essen und architektur
beinahe zehn jahre brutto praktiziere ich nun schon essen und architektur in wien, eigentlich sind es 9½, doch hat diese zahl eine etwas schwulstige vorgeschichte, wenn auch in netter architektur mit essen zu tun, was ich aber anbei nicht weiter ausführen, sondern nun zu fakten kommen möchte.
beinahe zehn jahre brutto praktiziere ich nun schon essen und architektur in wien, eigentlich sind es 9½, doch hat diese zahl eine etwas schwulstige vorgeschichte, wenn auch in netter architektur mit essen zu tun, was ich aber anbei nicht weiter ausführen, sondern nun zu fakten kommen möchte.
jung und aus der provinz kam ich damals nach wien und das erste was ich feststellen mußte, war, daß die verdauung in dieser stadt nicht sonderlich gut sein durfte oder der alkoholgenuß zu üppig oder die nahrung zu schwer verdaulich, um den von der natur vorgesehenen ernährungsweg zu beschreiten und sich nicht vorzeitig der straße zu widmen; ja, vielen pizzen begegnete ich damals und ich sage Ihnen, es waren nicht die italienischen.
inzwischen hat sich doch einiges geändert, weniger pizzen, weder - noch, weniger schnitzerln, es leben das kalb, das schwein und auch die kuh, denn rind hat im letzten jahrzehnt auch nicht mehr soviel spaß gemacht, doch tot den fischen, in dünnen streifen roh auf reis und laßt uns gute teigwaren importieren, wein natürlich, der gehört auch dazu... und drumherum `a gscheide panier´.
was ich damit sagen will: wien hat sich mulitkulturell kulinarisch sehr entwickelt, nicht nur in bezug was auf tische und budel kommt, sondern auch diverse schöne räume in denen sie stehen.
innovativ skandalöse schlichtheit des café museums, in dem josef roth seine kapuzinergruftheldin ein würstl essen ließ, hat lange auf adäquate epigonen warten müssen. pomali, nach wiener art eben, hat sich ein lokal zum nächsten, vor allem in der inneren stadt und ihrem dunstkreis, gesellt. eines nach dem anderen öffnet jetzt seine küchen, aus denen immer aufregenderes naher und ferner länder serviert wird. man wird schon beinahe ein wenig überfordert, kaum wird ein lokalführer veröffentlicht, ist er auch nicht mehr aktuell, nah endlich.
einige eichinger oder knechtls sind entstanden, die czechs vermehren sich, richter, gerngroß lassen zumal sehen, was wäre der karlsplatz ohne die krischanitzhalle, wie langweilig wäre das stadtbild ohne der vielen 'noch-nicht-geadelten' namen oder der architekt wird selbst zum wirt, z.b. j. fürstl im podium.
... und offensichtlich erfreuen sich wohl alle an den fremdländischen angeboten auf den zungen, blöd würd' so manche und mancher schau'n, wenn sie plötzlich leer bliebe, die zunge, wär's auch nur der 'gelati'.
mein fachgebiet ist jedoch der wientunnelbereich, ein phänomen, mit seinem kulinarischen ungleichgewicht. da gibt es auf der einen seite den flohmarkt und den naschmarkt! oh ja der naschmarkt, herrlich multikulti wird der gaumen auf verschiedenste reisen geschickt. daraufhin folgt bald bis zum stadtpark eine kulinarische brache, kilometerlang und in den vielen büros sitzen noch vielmehr tageshungrige mägen, welche am abend dann gleichgesinnte finden in den sprechtheatern und sälen voller edler instrumente klänge, zuweilen von gesängen ergreifend durchtränkt. wo, frag' ich mich, finden all jene bäuche eine köstlich unweite befriedigung.
ich biete folgende lösung an: dreihundertfünfzig meter des wientunnels von schwarzenbergplatz bis stadtpark werden wieder geöffnet, eine dezente städtebauliche intervention, ok, drei bäume müssen umgepflanzt werden, und in das wienflußbett gebe ich drei restaurantinfrastruktur incl. einer dreideckigen parkanlage, bei der man in einbezugnahme einer schwarzenbergplatzschlaufe auch eine möbiusschleife fahren könnte. dazu benötigt man folgende zutaten:
gitterrampe mit riffelblechteppich an teleskoprohren mit kugelgelenken, eingangskubus mit punktgehaltenen glasfeldern, ovales ringrohr mit steckgelenken für träger der ebene eins und bauchwand-träger, stabilisierung bei hochwasser-situationen, mit kugelgelenken an wanne gelagert an rohr in führungsrohr auf abstandhalter und platte aufgeschweißt an in stützmauer versenkte platte geschraubt, leicht unterseitensandgestahltes glasband mit neonröhren-beleuchtung, beleuchtungsfischschwimmlinien auf kugelgelenken, gelenkig gelagerte ebenenträger, technikraum, mittelbauchträger mit trägergelenken, rumpfummantelnde blechhaut, frischwasserwanne, bei hochwasser aufschwimmbar, aufschwimmhilfe für frischwasserwanne, trockenlagerung der frischwasserwanne, konisch gegen flußlauf, gelenklager an träger der ebene zwei, glaschuppen punktgehalten auf formrohrgitter mit spannseilaussteifung, gitterboden mit riffelblechteppich, teleskoppendelstützen an kopplungsschrauben auf kugelgelenken gelagert, hebebühne in glashülle, abschlußträger für schuppenglashülle...
...möchte sich aber jemand vielleicht entlang des wientunnels durchkosten, empfehle ich: essen ist architektur I wien, ein stadtstreifen in acht speisen + poesie, limit. ed., bei www.iwi.cjb.net
Nelo Auer arbeitet als Architektin in Wien.