» Texte / Haltungen sind infektiös! Bewegung ist ansteckend!

Christoph Laimer

Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive.


Volkstanz.net ist eine Plattform, an der sich jede/r beteiligen kann, der seine/ihre Statements/Kritik an Schwarzblau äußern will und einen Beitrag zu einer politisierten Volkskultur und einer Kultur der Straße leisten will.

dérive: In eurem Manifest ist davon die Rede die Straße zurückzufordern. Was heißt das konkret für euch? Welche Bedeutung hat für euch Straße im Allgemeinen und als Ort politischer Aktion? Wie seht ihr Gruppen wie z.B. Reclaim the Streets?

Volkstanz: Wir sehen in der Eroberung des Ortes Straße, als naheliegendsten öffentlichem Platz, unter zwei Aspekten. Die gesamte Bewegung gegen Schwarz-Blau hat versucht die »Straße« als politischen Raum zu beanspruchen. Wir im Besonderen versuchen, ein bestimmtes »Milieu«, nämlich die Menschen, deren Leben sich rund um Clubculture entwickelt, die ja in Clubs nicht nur ihre Freizeit verbringen, sondern mehr oder weniger auch ihre ökonomisches und soziales Leben um den Ort »Club« entwickeln, auf der Straße sichtbar zu machen. Dies ist der Ausdruck sozialer und nunmehr auch politischer Formierung eines Subjekts. Reclaim the Streets sehen wir als wichtigen Bezugspunkt, weswegen wir den »Slogan« auch immer wieder selbst verwenden!

dérive: Ihr versteht euch als Teil der Widerstandsbewegung gegen Schwarzblau, plant ihr auch darüber hinaus politische Aktivitäten oder würdet ihr euch für den Fall es gäbe z.B. eine Rot-Grüne Koalition wieder auflösen?

Volkstanz: Konrad Becker hat es einmal, für volkstanz.net auf einem Podium sitzend, auf den Punkt gebracht: »Das beste, was ich mir vorstellen kann, wäre, wenn diese Regierung geht und der Widerstand bleibt.«

dérive: Was ist kritischer Hedonismus?

Volkstanz: Eine Fähigkeit, die zunehmend an Bedeutung gewinnt und Grundlage ist für eine Kultur des Eskapismus, die über einen simplen Hedonismus hinausführt, hedonistisches Engineering für eine vor Angst gelangweilte Gesellschaft. Angst einzusetzen um Verhaltensänderungen zu bewirken, ist besonders dann zielführend wenn Empfehlungen vermittelt werden die dem Ziel effektiv und vor allem durchführbar erscheinen. Menschen brauchen Fluchtwege nicht nur aus politischer Unterdrückung oder Ausgrenzung: es müssen Wege gefunden werden um aus einem dämonischen Kreislauf erzwungener Lohnarbeit und erzwungenem Freizeitverhaltens zu entkommen. Es ist notwendig sich der symbolischen Dominanz und kulturellem Entertainment zu entziehen, Eskapismus bietet auf längere Sicht ein wesentlich erfolgreicheres Modell als der ordinäre Pankapitalismus.

dérive: Oliver Marchat schreibt in Bezug auf Volkstanz: »Auf kurz oder lang wird wohl ein Wechsel nötig vom Spaß des Protests in die Mühen der politischen Ebene.« Ist für euch dieser Zeitpunkt schon erreicht und wenn ja, wie sieht euer Konzept bzw. eure konkrete Arbeit aus?

Volkstanz: Dieser Zeitpunkt ist natürlich schon erreicht. Seit Monaten stellt volkstanz.net jede Woche eine komplette Anlage am Heldenplatz auf, über 200 verschiedene Djs sind bereits aufgetreten. Jede Woche versuchen wir einen politischen Moment näher zu beleuchten. Mit Textbeiträgen, die sowohl auf der WEB-Site zu lesen sind, als auch bei den volkstanz-Demos verteilt werden, versuchen wir inhaltliche Arbeit zu forcieren. Soweit ich das überblicke sind wir vergleichsweise - mit anderen Widerstandsinitiativen - weit in die »politische Ebene« vorgedrungen.

Manifest von Rupert Weinzierl

Alle Schmähungen sind willkommen: Wir sind die hedonistische Internet-Generation, der Dancefloor-Flügel des Resistance Movements. Wir fordern die Straßen zurück, wollen mit dem Medium der politischen Street-Party die Territorialisierung der Jugendkultur aufheben. Gesellschaftliche Auseinandersetzungen werden im Repräsentationskapitalismus nicht allein auf dem Gebiet der Ökonomie und Politik entschieden, sondern zugleich auf kulturellem und ideologischem Gebiet. Pop ist unser Feld, das wir mit Guerilla-Semiotik beackern, kritischer Hedonismus unsere Utopie, die wir den Realitätskonstrukten der Machthaber entgegenhalten. Unsere politischen Interventionen schaffen Terrains der Verstörung, in denen Subversion wieder möglich wird. Wir kommunizieren exzessiv, aufgezwungenen Realitätskonstrukten setzen wir hingegen Störfelder der Nicht-Kommunikation entgegen. Wir führen den Gnadenstoß gegen Kulturpessimismus, schale Adorno-Aufgüsse und linke Larmoyanz, verkoppeln Pop mit Widerstand und emanzipativen Forderungen, setzen auf Tempo, Hedonismen und Pop und nochmals Pop, um zu deterritorialisieren. Wir knüpfen neue Stränge aus Pop, Kunst und Theorie, die aber nicht in fixen Oppositionsgebinden kristallisiert werden sollen. Simultan werden temporäre autonome Zonen generiert und makropolitische Allianzen geschmiedet, denn wir befinden uns mitten in einem Ringkampf um kulturelle und politische Hegemonie.

Forderungen von Volkstanz

Wir fordern...

  1. Die Bundesregierung auf, die in Österreich bestehenden institutionellen und alltäglichen Rassismen nicht weiter zu leugnen oder zu ignorieren, sondern Stellung zu nehmen und Maßnahmen zu deren Bekämpfung zu ergreifen. Eine Aufklärungsinitiative »Was ist Rassismus« in öffentlichen Einrichtungen (Schule, Bundesheer, Polizei, Behörden etc.), eine aktive Migrationspolitik sowie eine Politik der rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gleichstellung unabhängig von Nationalität und Herkunft. BürgerInnenrechte unabhängig von Staatsbürgerschaft.
  2. Ein Antirassismusgesetz (in Anlehnung an das Wiederbetätigungsgesetz). Die Gleichbehandlung bei allen Sozialleistungen unabhängig von Herkunft und Nationalität. Anspruch auf Gemeindewohnungen unabhängig von Herkunft und Nationalität. Wahlrecht für alle Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben. Antirassistische Sprachregelungen in öffentlichen Einrichtungen. Eine unabhängige Kontrollinstanz für rassistische Diskriminierungen, Handlungen und Äußerungen in öffentlichen Einrichtungen, Medien und im Bereich politischer Kommunikation, ein Verbot von »keine Ausländer«-Klauseln bei Stellen- und Wohnungsangeboten. Polizeiunabhängige Untersuchungen von rassistischen Übergriffen im Polizeiapparat. Die Abschaffung von Schubhaft.

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