Der Prater als Mikrokosmos der Stadtgesellschaft
Besprechung des neuen PratermuseumsSeit März 2024 hat der Wiener Wurstelprater eine neue Attraktion: das Prater-museum, das nun in einem modernen Holz-bau mitten im Vergnügungspark residiert. Der Neubau ersetzt das vorherige Museum, das in einem Seitentrakt des Planetariums untergebracht war, und bietet auf drei Ebenen einen umfassenden Einblick in die über 250-jährige Geschichte des Praters. Der neue Standort an der Straße des Ersten Mai, am Ort einer ehemaligen Spielhalle, verleiht dem Museum eine zentrale Lage und macht es zu einem integralen Teil des Praters.
Der Neubau ist nicht nur funktional, sondern auch architektonisch und energetisch speziell. Als einer der ersten öffentlichen Holzbauten Wiens verbindet das Pratermuseum als Teil des Wien Museums Tradition mit Moderne. Die Leichtbauweise des Gebäudes greift historische Praterarchitekturen auf, interpretiert sie jedoch neu, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Mit seiner Höhe und der markanten Dachform bildet das Museum eine Art Landmarke inmitten des Pratertrubels, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Architektur ist schlicht und fällt gerade da-durch an dem neuen Standort auf, die Verwendung von Holz und roten Akzenten schafft eine Verbindung zur Umgebung und gleichzeitig einen Kontrast zu den oft verspielten, grellen Strukturen des Wurstelpraters.
Besonders hervorzuheben ist die nachhaltige Bauweise des Museums. Das Pratermuseum nutzt innovative Technologien, um den Energieverbrauch zu minimieren und die Umwelt zu schonen. Eine Wärmepumpe sorgt für die Beheizung und Kühlung des Gebäudes, wobei die Außenluft als primäre Energiequelle dient. Auf dem Dach des Museums befindet sich eine Photovoltaikanlage, die einen erheblichen Teil des benötigten Stroms erzeugt und somit die Abhängigkeit von externen Energiequellen reduziert. Darüber hinaus kommen Klimapaneele zum Einsatz, die die Luftfeuchtigkeit regulieren und dadurch die Größe der Lüftungsanlage sowie den Primärenergiebedarf erheblich reduzieren. Diese Maßnahmen tragen nicht nur zu einer nachhaltigen Nutzung von Ressourcen bei, sondern senken auch die CO₂-Emissionen des Museums deutlich.
Das Pratermuseum ist jedoch nicht nur technisch und architektonisch zu betrachten, sondern auch menschlich, es soll ein Ort der Begegnung und des Austauschs sein. Das Gebäude ist von beiden Seiten zugänglich und die großen Fensterfassaden laden dazu ein, das Museum auch ohne Eintritt zu durchqueren. Der offene Eingangsbereich bietet Sitzmöglichkeiten und ist ein angenehmer Ort, um sich vom Trubel des Praters zurückzuziehen. Das Foyer prägt ein riesiges Wandbild des Künstlers Olaf Osten. Dieses detaillierte Kunstwerk veranschaulicht die 250-jährige Geschichte des Praters auf eine Weise, die sowohl informativ als auch visuell fesselnd ist. Es lädt die Besucher:innen von der Galerie des Foyers aus ein, in die Atmosphäre des Ortes einzutauchen und die Jahrhunderte umfassende Geschichte bei genauerem Hinschauen zu entdecken. Dort musiziert Johann Strauss Sohn zusammen mit Falco, Fiaker-Milli, Willi Resetarits und Conchita Wurst. Herbert Prohaska, Matthias Sindelar, David Alaba und Barbara Dunst spielen zusammen Fußball, während unweit Elisabeth von Österreich-Ungarn vorbeireitet.
Ein Stockwerk weiter oben fordert ein Neonschriftzug im Eingangsbereich der Ausstellungsfläche die Besucher auf: Kommen Sie! Schauen Sie! Ein passender Einstieg in eine Welt voller Wunder, Geschichten und Kuriosem. In den zwei weiteren Etagen bietet die neue Dauerausstellung eine breite Palette an Exponaten, die sowohl alteingesessene Wiener:innen als auch Tourist:innen begeistern können. Zu den bekannten Highlights zählen der Watschenmann, der lebensgroße Braunbär aus der Schießbude und die nackte Venus aus dem Wachsfigurenkabinett. Diese Stücke sind fester Bestandteil der Pratergeschichte und spiegeln die verschiedenen Facetten des Vergnügungsparks wider. Sie erzählen die Geschichte des Praters, seiner Entwicklung und seiner Bedeutung für die Stadt Wien.
Der Prater war schon immer ein Spiegelbild der Wiener Gesellschaft und ihrer Entwicklung. Das Museum beleuchtet daher nicht nur die vergnüglichen Seiten des Praters, sondern auch die großen kulturellen, sozialen und politischen Fragen, die hier über die Jahrhunderte hinweg aufgeworfen wurden. Es geht um Freiheit und Moderne, um Natur, Technik und Tiere, um den menschlichen Körper, um Liebe und Lust, um großes Theater und Spektakel. Der Prater war historisch gesehen ein sozial fein gegliedertes Areal, das unterschiedliche Gesellschaftsschichten anzog. Neben den einfachen Vergnügungen im Wurstelprater mit seinen Gasthäusern, Würstelständen, Kegelbahnen, Ringelspielen und Schaukeln gab es die Hauptallee, die ein Treffpunkt der vornehmen Gesellschaft war. Diese Nähe der verschiedenen sozialen Schichten inspirierte zahlreiche Künstler:innen, die in ihren Werken die Kontraste und Konflikte, aber auch die gemeinsamen Freuden und Leiden des Praters einfingen.
Ein wichtiger Aspekt der Ausstellung ist zudem die kritische Auseinandersetzung mit den dunkleren Kapiteln der Pratergeschichte. Der Prater war nicht nur ein Ort des Vergnügens, sondern auch ein Schauplatz sozialer Spannungen, Rassismus und politischer Auseinandersetzungen. Die Ausstellung versucht, diese Aspekte aufzuarbeiten und den Besucher:innen ein umfassendes Bild des Praters zu vermitteln.
Insgesamt bietet das neue Pratermuseum einen vielfältigen und spannenden Einblick in die Geschichte des Wiener Praters. Es verknüpft Vergangenheit und Gegenwart auf eine Weise, die sowohl informativ als auch unterhaltsam ist. Zum Ende der Ausstellung gelangt man auf den Balkon des Gebäudes, von dem man den aktuellen Trubel beschauen kann und wieder zurück in das Jetzt katapultiert wird.
Pratermuseum
Kurator:innen: Susanne Winkler, Werner Michael Schwarz
Prater 92, Straße des 1. Mai
Dienstag bis Sonntag, 11–18 Uhr
Anne Guttmann hat Kultur der Metropole und Raumstrategien in Hamburg, Kiel und Budapest studiert. Sie interessiert sich besonders für kulturelle Prozesse, Nachhaltigkeit in der Stadt sowie Themen der sozialen Gerechtigkeit.