Editorial dérive 6
»In Österreich hingegen wird das Konzept der Creative Industries zumindest von der Regierungsseite her wesentlich als Drohgebärde gegen KünstlerInnen verwendet: Kunstschaffende müssen lernen, sich den Regeln der Marktwirtschaft anzupassen, die Sprache des Marktes zu sprechen. Marketingseminare und andere Lehrgänge, in denen KünstlerInnen um schweres Geld lernen sollen, die Spielregeln des Marktes zu verstehen, boomen hierzulande wie anderswo die Creative Industries«, schreiben Monika Mokre und Elisabeth Mayerhofer in ihrem Artikel Creative Industries als diskursives Konstrukt, der Teil des Schwerpunktes Argument Kultur in dieser Ausgabe von dérive ist. Ein Umstand den vermutlich nicht nur etliche MitarbeiterInnen von
dérive, sondern auch viele LeserInnen aus eigener Erfahrung kennen.
Ganz ähnlich sieht es für ZeitschriftenmacherInnen aus, die am Inhalt ihrer Zeitschrift interessiert sind und nicht daran, LeserInnen mit Blick auf Verkaufszahlen und Anzeigengeschäft zu KonsumentInnen abzuwerten. Über ihre geplanten »Reform« zur Presseförderung lässt uns die FPÖ wissen, dass Förderungen zu keiner »Marktverzerrung« führen dürfen, was wohl heißen soll, dass die Kronen Zeitung nach wie vor jährlich mit Millionen rechnen darf, weil man »Erfolgreiche nicht bestrafen« will, wie FPÖ-Mediensprecher Westenthaler das ausdrückt. Wer nicht erfolgreich ist, dafür aber rechtsextrem, braucht sich auch keine Sorgen zu machen. Die von Andreas Mölzer herausgegebene Wochenzeitung Zur Zeit durfte heuer 860.000 ATS Presseförderung einstreifen. Bundeskanzler Schüssel persönlich verteidigte die Förderung für das Blatt, das vor wenigen Tagen ein Treffen von Rechtsextremen aus ganz Europa veranstaltet hat. Zahlreiche linke Zeitschriften bekommen schon seit Jahren keinen Groschen Publizistikförderung mehr, weil sie, wie es in den Bescheiden heißt, nichts zur »staatsbürgerlichen Bildung« beitragen. Als zusätzliche Belastung für Zeitschriften mit niedriger Auflage sind die neuen Postgebühren zu sehen, die gleich einmal alle ausschließen, die nicht mindestens 1000 Hefte verschicken, d. h. 1000 AbonnentInnen haben.
Die ohnehin sehr geringen öffentlichen Förderungen für dérive sind 2001 um rund 40 Prozent geringer ausgefallen als wir erwarten durften, was nichts anderes bedeutet, als dass wir in die eigene Tasche greifen müssen, um das dadurch verursachte Minus auszugleichen. Wir möchten diejenigen, die es sich leisten können, bitten, statt des bewusst sehr niedrig angesetzten Normalabonnementpreises ein FörderInnenabonnement zu bezahlen; Näheres dazu – ebenso wie zu unserer unwiderstehlichen Aboaktion – auf Seite 51.
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.