»Feministische Forderungen sind tragbar«
Das Frauenforum A room of one’s own setzt sich aus den Künstlerinnen Tanya Bednar, Carola Dertnig, Petja Dimitrova, Eva Egermann, Anita Fricek, Kristina Haider, Juma Hauser, Moira Hille, Lisa Holzer, Katharina Lampert, Ursula Mayer, Sascha Reichstein, Patricia Reschenbach, Nina Stuhldreher und Sofie Thorsen zusammen. Mit dem Titel A room of one’s own beziehen sich die Künstlerinnen auf den 1929 entstandenen Essay von Virginia Woolf und auf die Wurzeln der Frauenbewegung. Das folgende E-Mail-Interview mit Ursula Maria Probst beantworteten die Künstlerinnen im Chatroom, wodurch sich anregende Diskussionen innerhalb des Forums ergaben. Auf eine Namensnennung wurde dabei verzichtet. Gewählt wurde anstelle dessen eine numerische Unterscheidung, die mit der Abfolge der oben erwähnten Namen nicht ident ist.
Das Frauenforum A room of one’s own setzt sich aus den Künstlerinnen Tanya Bednar, Carola Dertnig, Petja Dimitrova, Eva Egermann, Anita Fricek, Kristina Haider, Juma Hauser, Moira Hille, Lisa Holzer, Katharina Lampert, Ursula Mayer, Sascha Reichstein, Patricia Reschenbach, Nina Stuhldreher und Sofie Thorsen zusammen. Mit dem Titel A room of one’s own beziehen sich die Künstlerinnen auf den 1929 entstandenen Essay von Virginia Woolf und auf die Wurzeln der Frauenbewegung. Das folgende E-Mail-Interview mit Ursula Maria Probst beantworteten die Künstlerinnen im Chatroom, wodurch sich anregende Diskussionen innerhalb des Forums ergaben. Auf eine Namensnennung wurde dabei verzichtet. Gewählt wurde anstelle dessen eine numerische Unterscheidung, die mit der Abfolge der oben erwähnten Namen nicht ident ist.
dérive: Was war der Auslöser dafür, dass ihr euch als Künstlerinnen zu A room of one’s own zusammengeschlossen habt und welche Struktur liegt der Gruppe zu Grunde?
room1: A room of one’s own wurde von mir, auf Einladung, zum Experiment von Dorit Margreiter in der Secession etwas zu kuratieren, initiiert. Ich kam gerade aus New York zurück und war geschockt und wütend darüber, wie die Frauen/Künstlerinnen/Kritikerinnen/Theoretikerinnen/Archivarinnen/Politikerinnen-Frage aus meinem Umfeld ignoriert und ausgeklammert wurde. Also hat mich interessiert, ob es anderen auch so geht, und die haben dann wieder andere gefragt, und so hat sich die Gruppe gebildet. Das neue Buch Österreich ist in Männerhand habe ich zwar noch nicht gelesen, aber dem Titel würde ich zustimmen. Vielleicht sollte der Titel Österreich liegt schweigend in Männerhand lauten, doch es wird langsam allgemein besser.
room7: So sind wir eben eine sehr heterogene Gruppe. Es gibt die unterschiedlichsten Auffassungen von Feminismus; dieses widersprüchliche Potenzial bringt aber auch viele interessante neue Sichtweisen an die Oberfläche. Da muss ich an ein Interview denken, dass wir im Rahmen einer le tigre-Tour in Wien mit der Band le tigre geführt haben, bei dem Kathleen Hanna als Kommentar zum Album Feminist Sweepstakes sagte: »There are so many feminisms, like women on the planet.«
room2: Struktur gibt es keine in der Gruppe, wir arbeiten meistens projektorientiert, und dann arbeiten immer jene, die Zeit und Interesse haben.
room4: Die Herausforderung unserer Gruppe liegt gerade in dieser unstrukturierten Vorgehensweise und der großen Verantwortung, die jede dadurch hat. Prozesse und Dynamiken, die immer, je nach Anwesenden, unterschiedlich verlaufen, zeigen oft den Umgang, den wir miteinander haben, auf. Interessant ist, unser Verhalten zueinander immer wieder zu hinterfragen. Damit meine ich Mechanismen von Kategorisierungen und Ausschlüssen, die innerhalb von Frauen(gruppen) ja genauso vorkommen. Da sehe ich A room of one's own als »Forschungsterrain« für unser eigenes Verhalten in Gruppenzusammenhängen.
room3: Für mich war der Beweggrund, bei A room of one's own dabei zu sein, auch eine Frage der Sichtbarkeit. Nach wie vor sind Frauen in künstlerischen, aber auch in anderen Bereichen eindeutig unterrepräsentiert. Wobei das Schwierige im Umgang damit für mich vor allem die Sichtbarkeit dessen ist. Viele haben das Gefühl, dass mittlerweile eh alles in Ordnung ist, und wenn man nicht genau hinsieht, scheint das auch so zu sein. Es geht also auch um die Sichtbarmachung der nach wie vor herrschenden Unterschiede, was z. B. Karrieren und Repräsentation von, in unserem Fall, vor allem Künstlerinnen, angeht. Abgesehen davon war ich dadurch, dass ich nie eine Kunstuniversität besucht habe, auch isoliert mit meiner eigenen künstlerischen Arbeit und interessiert, in einem Austausch mit anderen Künstlerinnen zu stehen. Die offene Art, wie wir mittlerweile Projekte erarbeiten und überhaupt über Themen, die uns interessieren, diskutieren und gegebenenfalls darauf reagieren, ist für mich eine wunderbare Ergänzung zu meiner eigenen künstlerischen Arbeit, die sich thematisch nicht auf Feminismus bezieht. Für mich ist es vor allem eine empfundene politische Notwendigkeit, sich heute mit praktischem Feminismus (eben nicht in einer Theoriegruppe) auseinander zu setzen.
room7: Mich interessieren aber im besonderen Frauen, die sich nicht in die Kategorie Feminismus zwingen lassen, also Strategien abseits des Mainstream-Feminismus, z. B. Frauen, die Platz auf der Bühne einnehmen, die diesen auch sehr männlich besetzten Raum für sich erobert haben, etwa wenn wir an frühe Frauenbands denken, die dort die kraftvolle Kombination von Wut und Sexualität ausgelebt haben, welche den Raum für einen feministischen Aktionismus freigesetzt und die Politisierung zwischen Sexualität und weiblicher Identität vorangetrieben hat. Judith Butler bemerkt in einem Interview, dass sie Madonna-Fan sei und wie sehr sie die aggressive Darstellung von Sexualität in den Medien schätze, nicht als Identifikationsmöglichkeit für sich, aber um zu zeigen, dass man nicht willenloses Werkzeug oder Sklavin des Patriarchats ist.
room8: Was ist Mainstream-Feminismus?
room1: Ich denke, Madonna ist Feministin und le tigre auch. Doch Valie Export auch, wenn sie Peter Weibel als Hund in den siebziger Jahren an der Leine führt. Es sind eben verschiedene Ausgangspositionen. Chicks on Speed haben sich doch z. B. mit ihrer neuen Aufmachung sehr an Collagen orientiert, um neue Identifikationsmodelle auf der Bühne mit ihren Collagen zu kreieren, wo ich dachte: Aha, die haben sich nun an der bildenden Kunst orientiert. Ihnen haben es Hannah Höch und der gute Dadaismus angetan. Ich sehe die Bühne der Musikerinnen als nicht so etwas anderes als die Bühne in der Politik oder Kunst. Für mich geht es um den Mut, öffentlich zu handeln und die Wut in eine konstruktive Aktion umzusetzen – darum eben in keiner Form schweigen.
room7: Ich wollte keine Diskussion über le tigre oder Chicks on Speed, von denen habe ich nicht gesprochen, die sind Vorzeige- Feministinnen. Ihre Vorläuferinnen, also Frauenbands in den siebziger Jahren, sind eben nicht auf die Straße gegangen mit Bannern, sondern haben für sich die Bühne erobert. Fast alle von ihnen stehen dem Feminismus kritisch gegenüber (alternative Strategien zum Mainstream-Feminismus kommen davon!) und sind trotzdem extrem wichtig für unsere Generation.
room1: Zum Beispiel Andrea Fraser mit ihrem Vortrag Welcome finde ich einfach gut, da sie da sehr geschickt, ohne jemals in eine Opferhaltung zu geraten, anspricht, dass als Frau/Künstlerin der Olymp in dieser Form nicht erreichbar ist. Schön fand ich auch, dass sie dann noch geheult hat während des Vortrages. Im Video bei der Eröffnung ihrer Hamburger Ausstellung zog sie sich aus, während sie den Vortrag hielt, in dem sie das Prostituieren in der Kunst anspricht. Als sie das Video zeigte und zu weinen anfing, setzte sie alle Mittel ein, die von Frauen in der Offensichtlichkeit nicht dargestellt werden dürfen. Da setzen Frauen dieses Image und somit das angeblich hysterische Image in etwas Konstruktives um. Es ist ein Auslöser dafür, dass der/die Betrachterin ziemlich konsterniert den Raum verlässt.
room7: Ich finde Andrea Fraser auch super, auch ihre Arbeiten jetzt, in denen sie sehr kalkuliert mit Prostitution spielt, aber immer eindeutig feministisch, also auch irgendwie abgesichert agiert, oder?
room9: Ich finde ja eher, dass Spielen mit Prostitution und seinen eigenen Körper nackt zur Schau stellen, total abgesichert ist, weil es immer bei Männern (und die sind immer noch die Hauptkarriereförderer im Kunstkontext) total gut ankommt – fast egal wie feministisch oder institutionskritisch man das darzustellen versucht! Bloß sollte man sich bewusst sein und eingestehen, warum man damit bei wem genau punktet und ob man das überhaupt will oder wen man in Wahrheit erreichen will und ob das positive Feedback nicht eventuell aus der falschen Ecke kommt. Es kann ja auch eine bewusste Strategie sein, dadurch Leute zu seinem Publikum zu machen, die einem sonst nicht zugehört oder zugeschaut hätten.
dérive: Versteht ihr euch als Kollektiv?
room4: Jeder Zusammenschluss von mehr als zwei Personen ist automatisch ein Kollektiv. Ich mag für A room of one's own am liebsten die Bezeichnung Forum, da dies als Struktur eine Offenheit impliziert, die mir gefällt. Gerade da Diskussionen über Ein- und Ausschlüsse bei unseren Treffen immer wieder auftauchen, finde ich diese Offenheit wichtig.
room6: Eigentlich ist der Begriff für mich mittlerweile in einem sehr inflationären Gebrauch. Teilweise gilt er für mich gerade im Kunstkontext sofort bei Gebrauch als in einen sehr positiven Kontext eingeordneter und einer idealen Form geltender. Vielleicht sollten wir uns als Gruppe gerade hier diesem Begriff verweigern.
room8: Das ist eine interessante, aber auch sehr weit gefasste Frage; man müsste überlegen, was ein Kollektiv 2004 bedeuten könnte. Beim Wort Kollektiv denke ich spontan an den Kommunismus oder an eine Reihe von links-alternativen Lebensmodellen der siebziger Jahre. Damit können wir heute relativ wenig anfangen, wobei das natürlich unentbehrliche Ansatzpunkte sind, auf die wir aufbauen. Es wäre insofern interessant herauszufiltern, wo Überschneidungen und Divergenzen in unseren Denkansätzen und Handlungsweisen liegen, um den berühmten kleinsten gemeinsamen Nenner zu bestimmen. Natürlich drängt sich der Begriff der Differenz hier auf und das Modell der Multitude, die vielleicht geeignetere Werkzeuge sind, um zu umreißen, was ein feministisches Kollektiv heute bedeuten könnte.
room9: Bei A room of one’s own ist das allein schon deswegen anders, weil wir diskursiv zwar noch an einem sehr diffusen Punkt sind bzw. positiv formuliert nach wie vor ein sehr vielschichtiges Gebilde darstellen, aber in unserer Produktion tatsächlich bereits zu einer Art Kolletiv-Cyborg herangewachsen sind, der – wenn nicht sogar seinen eigenen formalen Stil – so zumindest doch schon bestimmte »kognitive« Mechanismen und Routinen in seinem Produktionsprozess entwickelt hat. Das verstehe ich durchaus positiv: Mit mehr als einer Person ist es nun mal sehr schwer, »richtige« Kunst zu machen. Denkt mal daran, wie ihr als Einzelkünstlerinnen funktioniert. In/mit was für Schritten, Methoden, Zuständen ihr produziert. Viele Entscheidungen finden oft in assoziativen, nicht komplett durchreflektierten Bereichen statt – ein schrittweises Wechseln zwischen bewussten und unbewussten Entscheidungen. room3: Kollektiv insofern, als es ein gemeinsames Interesse gibt, nämlich den Feminismus! Sonst haben wir ja oft sehr unterschiedliche Auffassungen und Interessen. Kollektiv kann für mich sehr kurzfristig sein, z. B. auch ein Chatroom zu einem bestimmten Thema. Ich fühle mich aber jetzt eher als Teil einer Gruppe als früher, ganz einfach deshalb, weil wir einander besser kennen.
room9: Wäre mir bei meiner Einladung zur Teilnahme gesagt worden, A room of one’s own sei ein Kollektiv, bin ich mir nicht sicher, ob ich eingestiegen wäre. Für mich ist das nämlich nach wie vor ein sehr starker Begriff, der, wenn man ihn in seiner ursprünglich sozialistisch-marxistischen Bedeutung liest, sehr radikale Verzichte und ein Aufgehen in der Gruppe beinhaltet. Das finde ich gleichermaßen spannend, schön und utopisch wie auch erschreckend (ich denke da an Brechts Lehrstücke, besonders das vom Jasager und vom Neinsager, das in seiner Erstfassung eine solche selbstverleugnende Unterwerfung des Ichs unter die Zwecke der Gemeinschaft beinhaltete, dass Brecht es nach einer Protestwelle bei seiner Erstaufführung in einer Schule tatsächlich umschrieb). Was bei uns an Ansätzen des Kollektivbegriffs vorhanden ist, ist ja zum Beispiel, dass wir darauf verzichten, zu benennen, wer welche »Leistung« gebracht hat. Das finde ich sehr schön, dadurch wirken wir als Gesamtheit sehr stark und talentiert. Jede bringt ihr Bestes ein, und das Gesamtbild profitiert davon. Mit der Entscheidung, neuerdings unsere Namen wegzulassen, bin ich allerdings nur so halb zufrieden. Ich habe nicht generell etwas dagegen, ich finde nur, dass es nicht komplett reflektiert wurde, wann und unter welchen Bedingungen es sinnvoll ist und wann nicht. Ein vom Einzelnamen befreites Kollektiv an der Schnittstelle Kunst und Feminismus finde ich dann sinnvoll, wenn es als eine Art Schutzraum funktioniert, wenn zum Beispiel im Namen der sicheren Gemeinschaft Dinge kritisiert werden, die man sich allein nicht trauen würde zu sagen. Das fand ich ganz passend bei der Go Jenny Go-Aktion oder der Schenkung. Bei anderen Aktionen/Strategien/Anliegen, wie eben zum Beispiel bei der Rockproduktion, verstehe ich den Sinn nicht. Damit, finde ich, reproduzieren wir traurigerweise auch noch das Negativphänomen bisheriger, männerbündisch geprägter Kunstgeschichtsschreibung, nämlich, dass weibliche Künstlerinnen, deren Werke und Namen, ständig vergessen, unterschlagen, ins Abseits gedrängt werden. Und lassen uns vor allem auf eine Schiene festlegen, in der man(n) die Frauen nur allzu gerne sieht: sozialen Zielen zuliebe sich selbst aufopfern, das eigene erinnerungstechnische Untergehen in Kauf nehmen, Energien in die Gemeinschaft stecken anstatt in den eigenen Erfolg, für das Gemeinwohl arbeiten und sich nicht beklagen, es sogar gerne und aus Überzeugung tun. Mein sozialistisches Herz und das links-christlich geprägte Urprogramm in mir schlagen zwar höher bei der Vorstellung von so viel Bereitschaft zu Nächstenliebe, aber meine hochintelligente Muschi sagt mir: Das kann nicht sein!
dérive: Wie groß ist die Solidaritätsbereitschaft innerhalb der Gruppe, einander als Künstlerinnen oder als DJ zu unterstützen?
room8: A room of one’s own ist eine Gruppe von 15 Frauen, die sehr unterschiedliche Charaktere, Hintergründe, Arbeits- und Denkweisen haben. Gemeinsames Anliegen ist sicher, Felder für sich und andere Frauen aufzumachen. Man kann sich aber keine gleichgeschaltete Gruppe vorstellen, wo immer alle »richtig funktionieren«; also, um die Frage zu beantworten: Bedingungslose Solidarität innerhalb der Gruppe wäre eine romantische Vorstellung. Wie in jeder Gruppe gibt es auch hier gewisse Dynamiken: Manche sind näher befreundet, manche verstehen sich auf intellektueller Ebene gut, manche arbeiten kunstmäßig mit verwandten Themen oder in ähnlichen Sparten, manche kennen sich weniger gut oder haben auch tendenziell entgegengesetzte Meinungen. Diese Dinge sind natürlich auch ausschlaggebend, wenn es um Unterstützung und Solidarität geht. Interessant ist die Frage sicher an dem Punkt, wenn es um Öffentlichkeit, Machtpositionen, Karriereschübe etc. für Einzelne geht, nämlich unter dem Aspekt: Wie wird in Hinsicht auf die Gruppe damit umgegangen bzw. gibt es Bestätigungen und Unterstützungen von der Gruppe?
room5: Ich habe da auch Vertrauen; wenn wir uns nicht gegenseitig fördern, wer tut es dann? Außerdem macht es ja auch Spaß, wenn einem etwas einfällt zu jemanden, sei es Job, Arbeit, Wohnung. Schön wäre es, wenn es im »Frauensystem« mehr Geld gäbe, um sich zu fördern, aber das gibt es nicht, und das sagt schon alles aus darüber, dass die Einkommen nicht den Einkommen des »Männersystems« entsprechen. Mir fällt bei der Kunst immer wieder ein: Es gibt ja kaum Sammlerinnen.
dérive: Seht ihr euch als Teil einer feministischen Bewegung?
room2: Selbstverständlich! Aber ich stelle mir halt die Frage, was das ist – eine feministische Bewegung. Gibt es die? Und was würde die wollen?
dérive: Wie kann heute Feminismus praktiziert werden und welche Rolle spielt dabei die Besetzung von institutionellen und öffentlichen Räumen?
room4: Eine generelle Antwort auf die Frage, wie Feminismus heute praktiziert werden kann, weiß ich nicht. Das Bedürfnis nach »feministischer Betätigung« kommt meinen Beobachtungen nach meist während oder kurz nach dem Studium auf, wo erste Erfahrungen mit Ausschlüssen in Institutionen etc. gemacht worden sind und damit die Unzufriedenheit und der Drang, etwas verändern zu wollen, entstehen. Die Erkenntnis, als weibliche Künstlerin nach wie vor immer wieder mit bestimmten Klischees und unausgesprochenen, aber dennoch latent vorhandenen Vorstellungen davon, wie man als Künstlerin zu sein hat, konfrontiert zu werden, lässt mich dafür kämpfen, durch das, was ich bin und was ich mache, anerkannt zu werden. Kategorien, die meist negativ besetzt werden, von Frauen und von Männern, betreffen nach wie vor Frauen.
room1: Feminismus oder eine Feministin zu sein, ist ja auch heute wieder nicht so cool und oft ein Schimpfwort. Linda Bilda, die ich im übrigen ungemein schätze, hat einmal ein Bild gemalt von einer Frau, die ein Transparent in der Hand hält, auf dem steht: »Ich bin eine Feministin«. Es war eine Abwandlung des Kartons, den der von der RAF entführte Hanns-Martin Schleyer hielt: »Ich bin ein Schwein«. Eben: Warum ist Feministin immer noch ein Schimpfwort? Dadurch, dass Linda es so umkonstruiert hat, ist es für mich ein Schlag zur Ritterin. Bei ihrem Bild ist es mir so bewusst geworden. Ich habe das Bild, als Plakat, meiner Mutter zu Weihnachten geschenkt. Schließlich ist sie doch Hardcore-Feministin der siebziger Jahre, was natürlich völliger Quatsch ist, da sie sich damals für ähnliche Dinge eingesetzt hat wie wir heute. Aber leider gibt es noch ein großes Manko im Feminismus und der Geschichtsschreibung und Archivierung, also im Weitergeben an die nächsten Generationen. Warum ist die feministische Geschichtsschreibung so schiffbrüchig? Nehmen wir uns nicht ernst genug? Das verstehe ich überhaupt nicht. Noch ein Grund, wütend zu sein!
room6: Sicher wäre es gut, diesen Begriff permanent zu erneuern, damit das Ganze nicht immer wieder in Identitätsprojekten endet. Aber gerade weil er so unterschiedlich verwendet wurde und wird, aber dennoch eben zu einem Begriff mit Zuschreibungen geworden ist, sollte es ein Projekt sein, Feminismus aus der Begrifflichkeit zu heben und weiterzudenken. Es ist also für mich vielleicht viel mehr eine »strategische« Frage, an welchen Punkten wir mit diesem Begriff hantieren und an welchen es unumgänglich ist, sich daraus zu entfernen, um neue Begriffe zu entwickeln.
dérive: Eurer Projekt Feministische Forderungen sind tragbar ist ein anziehbarer Rock, der zu einem Transparent umgestaltet werden kann. Bei der diesjährigen Biennale sind die Röcke als Transparente an die Wand gehängt. An welchen Demonstrationen habt ihr euch damit bereits beteiligt und welche Aktionen plant ihr?
room5: Wir haben einmal an einer Demonstration mit den Röcken/Transparenten teilgenommen, am 8. März zum Internationalen Frauentag. Aber gleichzeitig werden die Röcke ja nicht nur von uns, sondern von vielen anderen getragen. Ich verstehe die Röcke im Ausstellungskontext allerdings viel mehr als Zeichen und weniger als reales Transparent oder Rock. Außerhalb der Institution können sie dann diese andere Funktionen einnehmen. Dass die Röcke nicht nur zwischen den Funktionen »Rock« und »Transparent«, sondern auch zwischen »Kunstobjekt/Zeichen/Bild« und »funktionalem Objekt« wechseln können, ist für mich eine Stärke der Arbeit.
dérive: Wie sehr spielt in euren Projekten die Frage nach der weiblichen Präsenz im Kunstbetrieb eine Rolle? Mit Flyern wie Go Jenny Go während der Eröffnung der Ausstellung Go Johnny go in der Kunsthalle Wien lenkt ihr die Aufmerksamkeit auf die geringe Beteiligung von Frauen an dieser Ausstellung. In der Ausstellung Mothers of Invention weist ihr mit einem Brief, der mit der Aufforderung zum Ankauf eures Frühwerks an internationale Museen versendet wurde, darauf hin, wie wenige Museen das Risiko auf sich nehmen, Frühwerke von Künstlerinnen anzukaufen. Ist dies ein Aufruf dazu, offensive Strategien gegen diese Museums- und Kunstpolitik zu forcieren?
room3: Es ging bei der Arbeit für die Ausstellung Mothers of Invention nicht um eine Aufforderung zum Ankauf unseres Frühwerks, sondern um die Schenkung unseres »Frühwerks« an diverse internationale Museen. In der Arbeit geht es vor allem darum, dass Frauen oft viel später als ihre männlichen Kollegen eine repräsentative Museumsausstellung haben. Abgesehen davon geht es natürlich auch um die Unterrepräsentation von Künstlerinnen in Museumssammlungen, und mit der Annahme unserer Schenkung würde diese etwas geringer werden.
André Thomsen