Die Statik der Irrationalität
Besprechung von »Matias Bechtold » Objekte (objects)« herausgegeben von Gundula SchmitzArchitektur und Städtebau dienen dem Künstler Matias Bechtold als Blaupause für seine Kunst, in der er die Möglichkeiten einer gegenständlichen Kunst mit einem Hang zum Absurden erkundet. Bechtolds bildhauerische Arbeiten muten auf den ersten Blick wie Architektur- oder Stadtmodelle an. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass sie dies genau nicht sind, sondern Kommentare zu Architektur und Städtebau, mit einer psychologischen Komponente.
Bechtold tastete sich vom Kleinen zum Großen vor. Zu Beginn seiner Laufbahn stellte er Modelle von naturalistisch wirkenden, bewohnten Räumen her, bei denen Möblierung und Inneneinrichtung eine Art Psychogramm des (abwesenden) Bewohners – oder der Bewohnerinnen – darstellten. Solcherart Entwürfe erweiterte er im Lauf der Zeit zu Hausmodellen, die zwar äußerst elegant wirken, aber ohne bewohnbares Innenleben gedacht sind. Tatsächlich beschäftigt sich Bechtold nie mit der architektonischen Generalfrage: Wohin mit der Nasszelle? Aus solchen Einzelhausobjekten entwickelte er immer größere, immer absurder wirkende Gebäude und Gebäudehaufen, die er in städtisch anmutende Strukturen einarbeitete. Doch ist Absurdität ein eher unterschwellig wirkendes Stilmittel der Arbeiten von Matias Bechtold. Zum Teil steckt diese vor allem im Detail und in den Materialien, aus denen der Künstler seine Objekte herstellt. Konsequent nutzt er die Möglichkeiten von Wellpappe, Zeichenkarton, Obstschalen und Plastikverpackungen und entwickelt die Ästhetik aus den Möglichkeiten des Materials selbst. So türmt er transparente Plastik-Obstschalen übereinander und verklebt sie miteinander, so dass Modelle gläsern wirkender Hochbauten entstehen, in die er miniaturistische wohnähnliche Ambiente hinein bastelt. Aus der Form folgt bei Bechtold keine Funktion, sondern sie saugt die Funktion in sich hinein und löst sie so auf.
Matias Bechtold arbeitet mit dem Wahnwitz des reinen architektonischen Denkens. In den 1980er Jahren hat er bei Bernd Koberling Kunst studiert und beschäftigt sich seit dieser Zeit mit architektonischen Strukturen. Seine Arbeiten sind im Lauf der Jahre irrealer geworden, und immer beängstigender. Es scheint, als wäre er stark von der Musik eines Captain Beefheart beeinflusst, der einst so schön sang: »My head is my only house, unless it rains.« Bechtold ist begeistert von einer Statik der Irrationalität, die er in eindringliche Bilderwelten umsetzt.
Michael Freerix