Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Olympische Spiele und besetzte Häuser haben auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun, sind aber beides Themen dieser Ausgabe. Während es scheinbar immer mehr Städte für notwendig halten, sich bei Olympischen Spielen zu bewerben um im internationalen Städtewettbewerb zu punkten, oder wider aller Erfahrung glauben, mit der Austragung der Spiele ein gesellschaftspolitisches oder ökonomisches Problem lösen zu können (bzw. davon ablenken zu können), hat keine Stadt Lust, sich mit besetzen Häusern herumschlagen zu müssen.

Einen Einblick in den Schwerpunkt Candidates and Hosts – Olympische Spiele und Stadtplanung gibt der Einleitungsartikel von Wiebke Grösch/Frank Metzger, die diesen konzipiert und redaktionell betreut haben. Aktualität erhält der Schwerpunkt durch die wenige Tage alte Entscheidung von Salzburg, sich (nun doch) für die Winterspiele 2014 zu bewerben, und durch die (mittlerweile gefallene) Entscheidung, welche Stadt (Bewerberinnen waren Paris, New York, London, Moskau und Madrid) die Olympischen Spiele 2012 austragen wird. Salzburg bewirbt sich gegen den Willen der BewohnerInnen der Stadt – sie haben sich bei einer Abstimmung dagegen ausgesprochen – und mit Unterstützung der BewohnerInnen der ländlichen Tourismusregionen, die ihr Schicksal offenbar noch enger mit dem Tourismus verknüpfen wollen als es ohnehin schon ist. „Noch mehr Tourismus“ ist für PolitikerInnen und Landbevölkerung die einfaltslose Antwort auf die Frage nach Lösung der Probleme in einer Region, die diesbezüglich ihre Kapazitätsgrenzen eigentlich schon erreicht hat.

In Wien hat in den letzten Monaten eine rege Diskussion um Freiräume und Besetzungen stattgefunden, die in dieser Ausgabe mit einen Beitrag über die mehrfache Besetzung eines leerstehenden Gebäudes auf dem Uni-Campus Altes AKH Eingang findet. Im Zentrum dieser Debatte steht das Schicksal des EKH, ein ehemals besetztes Haus im Besitz der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), dass diese letztes Jahr verkauft hat. Der Käufer ist Inhaber einer Security-Firma und fühlt sich im Dunstkreis von Rechtsextremen sichtbar wohl. (siehe dérive 18, www.ekhbleibt.info). Vor kurzem hat nun auch die Stadt Wien erkannt, dass sie nicht länger zuschauen kann, wie die Situation rund um das EKH auf eine Eskalation zusteuert, und Verhandlungen mit dem neuen Besitzer über den Kauf des Hauses begonnen. Der Witz an der Sache ist, dass die BewohnerInnen und AktivisitInnen des EKH im Nachhinein vielleicht fast froh sein müssen, dass die KPÖ das Haus an Rechtsextreme verkauft hat (was die politische Blödheit der KPÖ nicht entschuldigen oder verharmlosen soll). Wäre das Haus von einem „normalen“ Investor gekauft worden, wäre es wohl kaum möglich gewesen, die Stadt dazu zu bringen, sich zu engagieren. Sollte das Haus tatsächlich von der Stadt Wien gekauft werden, wird es für das EKH jedoch vermutlich auch nicht leichter. All die radikalen Forderungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem EKH (im besten Fall) nichts anderes übrig bleiben wird, nun endgültig ein „normaler“ Teil der alternativen Kulturszene zu werden, und das ist eigentlich sehr schade.


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