It stands, because all the components want to collapse at the same time
Kunstinsert von Katrin Hornek»If Architecture could talk« ist der Titel einer Videoarbeit von Katrin Hornek (http://vimeo.com/19060726) über Jurten, ihren Gebrauch, ihre Aneignungen, ihre Temporalität und
Dekontextualisierung in Österreich und der Mongolei (2009/2010). Der Titel könnte aber
auch für die akribische, fast psychoanalytische Nachfrage an das Gebaute bzw. die Basis
von Architektur stehen.
Katrin Hornek beschäftigt sich mit Fragestellungen, die das Sein von Architektur existenziell betreffen. Dabei gehen ihre Fragen viel weiter, als dies in der Architektur üblich ist. In der hier vorgestellten Arbeit »It stands, because all the components want to collapse at the same time«, die Katrin Hornek in den Shiryaevo Höhlen 2013 anlässlich der Shiryaevo Biennale realisiert hat, geht sie von einem Zitat von Heinrich von Kleist aus: »Es (Anm. das Gewölbe) steht, antworte ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen – und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir bis zu dem entscheidenden Augenblicke immer mit der Hoffnung zur Seite stand, dass auch ich mich halten würde, wenn alles mich sinken lässt.«[1] Das Zitat ist zentraler Ausgangspunkt dieser Installation: »Der Satz hat mich in seiner zeitgenössischen Relevanz überrascht. Durch die Aktualisierung (he replied/one replies) wird der Versuch unternommen einen Bogen zwischen der Zeit der Aufklärung und unserer Gegenwart zu spannen, in der man ununterbrochen hört, das alles ›too big to fail‹« ist, sagt Katrin Hornek.
Der Titel der dreiteiligen Installation, die englische Übersetzung von Kleists Zitat, wird von einem LED Display (»Dialogue«) als Loop abgespielt. Das Wort »components« verweist aber auch auf ein weiteres Objekt dieser Installation: Ein Bogen (»Rainbow«) aus Polyurethanschaum (siehe erste Seite des Inserts) steht für all die klebrigen Komponenten, welche eigentlich nur Beiwerk einer sauberen Konstruktion sind. In der Zeit von Kleist war dies im Wesentlichen nur der Mörtel. Heute werden auf unseren Bauwerken Silikon, Polystyrol und eben Polyurethanschaum verklebt.
Mit der klebrigen Materie auf der einen Seite einer räumlichen Intervention steht der Raum in all seiner Mehrdeutigkeit auf der anderen Seite in einem bestimmten Kontext. Die Höhle mit den Eingriffen von Katrin Hornek stellt eine »Site« im Sinne Robert Smithsons dar. Ihr Pendant der Non-Site findet seinen Ausgangspunkt im invertierten Whitecube als kleinem Objekt (»White Cubes«) aus weißen Fließen (siehe erste Seite und Mittelbild). Es stülpt quasi seinen neutralen Innenraum nach außen und referenziert somit eine klare Geometrie in die Installation selbst. Die Frage von Site und Non-Site entstand für Robert Smithson aus der Fragestellung der (unmöglichen) Transformation von Landartprojekten (wie sein berühmtes Spiral Jetty) zu anderen Orten, die nicht zuletzt durch die Einladung zu Ausstellungen bestimmt wurden. Diese Fragen der Translokation sind auch konsequentes Thema von Katrin Hornek. Sie verknüpft, wie schon eingangs erwähnt, in ihrer Arbeit oft weit auseinander liegende Orte. Drei ihrer diesjährigen Ausstellungs- und Interventionsorte sind ebenfalls recht weit voneinander entfernt: Los Angeles (Global Commons, Office Hours, L.A., ab 2.5.2014), Peking (Red Gate Gallery, Beijing, 2015 von Juni bis August) und Innsbruck (Tiroler Künstlerschaft, 3.9. bis 11.10.2014).
Weitere Informationen: http://www.katrinhornek.com
Kleist, Heinrich von, Sämtliche Werke und Briefe. Zweiter Band, hg. v.H. September, München 1970, S. 583; zitiert nach: De Bruyn, Gerd, Fisch und Frosch oder die Selbstkritik der Moderne, Berlin 2001, S. 36. ↩︎
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Katrin Hornek
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.