Exkurs: Besuchen sie Bretteldorf
In Wien wurden Behelfs- oder Elendssiedlungen umgangssprachlich Bretteldörfer genannt. Stadtweite Bekanntheit erlangte das Bretteldorf in den Donauauen. Bereits vor 1900 siedelten sich dort die ersten Familien an, meist Banl- und Koksstierer (Knochen- und Kokssammler), die auf der nahen städtischen Mülldeponie nach verwertbarem Material suchten. Als Gründer der Siedlung galt allerdings ein Straßenbahner, Martin Weiss. Armut, Versorgungskrise und der Leidensdruck in überbelegten Mietskasernen – Resultat der marktgesteuerten Wohnversorgung in der Gründerzeit – (Zimmerl 2002, S. 66) führten dazu, dass es schon während des Ersten Weltkriegs für viele WienerInnen keine Alternative zur Selbsthilfesiedlung gab. Wie in anderen peripheren Gebieten entstanden auch zwischen regulierter und alter Donau auf gerodeten Flächen im Auwald informelle Siedlungen – das Bretteldorf und der benachbarte Bruckhaufen.
Andre Krammer ist selbstständiger Architekt und Urbanist in Wien.
ist Stadtforscher und Umwelthistoriker in Wien.