Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Klaus Ronneberger, Stephan Lanz und Walther Jahn zeigen in ihrem Buch Die Stadt als Beute am Beispiel einiger deutscher Städte, wie sich die aktuellen ökonomischen Entwicklungen auf Kommunen auswirken. Die kontinuierliche Verringerung der Finanzmittel für die Städte durch die neoliberale Wirtschaftspolitik zwingt die Stadtverwaltungen auf der einen Seite ihre Ausgaben zu senken und auf der anderen Seite für Mehreinnahmen zu sorgen. Mehreinnahmen durch Unternehmenssteuern, Gewinnsteuern etc. sind derzeit absolut kein Thema. Die einzige Möglichkeit an Geld zu kommen scheinen Privatisierungen und Immobilien- bzw. Grundstücksverkäufe zu sein. Wie das Beispiel Berlin zeigt, werden Grundstücke in bester Lage jedoch keineswegs zu Marktpreisen verkauft, sondern Konzernen wie Daimler fast nachgeschmissen. Die Konzerne verstehen es, die Städte gegeneinander auszuspielen, und schaffen es so, nicht nur Grund und Immobilien zu Dumpingpreisen, wenn nicht gar gratis, zu erwerben, sondern oft auch noch andere Vergünstigungen wie Steuernachlass, Ausnahmeregelungen bei Arbeitszeiten etc. zu bekommen. Die Stadtverwaltungen geben den Konzernen zudem meist noch freie Hand, was stadtplanerische Aspekte anbelangt. Die derzeit beliebten sogenannten Urban Entertainment Centers zerstören bestehende Strukturen und vernichten dadurch relativ gute Arbeitsplätze, die sie meist nur durch eine Großzahl schlecht bezahlter geringfügig Beschäftigter ersetzen. Um die eigene Stadt der Wirtschaft als attraktiven Standort anzubieten, werden demokratische Entscheidungsstrukturen umgangen und Investitionsrisiken übernommen.
Gespart wird bei Transferleistungen. Diese Einsparung werden durch unglaubliche Argumente sogar noch als »Solidaritätspflicht« verkauft. Wissenschaftliche Berater der rot-grünen Bundesregierung wollen klarmachen, dass »es zu den Solidaritätspflichten der Gemeinschaft gehört, ihre Mitglieder nicht vor Marktzwängen zu schützen, die sie dazu bewegen könnten, sich noch einmal aufzuraffen.« Zwangsarbeit für Langzeitarbeitslose, wie sie auch in Österreich eingeführt werden soll, ist in vielen deutschen Städten bereits Alltag. Langzeitarbeitslose werden gerne als Wachpersonal (»kommunaler Ordnungsdienst«) in Städten eingesetzt, womit gleich Lösungen für weitere Lieblingsthemen, nämlich »Sicherheit und Sauberkeit«, bereitet sind. Die Autoren kritisieren in diesem Zusammenhang auch Community Policing, Neighbourhoodwatch, Präventionsräte und ähnliche Entwicklungen, die aus den USA kommend mittlerweile auch in Europa immer beliebter werden. Besonders hervorgehoben sollte noch werden, dass die Autoren keineswegs mit verklärtem Blick den Städten der Vergangenheit nachweinen, wie es viele liberale Urbanisten gerne tun, sondern gerade die Idealisierung der Stadt des 19.Jhdt und die Angst vor Amerikanisierung als »völlig reduziertes Verständnis des öffentlichen Raumes« kritisieren. Im Buch werden zwar ausschließlich deutsche Städte als Beispiele herangezogen, aber die meisten Entwicklungstendenzen sind sehr wohl auch in Wien und anderen österreichischen Städten erkennbar. Nicht nur deswegen kann das Buch nur empfohlen werden. Es schärft den Blick, und das schadet nie, wenn es in diesem Fall auch äußerst desillusionierend ist.

Klaus Ronneberger/ Stephan Lanz/ Walther Jahn
Die Stadt als Beute
Dietz-Verlag Bonn 1999
240 Seiten. ATS 181.-


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