Nicole Scheyerer


        Die Kunsthalle Exnergasse feierte ihr Jubiläum mit einem neuen barrierefreien Zugang und einer Ausstellung, die Inklusion und Offenheit signalisierte. Was Kunst in Krisenzeiten leisten kann, blieb dabei jedoch offen.
        »Das WUK ist ein besetztes Haus und soll es auch bleiben. Ein Ort der Selbstverwaltung und des Widerstandes. Ein Freiraum, für den es sich zu kämpfen lohnt. Eine Hochburg der Solidarität«. So eine der Hymnen aus dem Buch Utopische Entwürfe, das 2022 anlässlich 40 Jahre WUK erschienen ist. In dem bunten Bouquet an Beiträgen geht es viel um Kulturkampf, Gegenöffentlichkeit und alternative Lebensentwürfe. Musik stellte dafür im WUK den stärksten identifikatorischen Anker dar; bildende Kunst scheint hingegen so gut wie keine Rolle gespielt zu haben.
        Heuer feiert die Kunsthalle Exnergasse (KEX) ein Jubiläum. Der Ausstellungsort eröffnete 1989, also sieben Jahre nach der erfolgreichen Besetzung und Transformation des einstigen Fabriksgeländes in ein Kulturzentrum. Vor 35 Jahren gründeten Künstler:innen, die in den Backsteinbauten ihre Ateliers hatten, die Kunsthalle Wien. Diese nicht-kommerzielle Produzent:innengalerie diente als Ausstellungsfläche ebenso wie als Experimentierfeld jenseits von Museen und Kunstmarkt.
        Nach einer Renovierung rückte diesen Jänner die Schau Täterätää! KEX macht auf die eigenen Räume ins Zentrum. Die rund 400 Quadratmeter der Institution blieben weitgehend leer, um die sanierte Architektur in den Fokus zu rücken. Überraschenderweise standen die Schreibtische des vierköpfigen KEX-Teams nun mitten im Ausstellungssaal. Das Personal wanderte aus seinem Office aus, um dem Begleitprogramm Platz zu machen. Dafür gestalteten Nachbarn wie die WUK Musik, KinderKultur oder performing arts Events.
        Zu den wenigen Exponaten der Schau zählten zwei Podeste mit verpackten Kunstwerken darauf. Dabei handelte es sich um Arbeiten, die nach Ausstellungen liegengeblieben waren. Unter dem Titel Unpacking Stories widmeten sich zwei Veranstaltungen mit der Kuratorin Georgia Holz und dem Künstler Seth Weiner dieser ungeplanten Sammlung.
        Im Jubiläumsjahr wurde die Kunsthalle Exnergasse endlich barrierefrei. Ein Aufzug fährt nun vom Hof hinauf in den ersten Stock. An dem Geländer des neuen Liftübergangs hat Andreas Fogarasi als Intervention ein historisches Metallornament angebracht. Für eine fortlaufende Werkreihe fischt der Wiener Künstler aus dem Schutt von Abbruchgebäuden einzelne Teile wie Fliesen, Fassaden-, Tür- oder Fensterelemente. Aus alten und teilweise auch aus neuen Baumaterialien stapelt er Objekte, die er dann verschnürt an die Wand hängt. Nun verwendete Fogarasi Fundstücke, die auf die Bau- und Industriegeschichte des WUKs referieren.
        Reminiszenzen an Architektur erzeugte auch die Plakatserie Im Zwischenraum des Künstlerduos Six Petritsch. Die Poster bildeten Hände und Objekte der Teilnehmer:innen der Schau vor Millimeterpapier ab. Symbole für Austausch und Prozess passen zur KEX, deren vier Ausstellungen jährlich via Einreichungen und Juryentscheid zustande kommen. In keiner anderen Wiener Institution können Künstler:innen und Kurator:innen so unkompliziert Ausstellungsprojekte vorschlagen.
        Die Kunsthalle Exnergasse fühlt sich »innovativer, experimenteller und zeitgenössischer Kunst« verpflichtet. Gesellschaftskritik ist erwünscht, aber nicht zwingend. Als Schwesterinstitution galt lange die Zürcher Shedhalle in der Roten Fabrik, das Programm der Wiener war aber pluralistischer und mit weniger scharfen Kanten. Was kann man der KEX zum Jubiläum wünschen, außer »Alles Gute«? Vielleicht dass sie in den aktuellen Krisenzeiten auch mal lauter wird, Debatten anstößt, sich einmischt oder gar aufrührt? Wenn wer die Freiheit für Protest und Utopie hat, dann diese autonome Zone innerhalb eines zusehends konformistischen Kunstbetriebs.


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