» Texte / Kommende Architektur - Bleibender Eindruck

Peter Hinterkörner


Bereits zum zweiten Mal veranstaltet das Architekturzentrum Wien die Ausstellung »Emerging Architecture« (zu sehen bis 15.4.). Als Wanderausstellung konzipiert, soll sie nicht nur dem inländischen Fachpublikum als Nabelschau dienen, sondern das heimische Architekturpotenzial im Ausland bekannt machen. Kuratiert wurde die Ausstellung wie schon im letzten Jahr von Otto Kapfinger, der damit erneut vor der schwierigen Aufgabe stand, zehn ArchitektInnen(teams) auszuwählen. Diese hat er aber – soviel kann man vorweg sagen – bravourös gelöst: einhellig wurde die Zusammenstellung – sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in ihren Einzelteilen – als überzeugender, kompakter und vor allem darstellungstechnisch ausgereifter als ihre Vorgängerin gelobt. Man merkt schon beim ersten Durchgehen das Bemühen, aus vielen interessanten Projekten in diesem Land eine Essenz an architektonischen Lösungen herauszufiltern, die auch mehrmaliger kritischer Durchsicht standhält. Gleichzeitig wird ein vielfältiger Querschnitt durch eine sehr heterogene Szene gezeigt, deren Bauten und Projekte »in Fachkreisen schon beachtet werden, eine breitere und internationale Resonanz aber noch vor sich haben«. Einer sehr handwerklich und industriell geprägten Architektur stehen Projekte gegenüber, die von der Beschäftigung mit Architekturtheorie und Entwurfsmethodik erzählen; der Hang zu abgeklärter Sachlichkeit ist ebenso auszumachen wie trendige Formensprache. Die gemeinsame Tendenz der Arbeiten bilden laut Kapfinger »die Distanz zum skulpturalen, massiven Bauen und der Trend zur körperlosen, gerüst- und membranhaften Raumdefinition.«
Der zur Ausstellung erschienene Katalog ergänzt vor allem textlich die Eigenart der zeitgenössischen Architektur in Österreich und der vorgestellten Arbeiten im einzelnen. Kurz und prägnant sind die Texte, die nicht nur präzise beschreiben, sondern auch das Gefühl vermitteln, das hier unter der Oberfläche geschürft wurde. Im Zusammenspiel mit den Illustrationen schaffen sie Klarheit über die spezifischen Qualitäten der Projekte. Bei aufmerksamen LeserInnen und BetrachterInnen werden jedenfalls Assoziationen zum kritischen Weiterdenken wachgerufen, und bei mehrmaligem Durchblättern erklärt sich die Stringenz der Auswahl als Spiegel maßgeblicher aktueller Architekturpositionen. Der Begriff der »Nachhaltigkeit« reflektiert wohl am besten die Haltung österreichischen Architekturschaffens: die Sorgfalt in Entwurf und Ausführung, der optimierte Einsatz von Handwerk und Technologie, das ökologische Bewusstsein, die Bedachtnahme auf die Landschaft (auch Stadt-Landschaft) findet man in vielen der Projekte, doch selten scheint ein Aspekt den anderen zu überflügeln. »Die Wirklichkeit der Architektur ist nicht das fotogene Gebaute, sondern das, was das Gebaute im Fluss des Lebens in Gang setzt«, formuliert Kapfinger treffend. Die manchmal etwas aufgesetzt metaphorischen Titel trüben das Bild nur minimal, sie illustrieren wohl auch die Schwierigkeiten, Architektur (und die Gedanken dahinter) anschaulich zu beschreiben. Inhalt und Form gehen im Katalog eine angenehm enge Kooperation ein: das klare Layout, die reduzierte Farbgebung – das Understatement der (meisten) präsentierten Arbeiten spiegelt sich schon in der Aufmachung. Kein opulenter Bildband, sondern ein feines Taschenbuch mit Aussagekraft ist der Katalog, und damit wird deutlich gemacht, dass es sich um einen jährlichen Zwischenbericht handelt, der wohl auch im nächsten Jahr mit spannenden Positionen zur Baukunst in Österreich aufwarten wird können.

Otto Kapfinger
Emerging Architecture/ Kommende Architektur 2
(Hrsg. Architekturzentrum Wien)
Wien/ New York, 2002 (Springer)
255 S., EUR 41,10


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