GOT DAMP
Kunstinsert von Avril CorroonDrei Jahre lang hat Avril Corroon das Potenzial von Feuchtigkeit und Atemluft als Material für ein Kunstprojekt erforscht. Allerdings konzentrierte sich die Künstlerin auf eine ganz bestimmte Feuchtigkeit, nämlich jene, die sich aufgrund von mangelhaften Baustoffen, fehlenden Lüftungen etc. in Wohnungen in England und Irland bildet, und die in weiterer Folge zu Schimmelbildung und gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Die Schäden, mit denen die Mieter:innen in Warteschleifen hängengelassen werden, kennzeichnen auch ein System, das von überteuerten Mieten gekennzeichnet ist, und deshalb die Mieter:innen mit dem ›Recht auf Wohnen‹ allein lässt.
Im Mittelpunkt ihrer Materialrecherche stand ein über zwei Jahre andauernder Austausch mit 55 Haushalten aus London und Dublin, die sich über verschiedene Aktivitäten und Workshops sowie über eine Einladung an Mitglieder der Mieter:innen-Organisation Community Action Tenants Union Ireland beteiligten. Die Künstlerin stellt energieeffiziente Luftentfeuchter und fachliche Unterstützung im Umgang mit Feuchtigkeit zur Verfügung und bat im Gegenzug die Bewohner:innen, die Feuchtigkeit in ihren Wohnungen als Material für ein Kunstwerk zu sammeln. Dieser langwierige Prozess war auch Anlass, die Teilnehmer:innen bei der Ausübung ihrer politischen Stimme zu unterstützen. Insgesamt wurden 1.800 Liter Wasser gesammelt. Die Schäden kennzeichnen auch ein System, das das Recht auf Wohnen in die private Verantwortung entlässt.
Avrils Untersuchung zielt darauf ab, die Feuchtigkeit als einen Signifikant zu begreifen, der die sozioökonomischen Bedingungen und Strukturen, die ihn hervorgebracht haben, darstellt. Das resultierende Kunstwerk besteht aus einer Installation, deren bauliche Struktur dem Grundriss eines Wohnraums nachempfunden ist und aus doppelschaligen Wänden aus durchsichtigem Kunststoff gebaut ist. Das von den Teilnehmer:innen gesammelte und in Kanistern aufbewahrte Wasser wird abgepumpt und gefiltert, bevor es an der Innenseite der Plexiglaswände herunterläuft. Im Mittelpunkt der Installation stand ein 30-minütiger Film der Künstlerin, der die Erfahrungen von Haushalten dokumentiert, die mit Feuchtigkeit in ihren Häusern leben. Für das Insert wählte sie ein Interview aus, das die innere Doppelseite mit den Installationsfotos ihrer Ausstellung im Project Arts Centre in Dublin rahmt. Auch hier zeigt sich die spezielle künstlerische Ästhetik, mit der es Avril Corroon gelingt, komplexe gesellschaftspolitische Inhalte fast distanziert zu präsentieren. Die inhaltlichen Fäden, die von den Wasserkanistern, -schläuchen oder Myzelen ausgehen, sind eine Einladung an die Betrachter:innen, weiterverfolgt zu werden.
Got Damp ist eine Installation, die sich mit Feuchtigkeit als ›Krise der Natur im Haus‹ und der Erfahrung des Prekariats im heutigen Großbritannien und Irland beschäftigt. Das Projekt wurde 2023 im Londoner TACO! und dem Dubliner Project Arts Centre gezeigt. Es steht in Zusammenhang mit Avril Corroons bereits länger verfolgter Frage, wie Mängel in künstlerisches Material transformiert werden können. So nutzte sie für Spoiled Spores die Schimmelbildung in Wohnungen, um aus den Sporen Käse zu züchten, der dann im Ausstellungsraum elegant in Glaskühlschränken präsentiert wurde.
Barbara Holub / Paul Rajakovics
Avril Corroon hat am NCAD (Dublin) und am Goldsmith College in London studiert. Zuletzt zu sehen waren die Einzelausstellungen Cow & Gate am Sismógrafo in Porto (2022) und No Smoke Without, Mayfair, London (2022). Das Insert in dérive ist im November 2023 im Rahmen des EU-Projektes SPACEX (Spatial Practices for Art and Architecture towards Empathetic Exchange), für das sie als Artistic Researcher an der Universität für angewandte Kunst in Wien war, entstanden. Im Dezember 2023 erscheint ein Buch über GOT DAMP, das die Dokumentation der Forschung mit Wärmebildkameras, des Prozesses sowie der Installationsbilder detailliert zeigen wird. Im Jänner 2024 wird sie Arbeiten in der Ausstellung this is perfect, perfect, perfect im Kunstraum Kreuzberg beim transmediale-Festival in Berlin zeigen. www.avrilcorroon.com
Avril Corroon hat am NCAD (Dublin) und am Goldsmith College in London studiert. Zuletzt zu sehen waren die Einzelausstellungen Cow & Gate am Sismógrafo in Porto (2022) und No Smoke Without, Mayfair, London (2022).
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.