Noch ist genug Stadt. Doch das »Städtische« ist ein flüchtiges Medium, das durch allerlei Interventionen und Programme stetig verloren geht. Magisch war dieses Urbane von Anbeginn, künstlich produziert in seinen physischen Beständen, Institutionen, Zeichen, als Ganzes fast deckungsgleich mit dem herrschenden sozialen Raum. Diese Stadt war aber auch voller asozialer Nischen des privaten Wohnens, widerständiger Netzwerke und schmutziger Winkel. Je schmutziger, größer, unübersichtlicher und anonymer, umso »urbaner« waren die alten Städte. Das eigentlich Städtische war nie verfügbar, kein Programm und keine Option, nie mehr oder weniger als ein Nebeneffekt der industriell induzierten Verstädterung, an den Schnittstellen von Luxus und Armut.
Noch ist genug Stadt. Doch das »Städtische« ist ein flüchtiges Medium, das durch allerlei Interventionen und Programme stetig verloren geht. Magisch war dieses Urbane von Anbeginn, künstlich produziert in seinen physischen Beständen, Institutionen, Zeichen, als Ganzes fast deckungsgleich mit dem herrschenden sozialen Raum. Diese Stadt war aber auch voller asozialer Nischen des privaten Wohnens, widerständiger Netzwerke und schmutziger Winkel. Je schmutziger, größer, unübersichtlicher und anonymer, umso »urbaner« waren die alten Städte. Das eigentlich Städtische war nie verfügbar, kein Programm und keine Option, nie mehr oder weniger als ein Nebeneffekt der industriell induzierten Verstädterung, an den Schnittstellen von Luxus und Armut.
8th Baltic Triennal of International Art
14.9.-3.11.2002, Vilnius
Wie Ethnofood, Eventkultur und Cluburlaub orientiert sich nun auch spätkapitalistisches Wohnen vor allem an Themen. Mit thematisch verdichteten Bauvorhaben wie Golfsiedlungen, Teichsiedlungen, Reitsiedlungen, intelligentem Wohnen, autofreien Siedlungen und Ökodörfern locken InvestorInnen ausgesuchte Schichten an. Das marktgerechte Angebot solcher selbstgewählter Wohnghettos gehorcht dem steigenden Wunsch nach vorgefertigten Lebensmodellen. Die Bedeutung von Themensiedlungen liegt daher weniger im Thema selbst als in der synergetischen Konzeption eines exklusiven Wohnmodells für eine limitierte Anzahl von NutzerInnen, in dem ein konformer Lebensentwurf von vornherein inkludiert ist.
Fiktion und Realität gleichen sich immer mehr aneinander an. Die Reißbrettstadt Celebration zum Beispiel ist so virtuell wie eine reale Stadt nur sein kann. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, die dort zu fließen beginnen, sind schon seit einiger Zeit Thema in Theorie und selbstreflexiver Kunst. Filmregisseure wie David Lynch, Jacques Rivette, Abel Ferrara und David Cronenberg haben diese Fragestellung wiederholt bearbeitet. Das Reich der bewegten Bilder ist für sie die passende Plattform, auf der sie Kunst und Leben ständig vermengen.
Die MIPIM versteht sich naturgemäß explizit nicht als cultural studies Workshop, sondern sie ist ganz im Gegenteil vom Blickwinkel der die Planung von städtischen Gefügen zunehmend dominierenden anonymen InvestorInnen(-gruppen) und Entwicklungsgesellschaften gekennzeichnet und reflektiert daher die Mechanismen des internationalen real estate business. Dass NutzerInnen und BewohnerInnen Raum nicht (immer) in der von PlanerInnen vorgesehenen Art aneignen, wird umso interessanter, wenn auch die Erwartungshaltungen der InvestorInnen und DeveloperInnen erkenntlich werden.
Michael Thompson hat vor einigen Jahrzehnten eine Beobachtung, die wir alle machen können, zu einer Theorie verdichtet. Kulturelle Gegenstände stehen in einem zyklischen Verhältnis zu dem Wert, den man ihnen zukommen lässt. Das Bügeleisen der Mutter, das der Sohn achtlos in einer Ecke des Dachbodens »entsorgt«, wird Jahrzehnte später wieder hervorgekramt, weil ein Enkel es »stark« findet. Kulturelle Gegenstände werden nach einigen Jahren entwertet und nach weiteren Jahren wieder aufgewertet.
Die Ausdifferenzierung des Wohnens vom »ganzen Haus« als einer Selbstversorgungseinheit, in der alle Lebensvollzüge in einem Haushalt stattfinden, zum »modernen Wohnen« in der Kleinfamilie vollzog sich als langsamer stetiger Prozess parallel zur Entwicklung der Agrargesellschaft zur Industriegesellschaft. Verdichtete Wohnformen und die Entstehung eines »Wohnungsmarktes« waren im Zuge der Industrialisierung zu einer Notwendigkeit geworden. Die Aufgabe der Wohnraumschaffung wurde von Fabriksbesitzern und Unternehmern wahrgenommen, die sich damit die Abhängigkeit der Arbeitskräfte und die Ansiedlung von Fachkräften aus dem Ausland sicherten. Auf begrenzter Grundstücksfläche wurde Wohnraum für eine große Anzahl von Menschen erbaut. Die Errichtung von Wohnhäusern für die ArbeiterInnen brachte den Unternehmern mehrfache Vorteile: Neben jederzeit verfügbarem und abhängigem Personal erwartete sie zusätzlicher Profit durch die Vermietung der Wohnungen.
Das Dorferneuerungs-Paradebeispiel Katzelsdorf, im südlichen Wiener Becken: Im Interview mit dérive beschreibt Bürgermeister Heinz Eder den Werdegang seines sehr persönlichen Projekts als einen 30 Jahre währenden bottom-up-Prozess und Avantgarde der Dorferneuerung. Verdankt sich die bemerkenswerte Entwicklung der patriarchalen Energie eines charismatischen Gemeinde-Übervaters? Oder wird hier die Handlungsanleitung für die nachhaltige Dorfentwicklung geliefert? Marketing, wird gesagt, hatte man hier jedenfalls nicht nötig: Während andere Gemeinden zum »Fischer«- oder »Bücherdorf« mutieren, scheint »Katzelsdorf« durch breite Medienpräsenz zur Marke an sich geworden zu sein.
Wie viele andere Sparten, so ist auch der Wohnbau zunehmend marktwirtschaftlichen Gesetzen und Regeln unterworfen. Das Angebot und die Nachfrage stellen die Basis eines solchen Systems dar. Um sich als WohnungsanbieterIn am Markt behaupten zu können, reicht es längst nicht mehr aus, bloß eine Wohnung anzupreisen. Mit Themen, die das Wohnen erweitern sollen, wird versucht, Projekte attraktiver zu machen, um sie letztendlich besser verkaufen zu können. Man begibt sich also auf die Suche nach Themen und fasst diese in griffige Schlagworte. Es entstehen präzise durchdachte Werbekonzepte, und längst schon wurde die zu verkaufende Wohnung durch eine Reihe von Themen, die sie begleiten, aus dem Mittelpunkt des Interesses der KäuferInnen verdrängt.
Das Bild ist einprägsam. Ein einfaches und schmuckloses Haus, mit praktikabler Raumausnutzung auf kleinster Fläche, eines von vielen im Häusermeer Tokios. Die in gutem Zustand befindlichen Tatamimatten fliegen in weitem Bogen durch die Fensteröffnung im ersten Stock auf die Ladefläche eines davor stehenden Kleintransporters. Einen Schwenk weiter sieht man, wie Versatzstücke französischer Lebensart aus einem Minivan wandern und vorsichtig in das Hausinnere befördert werden. Spitzenvorhänge, weiß lackierte Holzmöbel, gusseiserne Kandelaber, Blumenvasen, begleitet vom strahlenden Glück des im Eingang stehenden Paares.
»Die Entwicklung neuer Dienstleistungen im Zusammenhang mit individuellen Wohnaspekten führt zu einer umfassenden Neudefinition des Wohnbegriffs. Wohnen als die Summe individueller Bedürfnisbefriedigung, realisiert durch die Ausformung der gebauten Umwelt und das Angebot lebensstilspezifischer und zielgruppenorientierter Dienstleistungen.« So lässt sich das Phantasma gegenwärtigen Wohnbaus zusammenfassen; sein Ziel ist marktgängig und entspricht einem breiten common sense, gleichzeitig ist es utopisch und greift nach den Sternen. Das Versprechen individueller Bedürfnisbefriedigung erscheint visionär, die Art und Weise seiner Einlösung lässt die Schwierigkeiten erkennen. Das Individuum wird reduziert und festgelegt auf einen Lebensstil, definiert als Zielgruppe; der Anspruch umfassender Bedürfnisbefriedigung wird den Erfordernissen einer marktgerechten Logik untergeordnet. Wahrscheinlich eignet sich das Ziel selbst jedoch nur schlecht als unmittelbare Handlungsanleitung.
Das Projekt »Sargfabrik« ist ein Wohn- und Kulturprojekt, das aus einem Kreis an Interessierten entstanden ist, der sich zum »Verein für integrative Lebensgestaltung« zusammengeschlossen hat und – in Österreich ziemlich einzigartig – als Bauträger aufgetreten ist. Was dabei auf dem Gelände einer alten Sargfabrik in Wien Penzing in der Matznergasse entstanden ist, ist eine multifunktionale Wohnanlage, in die unterschiedlichste Kultureinrichtungen (Veranstaltungs- und Seminarraum, Kindergarten, Badehaus, Lokal) und Gemeinschaftsräume integriert sind. Das von BKK-2 geplante »Wohnheim«, das nun mittlerweile in die Jahre geht – Fertigstellung war 1996 – ist in Architekturkreisen weithin bekannt, das Kulturzentrum ist fixer Bestandteil des Wiener Kulturlebens. Seit gut zwei Jahren gibt es einen Ableger in nächster Nähe der »alten« Sargfabrik: die MISS Sargfabrik in der Missindorfstraße. Unabhängig davon ist nun ein weiteres sehr ähnlich aussehendes Projekt entstanden: das Impulszentrum IP.ONE in Wien Favoriten, ein Gewerbezentrum mit Gemeinschaftseinrichtungen, geplant von BKK-3 – in Nachfolge von BKK-2. Und ob der großen Nachfrage treten Know-how-Träger der Sargfabrik nun auch in einem eigens gegründeten Verein als Projektentwickler auf.
Im Jahre 1494 vollzieht sich ein symbolisch folgenschweres Ereignis. Im Zuge einer Invasion der französischen Armee in Italien wurden Geschützbatterien eingesetzt, die innerhalb weniger Stunden die Stadtmauern in Schutt und Asche legten, was zur Folge hatte, dass die Franzosen ohne jegliche offene Feldschlacht Florenz, Rom und Neapel eroberten. In Rapallo jedoch explodierte ein auf die Stadtmauern gerichtetes Geschütz, und die verirrte Kugel durchschlug die Fenster der Kirche und tötete zahlreiche Gläubige, die sich in die Kirche geflüchtet hatten. Dies ist der Zeitpunkt der symbolischen Auslöschung der Freistatt als eines Ortes, der kraft seiner Lage und sakralen Ausstrahlung bis zu jener schicksalhaften Begebenheit absolute Sicherheit geboten hatte.
Regina Bittner (Hg.)
Die Stadt als Event. Zur Konstruktion urbaner Erlebnisräume
Frankfurt/ New York 2002 (Campus: Edition Bauhaus, Band 10)
519 S. (mit Anhang in englischer Sprache), EUR 49.-
Jeanette Pacher, Mechthild Widrich (Hg.)
kursiv 9-3/4/02: Idylle (1)
In veilchensüßen Träumen
Linz 2002
144 S., dt./ engl., EUR 9,45
Ljubomir Bratic (Hg.)
Landschaften der Tat. Vermessung, Transformationen und Ambivalenzen des Antirassismus in Europa.
St.Pölten 2002 (Sozaktiv Verlag)
269 S.
Regina Bittner
Urbane Paradiese. Zur Kulturgeschichte modernen Vergnügens
Frankfurt/ New York 2001 (Campus, Edition Bauhaus)
309 S., EUR 39,90
Irene Nierhaus/Felicitas Konecny (Hg.)
räumen. Baupläne zwischen Raum, Visualität, Geschlecht und Architektur
Wien 2002 (Edition Selene)
304 S., EUR 21,70
Ilsebill Barta
Wohnen in Mies van der Rohes Villa Tugendhat
fotografiert von Fritz Tugendhat 1930-1938
Wien 2002 (Museen des Mobiliendepots)
46 S., EUR 15.-
Stefan Krätke
Medienstadt. Urbane Cluster und globale Zentren der Kulturproduktion
Opladen 2001 (Leske + Budrich)
267 S., EUR 19,80
Tilman Harlander (Hg.)
Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland
Herausgegeben in Verbindung mit Harald Bodenschatz, Gerhard Fehl, Johann Jessen, Gerd Kuhn, Clemens Zimmermann,
München 2001 (Wüstenrot Stiftung Ludwigsburg und Deutsche Verlagsanstalt)
519 S., EUR 46,30
In Spanien existiert praktisch kein sozialer Wohnungsbau. Ebenso wenig existiert ein Markt an Mietwohnungen, der von Bedeutung wäre. Und während es einen immensen Leerstand an Wohnungen gibt, hält der Bauboom zumindest in Madrid an und die Wohnungspreise steigen ins Unermessliche (120 % in den letzten 20 Jahren).
Diese Tatsachen scheinen den Gesetzen von Angebot und Nachfrage völlig entgegen zu stehen. Erklären lässt sich dies nur mit der Bedeutung von Immobilien als Spekulationsobjekt. Ein Viertel aller Haushalte verfügt einer Studie der Universidad Politécnica de Madrid zufolge über Zweit- oder Drittwohnungen. Diese werden in den meisten Fällen nicht vermietet, sondern leer stehen gelassen.
schlecht geschlafen. keiner hat zeit, mit mir frühstücken zu gehen. nach 40-minütigem herumsuchen entschließt sich ein 21-jähriger jugendlicher mit mir frühstücken zu gehen. konsumation in einer bäckerei auf der schloßhoferstrasse: 2 zimtschnecken, eine topfengolatsche und 2 semmel. er ist bei einer telefongesellschaft angestellt und verzehrt nun die topfengolatsche und die zimtschnnecke während seiner arbeitszeit was wie er meint ja o.k. wäre. verabschiedung.
verlasse um 10.30 die zone.
Helga Embacher (Hg.)
Juden in Salzburg. History, Cultures, Fates
Salzburg 2002 (Verlag Anton Pustet)
englisch/ deutsch
132 S., Euro 19,80
Emmanuel Chukwujekwu wurde am 8. Mai 2001 im Rahmen der Operation-Spring-Prozesse zu neun Jahren Haft verurteilt. Damals saß er bereits fast zwei Jahr in Untersuchungshaft. Für die Polizei war Emmanuel Chukwujekwu neben Charles Ofoedu einer der Köpfe der »nigerianischen Drogenmafia«. Charles Ofoedu wurde vom Vorwurf der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels mittlerweile freigesprochen. Nachdem der oberste Gerichtshof am 15. Jänner dieses Jahres das Urteil gegen Emmanuel Chukwujekwu aufgehoben und die Strafsache an die Erstinstanz zurückgewiesen hat, wurde Chukwujekwu von dieser am 13. Juli (noch nichts rechtskräftig) freigesprochen.
Elisabeth Blum, Peter Neitzke (Hg.)
Boulevard Ecke Dschungel. Stadtprotokolle
Hamburg 2002 (Edition Nautilus)
222 S., EUR 19,90
Der Urbanismus ist bloße Theorie. Er vermittelt uns die Stadt und ihre Geschichte. Die Stadtplaner betrachten die Dinge isoliert. Sie halten als Professoren Monologe.
Sie erklären uns die Stadt als objektiv erkennbare Wirklichkeit. Sie sind beherrscht von ontologischen Fragen nach dem Was, nach dem Objekt Stadt. Und machen sie dadurch zu einem von uns getrennten Gegenüber. Jede Stadtplanung vernichtet Bestehendes und maßt sich die Raumherrschaft an. Nach dem Vorbild des großen Baumeisters wird als Ziel eine Idealform entwickelt, um sie als Modell in die Realität umzusetzen. Obacht: Die Stadt lässt sich nicht theoretisch fassen. Die Stadt ist in kein Modell zu bringen. Die Stadt ist kein Objekt der Spekulation.
Die Wurzeln zum Verständnis der mittelalterlichen Stadt liegen tief in der römischen Vergangenheit der Stadt. Die Römer hatten die antike Stadt über Jahrhunderte zu einem unvorstellbaren Höhepunkt geführt, hatten den Begriff der Urbanität mit einer ungeheuren Fülle von städtebaulichen Erscheinungen angereichert, hatten durch die von Kaisern und Magnaten finanzierte Nahrungsversorgung breiter Bevölkerungsschichten ein erstes riesiges Experiment des rudimentären Sozialstaates veranstaltet und durch die Gladiatorenspiele zugleich den Hedonismus und die Spektakellust in noch nie da gewesener Weise angestachelt, doch war es auf Dauer nicht gelungen, die sozialen Probleme der Menschenmassen einer derart rasant gewachsenen Stadt zu lösen.
Hooman Sharifi mit Kristine N. Slettevold und Peder Horgen
Fragen an die Wiener Stadtregierung von PassantInnen im zweiten Bezirk:
Helmut Weihsmann
Das Rote Wien
Sozialdemokratische Architektur und Kommunalpolitik 119-1934
2., überarbeitete Ausgabe
Wien 2002 (Promedia)
496 S., EUR 41, 35
Tendenziell gab es bei der diesjährigen documenta (XI) nur wenig Projekte im Außenraum. Umso auffallender war ein »Taxi«, ein bewusst dilletantisch mit acrylfarbenen Schriftzügen überzogener alter Mercedes, der die DocumentabesucherInnen in die »Nordstadt«, in die Friedrich-Wöhler-Siedlung führte, wo das Projekt »Monument für Bataille« von Thomas Hirschhorn stattfand. Verschiedene Interventionen in Paketklebebandästhetik ziehen sich durch dieses Wohngebiet (ein als »problematisch« eingestuftes Viertel abseits der Documenta-Idylle). Im Zentrum stehen ein Fernsehstudio und eine Bibliothek. Thomas Hirschhorn hat bei diesem Projekt geschickt SozialarbeiterInnen, nennen wir sie hier LokalexpertInnen, und die dort wohnenden Jugendlichen einbezogen. Er selbst sagt dazu in dem dort aufliegenden Flugblatttext: »Ich bin kein Sozialarbeiter, ich bin Quartier-Animator, für mich ist Kunst ein Werkzeug, um die Welt kennenzulernen.« Einerseits distanziert er sich damit von Projekten wie denen der Wochenklausur, andererseits bleibt offen, ob es sich nun um ein Kunstprojekt oder um Quartieranimation oder vielleicht sogar um Wissenstransfer handeln soll. So erklärt er weiter in seinem Text: »das Bataille Monument soll Wissen und Information vermitteln.«. Das Projekt steht in einer Serie von Projekten, die jeweils einem Philosophen (Bataille, Spinoza, Deleuze und Gramsci) gewidmet sind. Die Ambivalenz, die dieses Projekt aufwirft, lässt die eindeutige Zuordnung zu einer Disziplin für redundant erscheinen, zeigt aber, dass es neben sozialen auch urbane Fragen aufwirft, die in den Planungswerkzeugen der heute agierenden UrbanistInnen mutmaßlich nicht bedacht sind.
Plattform5_Documenta11
Kassel, 8.Juni-15.September 2002
www.documenta.de
3 x 2 = 6 FLAKTÜRME IM 3. 2. 6. BEZIRK
Ausgangspunkt war der 3. Bezirk, wo ich im Arenbergpark auf zwei Flaktürme stieß und mich zur Suche nach den anderen Paaren bewegte.
In der siebten Ausgabe haben wir bereits über Maria Theresia Litschauers Arbeit landscapes_ berichtet, die Ausstellung war im Frühjahr in der Kunsthalle Krems zu sehen. Mittels Fotos und Statistiken wurde dort die zunehmende Annäherung von Stadt und Land thematisiert, wie sie auch im noch ursprünglich geglaubten Waldviertel immer sichtbarer wird. Drei der Motive hat Maria Theresia Litschauer nun für eine Plakataktion ausgewählt: in Zusammenarbeit mit der heimatwerbung niederösterreich wurden sie von Juli bis August an 900 Plakatwänden in ganz Niederösterreich affichiert.
‘Schwab at the XVIth district’ and ‘Eine Menschenansammlung’ were conceived having as a reference the Real-Time Composition methodology, a concept I have been working on for the past few years. One of the simple ideas behind this method is that you don’t look for... you wait for. So the main task is to know how to be at the right place at the right time. And that place and time is always where you are. For this project I happened to be in the house where Werner Schwab lived between 1991-1993 and unexpectedly this became the motive of my work.
An Architektur 01, 02, 03
Berlin 2002, erscheint 4-mal jährlich
je 2,50 Euro
www.anarchitektur.com
Wir waren eingeladen, den VIII. Wiener Gemeindebezirk – die Josefstadt – zu umgehen. Wir wählten als Arbeitsfilter den Fragenkomplex der Verräumlichung von Politik, deren Auswirkung und Sichtbarkeit in Bezug auf städtischen Raum.
In Meg Stuarts Tanzperformance Appetite (in Zusammenarbeit mit der bildenden Künstlerin Ann Hamilton) ist die ganze Bühne mit einem dünnen weißen Tuch aus Fallschirmstoff bedeckt. Als hätte ein Fallschirmspringer sie gestisch durch seinen Sprung/Fall definiert. Wie beim Fall, beim Unfall Ikarus (er fällt bekanntlich, weil ihm sein Vater Dädalus Flügel, jedoch keinen Fallschirm entworfen hat). Denn was da auffällt, ist der Blick, der auf die Erde fällt und als Paradigma für den Kartographenblick gilt, der die Welt von oben, als ob auf einer Karte betrachtet. Ikarus und sein Blick fallen da federleicht zusammen. Als ob mit der Feder geschrieben, schreiben, graphieren, choreographieren da Körper und Blick einander und auch den Ort, auf den sie fallen: sie definieren ihn, schreiben ihn lesend, kartographieren ihn als Szene.
Der Blick aus dem Fenster fällt auf streng geschnittene Eibenhecken. Sie begrenzen gemeinsam mit Streifen aus Natursteinplatten die kleinen Rasenfelder. Vor der Hütte dominiert Grillgeruch und eifriges Plaudern. Einige Meter weiter wird Tischtennis gespielt, daneben in kleinen Swimmingpools geplanscht. Aber nein – wir sind nicht in einer der Schrebergartensiedlungen Wiens, wir befinden uns im Zentrum der Stadt, am Vorplatz des »zukunftsweisenden innerstädtischen Kulturviertels«, des Museumsquartiers Wien.
Ausdruck und Gebrauch
Dresdner wissenschafltiche Halbjahreshefte für Architektur Wohnen Umwelt
1. Heft, Dresden 2002
(w.e.b. Universitätsverlag und Buchhandel Eckhard Richter)
166 S., EUR 14, 90
Österreichische Gesellschaft für Architektur
-ÖGFA und Institut für Architekturtheorie der TU Wien (Hg.)
UmBau 19: Diagramme, Typen, Algorithmen
Wien 2002 (Edition Selene)
144 S., Euro 10,90
Elise Feiersinger, Jost Meuwissen, Heidi Pretterhofer (Hg.)
Örbanism - Texte aus Österreich
Wien 2002 (Edition Selene)
deutsch/ englisch
127 S., EUR 15,40
Keine Stadt der Welt verändert ihr Gesicht so schnell wie Shanghai. Wo gestern noch ein chinesisches, einstöckiges Haus war, kann schon morgen ein spiegelverglaster Turm mit Dutzenden von Stockwerken in der Sonne glitzern. 6000 Hochhäuser stehen bereits in der 16 Millionen Metropole. Rechnet man die drei Millionen WanderarbeiterInnen, die ständig in der Stadt sind und die das neue Shanghai in rasendem Tempo erbauen hinzu, fehlt nicht mehr viel zur 20 Millionen Grenze. In Bau ist der höchste Wolkenkratzer der Welt und ein Finanzzentrum, mächtiger als Manhattan. Die eigentliche Attraktion dieser chinesischen Megalopole sind aber nicht seine Gebäude. Es ist die zeitliche Dimension. Das Wissen darum, in wie kurzer Zeit sich die Stadt neu erfunden hat. Wer schon heute wissen will, wohin sich die Mega-Städte dieses Globus' entwickeln werden, der schaue nach Shanghai.
Topografie bedeutet soviel wie »Beschreibung und Darstellung geografischer Örtlichkeiten«. Das Wort selbst macht deutlich, dass es um mehr geht als nur um ein Abbildungsverhältnis von Land und Plan: Die Lage wird erst zur Lage durch die Beschreibung, die gleichzeitig eine Aneignung ist.
Im Jahre 1963 notierte Heimito von Doderer: »Das heutige Wien ist ein gutes Beispiel für die Koexistenz verschiedener Zeiten, so wie es ja auch räumlich sehr komplex sich zeigt. Denn in der völlig verschiedenen Aura der einzelnen Bezirke, die also eigentliche Bannkreise sind, liegt ja eine wesentliche Qualität der Stadt; demgegenüber wirken viele deutsche Städte wie ein einziger Bezirk. Sie sind Einzeller. Wien ist so komplex wie das alte bunte Reich ... Eine übernationale Stadt; als Nationen fungieren auch gewissermaßen vertretungsweise die Döblinger, Leopoldstädter und Hietzinger. Neue Städte fügen sich an – ob sie in dieser Gliederung hineinfinden oder fähig sein werden, auch neue auratische Einheiten bereichernd zu bilden, ist eine noch offene Frage.« In jedem Fall aber, meinte Doderer, werde das Konglomerat von Zeiten und Räumen, das sich Wien nennt, von einer menschlichen Institution zusammengehalten, nämlich von den HausmeisterInnen, deren Geruch und Autorität er seinem Text über die »enteren Gründ« gewidmet hat. Ob Wien nunmehr zerfällt, da es den HausmeisterInnen unter neoliberalen Vorzeichen an den Kragen geht, sei dahingestellt. Die Komplexität der Stadt, die Doderer so nachdrücklich betont, wird zumindest auf mittlere Sicht erhalten bleiben. Deren reichlich paradoxen Herkunft möchte ich mich im folgenden widmen.
Gerd de Bruyn
Fisch und Frosch oder Die Selbstkritik der Moderne (Bauwelt Fundamente 124)
Gütersloh/Berlin/Basel/Boston/Berlin 2001
(Bertelsmann/ Birkhäuser)
167 S., EUR 22.-
In Folge der Implementierung des Daytoner Friedensabkommens wird Bosnien und Herzegowina in zwei Entitäten aufgeteilt: die »Serbische Republik« und die »Föderation von Bosniern und Kroaten«. Da das Friedensabkommen in nur 21 Tagen verhandelt wird, um das wichtigste Ziel, das Ende des bewaffneten Konflikts, zu erreichen, wird die Klärung einzelner Punkte auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. Dazu gehört auch die Streitfrage um die Stadt Brčko und den umgebenden Bezirk, genannt Brčko-District, im Nordosten Bosniens am Grenzfluss Save zu Serbien und Kroatien gelegen, den die beiden Entitäten gleichermaßen für sich beanspruchten.
Seit dem Turmbau zu Babel, dem Koloss von Rhodos und den Pyramiden steht Megalomanie für menschliche Anmaßung; auch der Untertitel der Wiener Ausstellung impliziert es. Anmaßung wird hier aber synonym mit utopischem Denken gesetzt und somit positiv gewertet, was den komplexen Themenkreis stark simplifiziert. Gemäß dem linearen Modernebild des frühen 20. Jahrhunderts scheint einzig die große, radikale Idee als Bannerträger des Fortschritts zu taugen.
Spätestens seit dem Zusammenbruch der »Bubble Economy« zu Beginn der 90er-Jahre ist es offensichtlich, dass Arbeitslosigkeit und der damit verbundene soziale Abstieg in Japan zur gesellschaftlichen Realität geworden ist. Galt es bis dahin als üblich, ungeachtet der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das gesamte Arbeitsleben in einer Firma zu verbringen, die neben der Absicherung der wirtschaftlichen Existenz des Einzelnen auch ein erweitertes familiäres Umfeld gewährleistete, fällt dieses Konzept nun zunehmend auseinander.
Das Brunnenviertel in Ottakring ist schick geworden: Bei SOHO in Ottakring trifft sich alljährlich Wiens alternative Kulturszene, an Samstagen beginnt es als Ort des Sehens-und-Gesehen-Werdens dem Naschmarkt Konkurrenz zu machen, und das Frühstück im Kent ist schon lange kein Insider-Tipp mehr. Beginn von Aufwertungsprozessen? Gentrification gar? Die KünstlerInnen- und StudentInnenschaft der Stadt, ausgehungert auf der Suche nach kreativer Inspiration durch kulturellen Pluralismus und Authentizität, wurde offenbar fündig.
»Wir protestieren gegen den Skandal um das Festspielhaus Salzburg«, steht in großen Lettern auf dem orangefarbenen Plakat. Die Leute von der neugegründeten IG Architektur nehmen ihr »Going Public« schon sehr ernst. Das beschwingte Fest, das dieses offizielle Hinaustreten in die Öffentlichkeit begleitet, soll eben nicht verschleiern, dass man etwas zu sagen hat - und dies in Zukunft nicht mehr nur im vertrauten Freundeskreis, der an diesem Frühlingsabend Ende April sozusagen vervielfacht den Großteil des Publikums ausmacht, sondern ganz offiziell und in allen zur Verfügung stehenden Medien. Folgerichtig ist die Party nicht nur ausgelassener Ausdruck der Freude über bisher geleistete Arbeit, nicht nur beeindruckende Bühne für das - buchstäblich theatralische - Vortragen der Ziele und Forderungen, sondern eben auch Plattform des Protests und der klaren Stellungnahme.
Aussichtspunkte sind Ansichtssache. Die ausgewiesenen Blicke in die Landschaft oder aus dieser auf die Städte sind Manifestationen von subjektiven Auswahlverfahren. Jean-Daniel Berclaz beschäftigt sich mit seinem fiktiven »Musee du Point de Vue« mit Wahrnehmungen von Landschaft im urbanen und gesellschaftlichen Kontext. Die Projekte des »Museums« sind Erkundungen und Interpretationen von räumlichen Situationen sowie Interaktionen mit diesen und Interventionen im Raum.
Transitory, nomadic, temporary, transient, ephemeral, itinerant, migratory, fugitive, migrant, erratic. All these adjectives can be associated to the situation many inhabitants of the contemporary city find themselves in. These inhabitants, who make up an increasing part of the urban population but are often not recognized as full citizens, are the international migrants. The mobility of the labour force seems to be one of the most powerful elements contributing to the global transformation we experience today. While an increase of moving, migration and increased mobility is seen as a consequence of the expansion of the capital exploitation of the labour, it might as well contain the immanent force able to subvert the power and the sovereignty of the established. The lines of passage for these moving masses are crossing the globe, connecting nodes that coincide with major political and economic capitals and ancient cities. As a consequence, these cities are undergoing significant social and political changes.
Die Geschichte der Graffiti als Ausdrucksform des Protests dürfte nicht wesentlich kürzer sein als jene der Schrift. Schon aus dem alten Pompeji haben tausende Graffiti »überlebt«. Ein Teil davon formulierte bereits Protest gegen politische, wirtschaftliche und soziale Zustände. In Rom, der Metropole des Imperiums, machte sich der in Graffiti gefasste antike Unmut gegen die Machthaber am häufigsten breit. Vor allem der dipinti genannten offiziellen Sprache an den Wänden, wie Wahlaufschriften, wurden Verhöhnungen, Alternativvorschläge oder Argumente zustimmender oder ablehnender Natur gegenübergestellt. Ein Vorgang, dessen heutige Entsprechung, in neuralgischen Zeiten wie Wahlkampfperioden, ihm sogar in der fehlerhaften Rechtschreibung gleicht.
Rom ist der große Nachfolger Athens. Allerdings war der großen griechischen Errungenschaft der Demokratie keine allzu lange Lebensdauer beschieden. Die kurze republikanische Tradition wurde bald von einem mächtigen Kaisertum überlagert und abgelöst. Oder, anders formuliert, die bereits in der griechischen polis enthaltenen Widersprüche werden nun schlagend. Ein Geheimnis des urbanen, griechischen Wunders bestand in der Bewahrung einer gewissen Größe der Stadt, bei deren Übersteigung man zur Gründung einer neuen Kolonie gezwungen wurde, was auf die Dauer ein äußerst anstrengendes Unterfangen darstellte.