Erik Meinharter


Die Niederlande sind seit Jahren routiniert im Umgang mit Massenpartys. Die Bekannteste ist die am Königinnentag in Amsterdam, bei dem die Innenstadt an einem Tag von mehr als einer halben Million BesucherInnen als eine einzige Event-Stadt benutzt wird. Die Vielfältigkeit der Leisure-, Sport-, Music-, und Shopping-Events und Einrichtungen ist auf ein fast unüberschaubares Maß angewachsen. Sie reichen von KidZCity einem Indoorspielplatz in einer alten Fabrikhalle bis zur Snowworld mit dem Ayers Rock Climbing Centre mit seinen künstlichen Schihängen, Aprés-Ski-Bar und Österreichklischee inklusive.
Tracey Metz, Kommentatorin des NRC Handelsblad im Bereich Architektur, Städtebau und Landschaft, versucht mit Ihrem Buch FUN! – Leisure and Landscape auf diese Entwicklung zu reagieren und ihre Auswirkungen zu beschreiben. Den Hauptbestandteil des Buches bildet die dokumentarische Beschreibung der Veranstaltungen und deren Megaarchitekturen.
Die stadtstrukturrelevanten Projekte werden im Buch verstreut und unstrukturiert abgehandelt. So beschreibt Metz das Omniworld Sportscenter bei Almere Poort (auf dem Flevopolder) mit seinen 345 Millionen Euro Entwicklungs- und Baukosten als massiven Entwicklungsschritt für die jüngste Stadt der Niederlande, ohne auf die konkreten Auswirkungen einzugehen. Andererseits ziehen Megathemenparks wie der Umbau des Willemsoord-Hafens zum Themenpark The Netherlands at sea mit 113 Millionen Euro Investitionsvolumen im nordholländischen Den Helder Umstrukturierungen von 227 Millionen Euro nach sich. Sie haben auch gesellschaftliche Relevanz, wie die Amsterdamer ArenA (Fußballstadion, Arena Boulevard mit an diesen angelagerten 200.000m2 Büros und 20.000m2 Megastores mit Megacinema, Villa Arena Home Interior Shopping Mall und Heineken Music Hall) die als Kontrollzentrum im Bereich der umliegenden „unkontrollierten“ Stadtteile neben „problematischen Vierteln“ entwickelt wurde. Neben ihr befindet sich das Bijlmermeer, ein vielfach beschriebenes Wohnprojekt aus den 60er-Jahren, welches sich in ein segeregiertes Wohngebiet für ZuwanderInnen entwickelt hat. Eine Stadt in der Stadt, die nun erneuert (im Klartext: abgerissen) werden soll. Dass hier gesellschaftliche Konflikte über implantierte Vergnügungseinrichtungen ausgetragen werden sollen, ist augenfällig. An diesen Themen „spaziert“ Metz (im Romanstil) vorbei und streift die Spannung bildenden Kontraste der Spektakelgesellschaft in Ihrer Konfrontation mit der Lebensumwelt höchstens leicht. Immerhin erwähnt sie in diesem Zusammenhang den Prozess der Gentrification.
Die Entertainment Bauten entlang der Autobahnen verfestigen langsam das gesamte Land als Network-City. Die Niederlande sind ein Land des täglichen Verkehrs, sei es per Auto auf den verstopften Autobahnen oder mittels des öffentlichen Verkehrs in den überfüllten Zügen, jedeR bewegt sich zwischen netzartig verbundenen Kleinstädten. An diesen Bewegungslinien entstehen dann die Leisure-Architekturen und Landschaften und verdichten so den ländlichen zu einem urbanen Raum. Selbst in dem jahrelang gehüteten so genannten „grünen Herz“ im Westen des Landes entwickelten sich aufgrund der Rechtslage, die Bauten für temporäres Wohnen erlaubt, Ferienhaussiedlungen, welche die Verdichtung in diesen Gebieten vorantreiben.
Gleichzeitig bilden die Fun-Architekturen Cluster in und an den Kleinstädten, aufgrund des Wettbewerbs um BesucherInnen, BewohnerInnen und TouristInnen. Es wird investiert und in Kauf genommen, dass die entwickelten Gebiete der Leisure-Industrie, wenn sie der Konkurrenz nicht standhalten, als Spaßruinen zurückbleiben. Metz fordert hier – wohl spaßeshalber – eine Abgabe für diese Strukturen ähnlich der Entsorgungsgebühr für Kühlschränke.
Die Diskussion der dargestellten Beispiele findet jedoch nicht statt. Es fehlen im Buch Beschreibungen jeglicher gesellschaftlichen Zusammenhänge und Diskussionen von Fragen wie: Wer benützt die Leisure-Einrichtungen? Wer profitiert davon? Die andere Hälfte des Buches bestimmen die Fotoreportagen von Janine Schrijver und Otto Snoek. Janine Schrijvers Bilder versammeln die Architekturen der FUN-Institutionen und bilden dadurch den räumlichen Einfluss und die gestalterischen Formen der FUN-Gesellschaft ab. Die versammelten Hallen einer sich schreiend unterscheidenden Formensprache. Die Funktionsgebäude der FUN- und Freizeitunterhaltungsindustrie. Otto Snoeks Fotographien hingegen stellen die diese Architekturen und Veranstaltungen benutzenden Menschen dar. Nach und vor sowie bei Mega-Events und Großveranstaltungen. Erschöpft, begeistert und konzentriert wirken die in ihren Vergnügungshandlungen verwickelten Personen.
Eine mit diesen umfangreichen textlichen und bildlichen Beschreibungen verbundene Aufarbeitung der Mechanismen der Vergnügungsindustrie hätte dem Buch in jedem Falle gut getan.

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www.janineschrijver.nl


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