Ode an die Freude
Kunstinsert von Tanja BoukalFreude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium! Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum; Deine Zauber binden wieder, Was die Mode streng geteilt; Alle Menschen werden Brüder, Wo dein sanfter Flügel weilt. (…) Wem der große Wurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein, Wer ein holdes Weib errungen, Mische seinen Jubel ein! Ja, wer auch nur eine Seele Sein nennt auf dem Erdenrund’ – Und wer’s nie gekonnt, der stehle Weinend sich aus diesem Bund.
Friedrich Schillers Libretto zum letzten Satz von Ludwig van Beethovens neunter Sinfonie, die gemeinsam die Hymne der europäischen Union »An die Freude« bilden, sagt viel über die Sicht Europas auf sich selbst und sein Verhältnis zu unbequemen Eindringlingen aus. Mit hohem Pathos beschreibt diese das klassische Ideal einer Gesellschaft Gleichberechtigter, die durch das Band der Freude und der Freundschaft verbunden sind.
Eine weiße Spitzendecke aus hochwertigstem Kaschmir – von der Künstlerin von Hand gestrickt – trägt den Text der Europahymne umrahmt von gestricktem Stacheldraht. Dieses Werk ging mit ihr auf Wanderschaft nach Melilla. Dort fotografierte sie auf beiden Seiten der Grenze: Flüchtlinge eingehüllt in diese Luxusdecke, eingehüllt in die hehren Ideale Europas.
Barbara Holub ist Künstlerin und Mitglied von transparadiso, einer Platform für Architektur, Urbanismus und Kunst.
Paul Rajakovics ist Urbanist, lebt und arbeitet in Wien.
Tanja Boukal lebt und arbeitet in Wien.