Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


In der Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs ist vor einigen Monaten der Band 3 »Innsbruck 1938-1945« erschienen. Dem schmalen Buch ist auch eine CD mit rund 150 Fotos beigefügt. Was die CD außer den Fotos bietet, konnte ich leider nicht herausfinden, da mir eine fehlerlose Installation trotz mehrfacher Versuche nicht möglich war. Die Fotos sind großteils auch in dem Buch abgedruckt.

Zentraler Artikel des Buches ist der Einführungsartikel von Horst Schreiber. Er beginnt mit der Machtübernahme der Nazis und endet mit der Befreiung. Wichtig ist der Text, weil er mit einigen Mythen aufräumt. So stellt der Autor eindeutig fest, dass eine Befreiung Innsbrucks ohne den militärischen Sieg der Alliierten unmöglich gewesen wäre. Die Widerstandsbewegung alleine war keinerlei Gefahr für das nationalsozialistische Regime. Der Tiroler Widerstand erlangte erst in den letzten Wochen und Monaten vor Kriegsende Bedeutung, der bewaffnete Widerstand setzte erst in den letzten Tagen ein. Die Unterstützung durch die Bevölkerung war gering, was nichts daran änderte, dass nach der Befreiung tausende Tiroler und Tirolerinnen zu FreiheitskämpferInnen mutierten. Dass die US-Truppen in eine bereits befreite Stadt einmarschierten, in der sie von der Bevölkerung bejubelt werden, ist ihnen zwar sonst im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich nicht oft oder gar nie passiert, änderte aber auch nichts daran, dass ihnen die Situation etwas komisch vorkam. Der Berichterstatter der 7. US-Armee verglich die »Inszenierung« mit einem »drittklassigen Hollywood-Streifen«.
Sehr genau geht der Autor auf das Schicksal der wenigen Innsbrucker Juden und Jüdinnen ein. Sie hatten unter einem mörderischen Antisemitismus zu leiden, der besonders während des Novemberpogroms wütete. Interessant wäre es gewesen, nicht nur die Namen der jüdischen Opfer sondern auch diejenigen der Täter zu erfahren. Diese bleiben jedoch, von hohen Funktionären abgesehen, ungenannt.

Ein weiterer Text des Bandes ist der Ausschnitt eines Tagesbuches, das die Gräuel des Bombenkrieges vor Augen führen soll. Für das Stadtarchiv mag das Tagebuch eine wichtige Informationsquelle sein, für nicht ortskundige Leser und Leserinnen ist es nicht viel mehr als eine Aufzählung von Orten und Personen. Der Titel »Innsbruck im Bombenkrieg« erinnert leider auch an unerträgliche Bücher, die in letzter Zeit reihenweise in Deutschland erschienen sind und die Deutschen als Opfer der alliierten Bombenangriffe ins Zentrum stellen.
In der Schriftenreihe gibt es unabhängig vom Thema des Bandes eine schöne Serie über Innsbrucker Gaststätten. Diesmal wird das Hochhaus-Café im ursprünglich von Lois Welzenbacher entworfenen Bau vorgestellt.

Stadtarchiv Innsbruck (Hg.)
Innsbruck 1938 - 1945
Zeit - Raum - Innsbruck

Schriftenreihe des Innsbrucker Stadtarchivs, Band 3. Universitätsverlag Wagner: Innsbruck, 2003
80 Seiten plus CD, EUR 13


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