 30 km von valparaíso entfernt ist, umgesetzt wurde. die universität kaufte grundstücke, auf denen mit und durch die studentlnnen objekte und gebäude 1:1 gebaut wurden. ein großer teil der entwürfe wurde von den studierenden selbst ausgeführt, sollte aber auch von ihnen selbst angeeignet werden. - alberto und fabio cruz, die gründer der ciudad abierta, sind jedoch mit all ihrem charisma ein bisschen alt geworden. die entscheidende, scheinbar polemische frage wurde uns dann nämlich in der universidad tecnica von einem journalisten gestellt: was wir denn unter denkmalschutz stellen wollten - die armut?

diese aussage diskreditierte für uns endgültig das an uns herangetragene thema in der vorgegebenen form. er brachte mit diesem satz erstmals die klare position eines »emanzipierten lokalexperten« ins spiel. es war uns seitdem also - sogar von außen legitimiert - unmöglich, weiterhin den anbiedernden und romantisierenden bestrebungen von patrimonio zu folgen. die workshopteilnehmerInnen, meist engagierte italienische absolventInnen bzw. chilenische studentInnen[5], waren überdies interessiert an relevanteren strategien, als wieder im herkömmlichen sinn altstadtsanierungsthemen zu bearbeiten. sie sehnten sich vielmehr nach etwas, was sie noch nie gemacht hatten, nach einem abenteuer mit offenem ausgang und nachhaltiger wirkung statt einer absehbar perfekt designten schnellplanungsschlusspräsentation bekannten formats.
der ort unserer intervention wurde uns dann im vorbeigehen geliefert: der hogar maria goretti, ein heim für mädchen auf dem cerro cordillera, der zwar fernab der schutzzone lag, jedoch aus anderen gründen für die stadt als »schützenswert« galt. im gleichen block befand sich eine arbeiterInnensiedlung in lamentablem zustand, die eine industrielle am beginn des zwanzigsten jahrhunderts als damals herausragende initiative für ihre arbeiterInnen errichtet hatte, sowie eine verfallene holzkirche. der ort war perfekt geeignet, um einen wichtigen aspekt unserer intervention zu verankern: nämlich das verhältnis von präzisen und konkreten interventionen in bestimmten vierteln außerhalb des zentrums zu übergeordneten planungskonzepten sichtbar zu machen.

verständigung und missverständnis

statt schutz zum thema zu erheben, sollte ein (aus)tausch, auch auf ökonomischer ebene, provoziert werden. der ausgangspunkt war, den begriff von produktion in form einer real-aktion in das urbanistische handeln einzuführen. der so genannte kreative akt wurde an die mädchen des heims delegiert. die ursprüngliche idee, einen nutzgarten mit den mädchen zu initiieren, den sie pflegen würden, und dessen gewinn sie abschöpfen könnten, entwickelte sich im laufe der gespräche in eine andere richtung. die mädchen zeigten großes interesse an unseren cameras und so entstand die idee, einen film zu machen, bei dem sie alle rollen bekleiden würden: schauspielerinnen, regisseurinnen und kamerafrauen. die workshopleiterInnen und teilnehmerInnen waren die koordinatorInnen und assistentInnen, die »tias« (tanten) des heims interessierte beobachterinnen. die ansonsten geschlossenen tore des heims wurden geöffnet, die straße wurde für einen tag zum set. so entstand das videoprojekt »lady arriba«. die polizei zeigte sich großzügig und räumte die von uns mit stühlen abgesperrte straße erst, als die dreharbeiten abgeschlossen waren. das video wurde von den studentInnen über nacht geschnitten und im tac (taller de acción comunitaria, einem gerneindezentrum in der nähe des hogars) und bei der schlussausstellung präsentiert. die tatsächliche intervention dauerte also - abgesehen von der vor- und nachbereitung - nur einen tag, hatte aber - wie sich bei unserem diesjährigen projekt herausstellte - die angestrebte nachhaltige wirkung hinterlassen. der gewinn, einen tag eine andere rolle zu leben und somit einen spezifischen sozialen und kulturellen raum zu produzieren, war für alle beteiligten, inclusive der journalistInnen, der mitarbeiterInnen des stadtplanungsamts und der anderen besucherInnen, auf einer ökonomisch nicht quantifizierbaren ebene wertvoll.

26.02.2001:

rückkehr nach valparaíso: entgegen den befürchtungen, dass der neue präsident lagos nach seinem wahlsieg nicht die kraft haben würde, die alt eingesessenen militärs und sonstigen erben der junta pinochets in die sehranken zu weisen, zeigten sich bereits die ersten früchte seiner regierung: so auch aufbruchstimmung allerorts in den ministerien, mit denen wir im laufe unseres projektes zu tun hatten.

wir erfuhren, dass der antrag valparaísos, als weltkulturerbe von der unesco aufgenommen zu werden, von der internationalen kommission in paris abgelehnt worden war, da die sozialen aspekte in den eingereichten entwicklungskonzepten zu wenig bis gar nicht berücksichtigt worden waren.

als wir in den wiener winter 2000 zurückgekehrt waren stellte sich die frage: wie weiter? »lady arriba« sollte nicht als isolierbares einzelevent im städtischen alltagsgeschehen verschwinden, sondern als teil eines nächsten schrittes einer breiteren öffentlichkeit, z.b. auch der kulturinteressierten bevölkerung im benachbarten vina del mar, vermittelt werden. wir nahmen also mit paz undurraga, die sich aktiv bei den »ciudadanos por valparaíso« (einer der raren bürgerInneninitiativen) engagiert und michael bier (beide von pacific architecture) in valparaíso kontakt auf, um das projekt auf dem stand der neueren entwicklungen der stadt fortzusetzen.

deseo urbano

wieder begannen wir eine intervention unbekannten ausgangs. die rückkehr an den ort des letztjährigen geschehens war gleichzeitig die eröffnung unseres neuen projektes. der fliesenboden des atriums im mädchenheim hatte im ersten jahr sofort unser interesse auf sich gezogen. er war künstlerischer ausdruck einer beiläufigen alltagsgestaltung, ohne architektInnen, in der der pragmatismus der verwendung von gespendeten restfliesen von poetischer eigenwilligkeit begleitet war. diesen boden, auf dem auch die erste begegnung der mädchen mit den cameras stattgefunden hatte, wählten wir als verbindendes element zwischen unseren beiden interventionen. so zeigten wir auch das video »deseo por venir«, das wir mit dem material von »lady arriba« erarbeitet hatten, als großprojektion zuerst im hogar maria goretti, und dann auf der plaza la matríz, also mitten im zentrum des geplanten patrimonio-gebietes. danach luden wir zur teilnahme an »deseo urbano«, einem urbanen spiel, ein.
für das spielkonzept machten wir uns die dynamik des aufbaus von gesellschaftsspielen zunutze, um urbane prozesse zu initiieren, die sich einer genauen planbarkeit von außen/oben entziehen sollten. sie sollten stattdessen möglichkeiten des wünschens und des verhandelns eröffnen. die leidenschaft der spielerInnen zu entfachen, bedeutet, das aktive sich-involvieren und freisetzen von kampfestust zu wecken. wer sich mit wem verbündet oder sich von wem abgrenzt, zeugt von verschieden gelagerten interessen ... die »ergebnisse« des spiels sollten wiederum als grundlage für einen diversifizierten planungsprozess herangezogen werden können. »deseo urbano« funktioniert also sowohl über den zufall (würfeln) als auch über das erfüllen von aufgaben, in diesem fall fragen zu stellen oder wünsche zu formulieren. es besteht aus einem spielplan (grundriss der stadt valparaíso, der in 240 felder unterteilt ist) und 240 spielkarten, die sich als puzzle zu einem bild formieren. bei einer bestimmten würfelkonstellation kann der spieler einen wunsch für einen konkreten ort der stadt äußern, und diesen auf einer karte notieren. die wünsche können in drei kategorien geäußert werden, die nicht den üblichen städtebaulichen aspekten entsprechen, nämlich »salmon« (lachs, steht im weitesten sinn für alles, was mit genuss zu tun hat), »adelante« (vorwärts, für kommunikation, auch geldverkehr etc.) und aparición/ apariencia (erscheinung, für oberfläche, licht, materialien). die dynamik des spiels entwickelte sich denn auch zunehmend spannend, wenn bereits wünsche für bestimmte orte gehortet werden mussten, weil das glück den würfeln nicht hold war. wir führten deshalb für die schlussrunde noch einen extrawunsch, der die gesamte stadt betreffen sollte, ein, sodass jedeR spielerIn zumindest noch diese gelegenheit hatte, seinen/ihren wunschstau zu reduzieren.
die orte des spiels wurden in kooperation mit paz undurraga gewählt und vorbereitet. sie setzten sich aus öffentlichen orten (parks, cafés, restaurants) ebenso wie aus den für das projekt relevanten ministerien (MINVU, ministerium für wohnhau und urbanismus; bienes nacionales, nationalgüter, d.h. die staatlichen besitze, die vor allem jetzt für kulturelle zwecke genutzt werden, etc.) und der neu gegründeten spezialabteilung für patrimonio zusammen. die öffentlichen spieltermine wurden plakatiert und in der zeitung angekündigt. die wünsche und fragen, die im laufe der spiele entstanden, wurden auf postkarten = spielkarten eingetragen, die, als broschüre zusammengefasst, daniel sepulveda, dem direktor des MINVU), bei der schlusspräsentation in der biblioteca san severino übergeben wurden.

2010

wollen wir von spiel sprechen, muss ein gewinn versprochen worden sein. was war also der mögliche gewinn bei »deseo urbano«? die spiellust der teilnehmenden spielerInnen und der spielleitung war sichtbar entfacht worden - und diese sprach sich auch herum, sodass sogar der bereits erwähnte amerikanische »förderer« noch zu einem nicht geplanten sonderspieltermin ins haus von paz undurraga und michael bier kam. der gewinn war weiter gefasst zu betrachten als die symbolische mozartkugel, die wir als selbstironischsüße reduktion eines touristischen images verteilten, das valparaíso so nicht wiederholen sollte.

2010 wird das zweihundertjährige jubiläum chiles stattfinden. dies ist für die neue regierung anlass und ansporn, ambitiöse programme durchzuführen, die uns - vor allem unter der derzeitigen politischen situation in österreich - mit neid und bewunderung auf chile blicken lassen können. kaum haben wir hier in österreich die erfahrung gemacht, dass unkonventionelle planungsstrategien mit solchem interesse und widerhall aufgenommen wurden, wie z.b. »deseo urbano« von daniel sepulveda des MINVU. soweit es trotz der geografischen entfernung möglich ist, werden wir also für konkrete situationen in valparaíso neuerlich »spiele« im weitesten sinne als »planung: direkt« verwirklichen. auf diese art können stadtbefindlichkeiten unter anderen aspekten, als sich in den dienst des üblichen autoritätsgefälles zu stellen, das der profession des urbanistInnen eigen ist, entwickelt werden.

transparadiso: seit 1999, initiiert von paul rajakovics und barbara holub, plattform für beabsichtigte und unkalkulierte zwischenfälle zwischen kunst, architektur und urbanismus mit regelmässigen ausflügen in randgebiete

abbildungen:
1 bruno barla's einführung in die geschichte und geografie chiles, universidad católica, 2000

2 abspann des video-projektes , »lady artiba« mit den mädchen des hogar »maria goretti«, gemalt von den teilnehmerInnen des workshops, 2000

3 librería ivens, mit dem plakat für »deseo urbane«, 2001

4 rückseite der postkarte, die einerseits als ankündigung für die videoprojektion diente, und gleichzeitig spielkarte für die formulierung der wünsche war

5 die mädchen des heims beim ausprobieren der cameras, 2000

Fußnoten


  1. edward said: götter, die keine sind. der ort des intellektuellen. berlin verlag. 1997, s. 26 ↩︎

  2. valparaíso hat bezüglich des sozialen gefüges eine sonderstellung: es gibt weniger als in anderen lateinamerikanischen städten die sonst übliche segregation zwischen armen und reichen. im durchschnitt könnte man die bevölkerung valparaísos als arm bezeichnen, jedoch zählt man mit dem lokalen blick den großteil der einwohnerInnen zum mittelstand. (ca 3000 S/monat). ein spezifisches phänomen von valparaíso, dem »tal des paradieses« ist es, dass sich die häuser des mittelstands mit jenen der armen auf den hügeln der stadt oft verweben. der unterschied besteht dann darin, ob das haus von einer befestigten straße mit dem auto zugänglich ist. oder auf der steilen seite des abhangs so dürftig verankert ist, dass es bei einem regenguss weggeschwemmt werden kann. die favelas/ »unauthorized settlements« erstrecken sich weit in die täler und bergrücken in das landesinnere hinein, sind aber (illegal) an das strom- und wassernetz angeschlossen. ↩︎

  3. diese haltung entwickelt sich aus dem marxistischen produktionsbegriff, wovon sich auch die raumtheorien von henri lefebvre ableiten. siehe z.b. »la production de l‘espace«. ↩︎

  4. michel de certeau »die kunst des handelns«, merve verlag berlin, 1988, s. 13 ↩︎

  5. die workshopteilnehmerInnen waren: mariacristina garavelli, francisco jara gomez, mariagrazia cenciarelli, dimitri chatzipetros, isabella sassi, felix caceres, valentina mazzotti, giulia savi, marcella isola, ingrid taro, paula nolff ↩︎


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