Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Nach einer ganzen Reihe von Schwerpunktheften ist das vorliegende Heft zur Abwechslung wieder einmal eine Sampler-Ausgabe mit einem bunten Mix von Artikeln. Wobei es ja auch Schwerpunkte gibt, die nicht in einem Heft abgehandelt werden, sondern ganz unauffällig und manchmal auch unbeabsichtigt über mehrere Hefte verteilt zu solchen werden.
Einer von diesen heimlichen Schwerpunkten ist Sofia gewidmet. Er hat in Heft 24 mit Ivaylo Ditchevs Artikel Sofia, fluide Stadt begonnen und wird in dieser Ausgabe mit dem Beitrag Stadtlaboratorium Sofia – Beobachtungen zur postsozialistischen Stadtentwicklung von Dagmar Grimm-Pretner und Philipp Rode, der die aktuelle Situation und Problemlagen der postsozialistischen Stadtplanung in Sofia mit Bezug auf die Freiräume zum Thema hat, fortgesetzt. Zwei weitere Texte über Sofia folgen in den nächsten Heften.
Jens Becker und Jascha Keller informieren uns in ihrem Beitrag Netzwerkbasierte Stadtaußenpolitik über die Ausbreitung staatlich-privater Netzwerke auf nationaler und transnationaler Ebene als Folge der um sich greifenden Vernetzungs-, Kooperations- und Konkurrenzlogik der postfordistischen Regulationsweise. Anhand der Stadtaußenpolitiken von Berlin, Wien, Budapest und Warschau, des Städtenetzwerkes Eurocities und an Beispielen einer tendenziell transnationalen Beschäftigungspolitik illustrieren sie einen „Überbau-Hokuspokus“, der nur wenig zu realen Problemlösungswegen, etwa in der Beschäftigungspolitik, beiträgt.
Denis Duclos schildert in seinem Beitrag Stolz auf den Beton die Rebellion der französischen Vorstadtjugend als Teil einer dynamischen Kultur. Duclos verharmlost nicht das Bandenunwesen, das „unerträglich“ sein mag, sieht aber auch die Chance auf eine neue gesellschaftliche Solidarität, die jedoch eine „echte Integrationspolitik“ voraussetzt.
André Krammer wirft mit Jenseits der Stadt auf Maggie´s Farm einen neuen Blick auf Frank Lloyd Wrights Stadtvisionen. Sein besonderes Augenmerk gilt dem Konzept der Broadacre City, die dem europäischen Denken aufgrund des fehlenden Zentrums stets fremd geblieben ist.
In Sie nennen es Arbeit stellt uns Oliver Frey sein Konzept der amalgamen Stadt vor. Frey hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den kreativen Milieus und den Konzepten der Creative Industries beschäftigt und sieht trotz der – auch in dérive geäußerten – Kritik an der Ökonomisierung der Kreativität, die damit meist einhergeht, die Chance, dass aus dem „Humus“ der kreativen urbanen Milieus eine „offene und tolerante Stadtgesellschaft erwachsen kann“.
Markus Miessen erörtert in seinem Beitrag Spatial Practices as a blueprint for Human Rights violations die Beziehung zwischen Raum und Macht. Er widmet sich der Frage, inwieweit räumliche Bedingungen die bewusste Verletzung von Menschenrechten beeinflusst haben. Als Beispiel hierfür dienen ihm in erster Linie die Gefängnisanlagen auf dem Militärstützpunkt Guantanamo auf Kuba, dessen Schließung trotz mehrfacher Ankündigung – auch von George W. Bush – nach wie vor nicht auf der Tagesordnung steht.
Im Mittelpunkt des Textes Reflexionen der phantastischen Stadt von Thomas Ballhausen stehen die „poetischen Lesebücher einer urbanen Mythologie“ des Schriftstellers Herbert J. Wimmer. Michel Butors Die Stadt als Text dient Ballhausen als Einstieg in das Universum der Romane Wimmers. Die in diesen beschriebenen Städte gleichen semiotischen Rätseln, nicht verwunderlich also, dass „zum detektivischen tendierende menschen“ für Wimmer die idealen LeserInnen sind.
Dass Kunst im wahrsten Sinne des Wortes Schmerzen verursachen kann und sogar gebrochene Zehen zurückbleiben können, zeigt Daniel Kalt in der neuen Folge seiner Serie über Street Art. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, was aber wahrscheinlich nichts nutzt, weil der Titel bereits den entscheidenden Hinweis gibt: Kunst ist kein Kinderspiel. Die Berliner Mediengruppe LM/LN und ihr Concrete Soccer. Manfred Russos Serie zur Geschichte der Urbanität geht in Runde 18 und widmet sich diesmal dem ennui: Das Leiden des Flaneurs. Erik Meinharter stellt uns das Projekt >> 4816 vor und damit eine sehr schöne neue Methode durch die Stadt zu schweifen. Für die dérive Abo-Aktion gibt es diesmal zwei Bücher zur Auswahl: Ein Buch bekommt, wer dérive für zwei Jahre abonniert. Bei Auslandsbestellungen müssen wir aufgrund des hohen Porto beim Buchversand, dieses extra berechnen. Alle Details gibt es auf der vorletzten Seite oder auf www.derive.at.
Die nächste Ausgabe von dérive erscheint Anfang April mit dem Schwerpunkt Stadt hören (Redaktion: Peter Payer). dérive-AbonnentInnen können sich im April nicht nur auf das spannende Heft, sondern zusätzlich und kostenlos auch auf die beigelegte CD Sehen mit Ohren von Ulrich Troyer freuen, die sich akustisch der differenzierten Raumerfahrung blinder Menschen nähert.

Ich hoffe, Sie wissen, was Sie jetzt zu tun haben, wenn Sie noch kein Abonnement besitzen!


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