Die Geister zwischen den Stühlen
Anmerkungen zur psychogeographischen Rolle moderner Nomaden und der sich fortschreibenden Leidensgeschichte der RomaDie Erzählung vom fahrenden Volk romantisiert nicht nur ein Leben in Armut und ohne festen Wohnsitz, der Voraussetzung für gesellschaftliche und politische Teilhabe sowie ökonomische Prosperität ist, sie ignoriert auch die Vertreibungsgeschichte und rassistische Diskriminierung der Roma. Das moderne Nomadentum beginnend bei Jack Kerouacs On the Road bis zum von einem Termin zum nächsten jettenden Managervolk, das im einen Fall von Freiheit, im anderen von Business Opportunities spricht, ist vom Schicksal der Roma denkbar weit entfernt. Trotzdem lassen sich Berüh- rungspunkte – (zumindest) zwischen fahrendem Volk und freiheitsliebender Avantgarde – finden, die sich im Begriff Bohème oder in Constants Stadtutopie New Babylon zeigen. Der folgende Artikel geht diesen Spuren nach und thematisiert in diesem Kontext die Bedeutung des Lagers und des Rechtsstatus Homo sacer.
Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.