Break it/Fix it
»Monica Bonvicini/Sam Durant. Break it/Fix it«, Ausstellung in der secession WienMonica Bonvicini/ Sam Durant
Breakt it/ Fix it
Secession, Wien
28.11.2003 - 1.2.2004
Aufeinander getroffen sind sie bereits 1991, zusammen arbeiten sie in der Installation Break it/Fix it als kongeniales Duo das erste Mal: die italienische Künstlerin Monica Bonvicini, die durch den soziopolitischen und geschlechtsspezifischen Appell in ihren Installationen gegen architektonische Machtstrategien rebelliert, und der in Los Angeles lebende Künstler Sam Durant, dessen Auseinandersetzung mit der Populärkultur und künstlerische Aufarbeitung der Bürgerrechtsbewegung und der Black Panther-Protestaktionen für Konfrontationen sorgen. Das konfliktgeladene Potenzial von urbanen Territorialkämpfen, die unter anderem zu Ausgrenzungen durch Gitterabsperrungen führen, und die Frage nach räumlicher Kompetenz übertragen Monica Bonvicini und Sam Durant durch ihre in situ-Installation in den Hauptraum der Wiener Secession. Als Klassiker eines white cube schrieb dieser Ausstellungsgeschichte, noch ehe Yves Klein 1957 mit seinem Projekt Le Vide einen Raum der Leere schuf und den white cube einer Galerie selbst zum ausgestellten Objekt deklarierte. Dass es derzeit en vogue ist, sich vom Konzept des white cube zu verabschieden, bewiesen in der Secession in der jüngsten Vergangenheit bereits die verschachtelte Installation von Hans Schabus (2003) und das durch seine Initialen HZ 95 gebildete Labyrinth von Heimo Zobernig (1995).
In der in situ-Installation von Monica Bonvicini und Sam Durant, deren Grundriss das Wort CAGE bildet, versinkt die Innenarchitektur der Secession in einem Labyrinth von Korridoren, Glaskuben, Glaswänden und Spiegeloberflächen. Gefangen in einem Käfig der Paranoia ist das Duo in dem in die Installation integrierten Video Break it/Fix it (2003), das sich mit dem gesellschaftlich als Machtinstrument missbrauchten Phänomen Angst befasst. Die Angst ist hier nicht bloß durch die in den skulpturalen Prozess einbezogene destruktive Gebärde, sondern durch ihre formale Übersetzung in die Skulptur ANGST als dreidimensionale Holzbuchstaben präsent. Wie bereits von Rainer Werner Fassbinder in seinem Film Angst essen Seele auf (1974) oder von Christoph Schlingensief durch seine Polemik einer Church of Fear (2003) eingefordert wurde, wird zur individuellen und kollektiven Angstbewältigung aufgerufen.
Die Prozesse der Konstruktion und Dekonstruktion verschmelzen ineinander, indem Bonvicini und Durant ihre Skulptur Angst brutal zertrümmern, um daraus erneut die englische Variante Fear zu konstruieren. Der destruktive Impuls lässt sich hier als physische Interaktion nachvollziehen, aber auch als eine Metapher für ein Recycling historisch determinierter Kunstherstellungsstrategien, die den Minimalismus sowie den Postminimalismus von der Process Art unterschieden. In diesem Prozess ist unverkennbar spürbar, dass es Bonvicini nicht bloß um die Mitteilung politischer Messages durch das Medium installativer Kunst geht, sondern dass im Zentrum eine Aggression steht, die sich gegen den rigiden Gebrauch einer Formensprache in der Kunst wendet. Ein Aspekt, auf den übrigens bereits Diedrich Diedrichsen hingewiesen hat. Typischerweise übertragen sich diese phänomenologisch existenziellen Züge auf die Installation aus Holz, Metall, Glas- und Spiegelflächen. Das Eingrenzen des Raumes durch das Labyrinth veranlasst dazu, die Möglichkeiten zur freien Bewegung zu erforschen und die Raumwahrnehmung durch Spiegelungen und Durchbrüche zu schärfen. Anspielungen auf die Cuttings von Gordon Matta-Clark und auf Dan Grahams Glaspavillons klingen durch. Korridorsysteme, wie wir sie aus den Filmen von Stanley Kubrick kennen, enden abrupt vor Gitterstäben, die einen Ausgrenzungsmechanismus visualisieren, der nicht überwunden werden kann und zur Umkehr zwingt.
Einer raffinierten Sprache bedient sich das Duo entlang der Oberflächenmatrix der abgerundeten Stellwände. Vorarbeit für diese kognitive Karte leistete Monica Bonvicini bereits in früheren Installationen mit der Message »I believe in the skin of things as in that of women« (1999), und verwendete dafür Zitate von Leon Battista Alberti bis Zaha Hadid. Dem Zitathaften verpflichtet ist auch Sam Durant in seiner Serie 7 Signs (2003), in der durch Reklameleuchtkästen Texte politischer Protestmärsche rezitiert werden.
Als ein Recyclingprogramm dürften zum Teil die AutorInnen des Kataloges ihre Beiträge betrachtet haben. So aktualisierte Roberto Ohrt seinen Text über Philip Guston oder wurden von Jennifer Gonzalez Zitate zur Destruktion und Kreation von Theo van Doesburg über Gertrude Stein bis zu Antonio Negri lose aneinander gefügt. Dem Phänomen von Leere und Fülle in der Geschichte der Ausstellungspraxis widmet sich Jörg Heiser, ohne sich tatsächlich mit der Installation Break it/fix it zu befassen. Die architektonische Umsetzung von Aphorismen Ludwig Wittgensteins, wie des »Anrennens gegen die Grenzen der Sprache«, gewinnt innerhalb der Installation eine reale Dimension. Durch die Motorik der Sprachbewegung lichtet sich der Nebel der Melancholie, der sich in diesen frostigen Wintertagen über uns senkt.
Zur Ausstellung erschien ein zweisprachiger Katalog mit Essays und Gedichten von Rebecca Gordon Nesbitt, Jennifer Gonzalez, Hou Hanru, Jörg Heiser, Leslie Kanes Weisman, Chris Kraus, John Miller/Frank Lutz/John Sinclair, Roberto Ohrt, Patrizia Valduga, Kevin Young.
Monica Bonvicini/ Sam Durant
Breakt it/ Fix it
Secession, Wien
28.11.2003 - 1.2.2004
Ursula Maria Probst