Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Schon vor einiger Zeit ist die Nullnummer der Zeitschrift station erschienen. Das „Medium für öffentliche Kunst“ nennt seine erste Ausgabe Stadtraum Kunstfeld Golfplatz und meint damit den Gürtel in Wien. Der Wiener Gürtel war auch in dérive einmal Schwerpunktthema (Heft 1) und zum Teil tauchen hier dieselben Themen (Gentrification, Transparenz) wieder auf. Beatrix Zobl schreibt im Editorial: „Unser besonderes Interesse in station gilt deshalb auch der Frage, welche Rolle Kunst- und Kulturprojekte bei Stadtveränderungen spielen können.“ Den Kunst- und Kulturprojekten, die am Gürtel entstanden sind, widmet das Heft einen eigenen Teil. Da darf SOHO in Ottakring natürlich genauso wenig fehlen wie Trans Wien oder das Café Carina, aber auch die im Rahmen des EU-geförderten Urbanprojekts geplanten, aber nicht realisierten Projekte, bleiben nicht unerwähnt. Den durchwegs lesenswerten Artikeln von z. B. Gerald Raunig, Roman Freihsl, Christa Veigl, Franziska Leeb und Stella Rollig steht ein etwas fragwürdiger „Inseratteil“ zur Seite, der keine „normalen“ Anzeigen, sondern u. a. Interviews mit den inserierenden (öffentlichen) Stellen, enthält. Bereits im 19. Jahrgang erscheint die Zeitschrift Zwischenwelt, Literatur – Widerstand – Exil (vormals Mit der Ziehharmonika). Auf den ersten Blick hat eine Besprechung von Zwischenwelt zwar eher wenig in einer Stadtforschungszeitschrift verloren, aber das ist mir jetzt erstens einmal egal und zweitens gab es letztes Jahr (Oktober 2002) ein äußerst gelungenes Doppelheft mit einem Schwerpunkt über den Wiener Mexikoplatz. dérive-LeserInnen werden sich vielleicht an einen Artikel über den Mexikoplatz von Ljubomir Bratic erinnern, der in dérive (Heft 3) erschienen ist, der ist auch in Zwischenwelt zu lesen. In einigen weiteren Beiträgen lässt Ljubomir Bratic BewohnerInnen des Mexikoplatzes über ihr Leben erzählen. Erwin Chvojka schreibt ausführlich über die Geschichte des Mexikoplatzes und seines Umfeldes, Cécile Cordon erklärt das an den Mexikoplatz anschließende Stuwerviertel für „das bunteste, lausigste, lebendigste, schmutzigste, liebenswerteste, verschiedenartigste Viertel von ganz Wien“. Herbert Exenberberger, Johann Koß und Brigitte Ungar-Klein schreiben in ihrem Artikel über die Gemeindebauten rund um den Mexikoplatz und die Vertreibung der jüdischen BewohnerInnen aus ebendiesen während des Nationalsozialismus. Dabei schildern sie auch konkret das Schicksal einiger BewohnerInnen. Weiters gibt es noch eine ganze Reihe von Gedichten, Erzählungen, historischen Berichten, Aufzählungen, die den seit jeher sehr stark von Migration geprägten Mexikoplatz und seine BewohnerInnen in allen möglichen Facetten portraitieren. Begleitet werden die Artikel durch Fotos von Lisl Ponger und Nina Jakl. Eine Empfehlung!
Sehr interessant war letztes Jahr auch der Zwischenwelt-Schwerpunkt Exil in der Heimat – Palästina/Israel. Trotz der ständigen Berichterstattung über den Konflikt in Israel ist das Wissen über die dazugehörige Geschichte ja äußerst gering. Das aktuelle Heft hat den Titel Aufklärung, Gegenaufklärung.

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station – Medium für öffentliche Kunst
Stadtraum – Kunstfeld – Golfplatz
Wien, Nr. 0/2002, EUR 5,-
Kontakt: partnerinnen@chello.at

Zwischenwelt, Literatur – Widerstand – Exil
Schwerpunktheft Mexikoplatz
Wien, Oktober 2002, Euro 8,70
Kontakt: tkg@aon.at


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