Maja Lorbek


Das Phänomen des urban gardening, der kollektiven Bewirtschaftung von städtischen Brachen als Nutz- und Ziergärten als auch als soziales Experiment, lässt auch das Interesse an der traditionellen Form der Kleingärten erneut erstarken. In einigen europäischen Ländern verfügen diese über eine lange Tradition, eine legale Absicherung und sind in die Stadtplanung eingebunden. In anderen sind urbane Kleingärten ein vergleichsweise junges Phänomen. Das vorliegende Buch basiert auf einem vier Jahre dauernden EU-finanzierten Vernetzungsprojekt von 170 WissenschaftlerInnen aus 31 Ländern im Rahmen einer so genannten COST Action. Das COST-Programm dient vorwiegend der Vernetzung von Forschenden, wobei Grundlagenforschung nur in kleinerem Ausmaß betrieben werden kann.
Die Publikation ist in vier Teile unterteilt: Stadtplanerische und legale Rahmenbedingungen des Kleingartenwesens, Ökologie der Kleingärten, Raumplanung und Gestaltung sowie gesellschaftliche Aspekte von Kleingärten. Leider gibt es keine zusammenfassenden Einleitungen zu den vier Kapiteln. Die Beiträge spiegeln die spezifischen Qualitäten von Kleingärten wieder und gehen auf die Bedeutung und zum Teil fehlende Verankerung der Kleingärten in der Stadtplanung ein. Neben der sozialen Bedeutung gemeinschaftlicher Gartenanlagen sind Kleingärten ein wichtiger Beitrag für die Ökosystem-Dienstleistungen dicht verbauter Städte. Die vielen Qualitäten urbaner Kleingärten werden in zahlreichen Beiträgen ausführlich behandelt. Die Artikel basieren vielfach auf empirisch fundierten Fallbeispielen, die für das Verständnis lokaler Bedingungen wichtig und interessant sind. Insgesamt ergeben die aufwändig dargestellten Fallbeispiele ein fragmentiertes Bild, das mit der Vielfalt der nationalen kleingärtnerischen Traditionen korrespondiert. Die Pluralität der Traditionen und Praktiken spiegelt sich auch in der legalen Rahmenbedingung für die Kleingärten wieder.
In dem vielleicht wichtigsten Beitrag zum Thema der Kleingartenidee und der Rolle der Raum- und Stadtplanung geben die AutorInnen einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen nationalen Planungsinstrumente und den legalen Rahmen für urbane Kleingärten und zeigen die Widersprüche auf, die kleingärtnerische Nutzung in räumlich disparat wachsenden europäischen Städten auslösen kann. Kleingartenareale in wachsenden Städten sind zunehmendem Druck nach besserer Verwertung der Grundstücke und der Konkurrenz von neueren, gehypten Formen des urbanen Gärtnerns, wie urban gardening, Nachbarschaftsgärten bis hin zu guerilla gardening, ausgesetzt. In schrumpfenden Regionen und kleineren Städten, die an Bevölkerung verlieren, besteht die Gefahr des Leerstandes. Ziel des Buches (und des Forschungsprojektes) ist die Darstellung der strategischen Entwicklung der Kleingärten in den unterschiedlichen urbanen Kontexten als auch das Aufzeigen der ökologischen, sozialen und nachhaltigen Funktionen die Kleingartennutzung erfüllt. Allerdings besteht weiterhin Forschungsbedarf und vor allem die Notwenigkeit der Diskussion darüber, wie und ob diese einzigartige Nutzung der Stadt, die sich der kapitalistischen Verwertungslogik entzieht, in die Stadtentwicklung einzubinden ist. Apropos kapitalistische Verwertungslogik: An dieser Stelle kann ich nicht umhin, auf den sehr hohen Preis für die gedruckte Ausgabe dieses Buches hinzuweisen. Auch in diesem Fall stellt sich die Frage, warum Publikationen über öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse nicht generell open access zur Verfügung stehen und stattdessen die Kassen privater Verlage füllen. Die E-Book-Ausgabe ist leistbar und zeigt damit an, was uns künftig wohl generell erwartet.
Für alle, die sich mit dem Thema der Gemeinschaftsgärten, Kleingärten und strategischen Entwicklung der Stadt befassen, ist die Publikation ein guter Ausgangspunkt um eigene Überlegungen und Forschungen anzustellen.


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